Sniper: Ghost Warrior 2 - Vorschau
Mehr Stealth auf dem Weg, mehr Blut am Ziel
Militärische Scharfschützen und ihre Begleiter, die "Spotter", sind eine ganz eigene Art von Soldat. Ihre Mission kann schon mal darin bestehen, ein paar Tage in feindlichem Gebiet oder zumindest ungemütlicher Lage auszuharren und auf ein Ziel zu warten, das vielleicht am Ende nicht mal auftaucht. Wenn es dann aber doch so weit ist, gibt es selten mehr als die Gelegenheit für ein paar Schüsse, bevor alles vorbei ist. Und die müssen sitzen. Wind, Regen, Schwerkraft sowieso und in Extremsituationen die Krümmung der Erde. Ist es passiert, muss man ja auch noch weg, mit bestenfalls einem Kilometer Vorsprung ausgestattet und in der Hoffnung, dass keiner weiß, woher der Schuss kam. Wer will so was schon spielen, wenn man bedenkt, dass man in der Zeit bei einem Call of Duty schon drei Weltkrisen hätte lösen können.
Keiner so richtig, schien die Antwort des ersten Sniper: Ghost Warrior zu sein. Viele Action-Einlagen und vergleichsweise kurze Anmarsch- und Stealth-Wege zum Ziel, dann noch recht einfach Entfernungsschüsse. Wäre das Genre nicht so dünn besiedelt, es hätte wohl nicht so viele Fans gefunden. City Interactive nähert sich nun der Fertigstellung des zweiten Ghost Warrior und alles soll natürlich viel besser werden. Der Realismus, das Schleichen und natürlich das Schießen.
Fangen wir des Spaßes halber deshalb mit dem Treffen an. Ich weiß nicht, wie es aussieht, wenn eine Hochgeschwindigkeitsgewehrkugel in einen Kopf fliegt und diesen praktisch platzen lässt, und bin auch sehr froh darüber. Von daher lässt sich der Grad des Realismus der extrem expliziten Zeitlupentreffer nicht mit letzter Sicherheit bestimmen, aber es wird schon passen. Wer auf den Kilometer Distanz nicht mit dem Einschlag zufrieden ist, darf sich über Nahaufnahme, Zeitlupe, das Tommi-Stumpff-Triumvirat von Blut, Gehirn und Massaker freuen.
Arbeiten wir uns rückwärts von diesem Moment weg. City Interactive betont den Realismus, der hier mit allen Extras einfließen soll, aber das ist natürlich bis zu einem gewissen Grad eine freundliche Übertreibung. Es kostet so manches Jahr der Übung und Tausende Schuss, bis er weiß, wie eine Kugel auf solche Distanzen von Wind und Schwerkraft beeinflusst wird und das will man dann dem Spieler doch nicht antun. Es wird nach Gefühl - etwas hoch, etwas dem Wind entgegen - gehalten und nach ein paar Übungsrunden habt ihr schon ein gutes Gefühl für die Kugel. Der Schwierigkeitsgrad dessen wird sich anpassen lassen, aber es ist wohl eine sichere Aussage, dass ihr für Ghost Warrior 2 schwerlich GSG9-Training brauchen werdet.
Zugänglichkeit liegt hier offensichtlich generell in dem Tempo. Der Mix aus schnelleren Action-Passagen und viel Schleichen bleibt erhalten, wobei die Betonung zugunsten des Letzteren verschoben wird. Interessanterweise wurde dabei ausgerechnet bei einer Dschungelmission der Grad der Freiheit der Bewegung mehr eingeschränkt als in der den Betonschluchten Sarajevos. Hier folgt ihr nach ebenso obligatorischer wie erfolgreicher Selbstbefreiung aus den Klauen der Häscher einem kurzen, definierten Weg, bevor euch das Spiel zum Gewehr bringt. Ab da sucht ihr relativ frei Positionen und Ziele. Im Dschungel dagegen gibt euer Spotter den Ton an. "Weiter." " Auf Wache achten." "Ziel voraus." "Feuer." Solche Passagen gibt es also auch.
Am Ende wird der Mix entscheidend sein und der lässt sich anhand von Einzelbeispielen nicht vollständig bestimmen. Es ist jedoch klar, dass dies nicht das Sniper-Open-World-Spiel sein wird, sondern Zugänglichkeit. Das heißt jedoch keineswegs, dass Run´n´Gun das Motto sein wird. Den Kopf tief halten und an Feinde heranpirschen ist nicht einfach nur effektiver, alles andere sorgt vielmehr zu einem guten Teil der Zeit dafür, dass ihr einfach umgeholzt werdet. Damit das nicht so schnell passiert, wird das Spiel eine Reihe von Vereinfachungen bieten, wie zum Beispiel das permanente Tracking einmal gesichteter Feinde auf den normalen Härtegraden. Schaltet ihr jedoch hoch, werdet ihr nicht viele Treffer einstecken können, was die Wege zum Schusspunkt durchaus reizvoll macht. Nur könnten diese halt länger und eben auch mal ereignisloser sein. Spannung liegt eben auch darin, dass man nicht nur ahnungslos ist, was genau passieren wird, sondern auch, ob etwas passiert. Zugeben, ein einstündiger Marsch durch die Landschaft wäre wohl der Zugänglichkeit abträglich.
Aber dabei ist die Landschaft doch so schön! Egal, was man sonst über das Spiel sagen mag, Sniper: Ghost Warrior 2 sieht einfach richtig gut aus. Die CryEngine 3 leistet ganze Arbeit zu zeigen, dass sie sich bei riesigen Sichtweiten und dichtem Laub am wohlsten fühlt. Die nepalesischen Dschungel - ja, die haben mehr als nur Berge - wirken plastisch und greifbar, lebendig und organisch. Ein Hauch des ersten Far Cry umweht diese Szenen, nur halt technisch noch viel weiter entwickelt. Aber auch in den Städten tobt sich Engine gut aus, schafft eine bedrückende Atmosphäre in den Todesstraßen des Bürgerkriegs am Balkan.
Gerade diese dürften ein besonders makabrerer Hintergrund für den Multiplayer werden. Ghost Warrior 2 wird Modi zum Spiel gegeneinander mitbringen und hier sehe ich eine der größten Stärken des Spiels. Das klingt zwar erst mal nach Campers Paradise, viel lohnender dürfte es jedoch sein, sich mit den Mechaniken des Schleichens zu beschäftigen. Es wird nämlich durchaus möglich sein, sich lautlos und auch gut getarnt so zu bewegen, dass ihr euch ungesehen vorwagen könnt. Unvorsichtige werden mit einem Marker über dem Kopf für den Krach, den sie veranstalten belohnt, der erst wieder verschwindet, sobald sie Ruhe geben. Einmal entdeckt, lebend aus einer Position zu flüchten und zum Gegenangriff überzugehen könnte durchaus spannend werden.
Sniper: Ghost Warrior 2 wird keine echte Simulation dieser militärischen Sonderdisziplin werden. Kurze Anlaufwege, kein endloses Warten und für den finalen, extrem blutigen und expliziten Treffer braucht ihr keine Sonderausbildung. Es versucht satt dessen, den im ersten Teil etwas verunglückten Mittelweg sinnvoll in Richtung des einen Schusses und des zu ihm führenden Stealth auszubauen, ohne dabei die "normalen" Shooter-Freunde vor den Kopf zu stoßen. Die Missionen sahen - nicht zuletzt dank der fantastischen Optik - reizvoll und interessant aus, so sehr sogar, dass man sich ein wenig wünschte, dass Ghost Warrior 2 noch näher an der manchmal vielleicht etwas langatmigeren Wirklichkeit dran wäre. Aber nichtsdestotrotz ein sehr vielversprechender Titel mit einem eigenen Charme.