So wie in Live A Live möchte Martin gern an die ferne Gaming-Vergangenheit erinnert werden - Unsere Spiele des Jahres 2022
Pixel-Remaster der besten Art
Square Enix hatte einen unglaublich spannenden „B“-Output dieses Jahr. Da gab es komplette Gurken, deren generelle Existenz man infrage stellen darf – Various Daylife – bis hin zu kleinen, aber sehr feinen Geheimtipps, die ein Stündchen brauchten, um zu zünden, wie The Diofield Chronicles. Mein Favorit dieser Reihe kleineren Spiele ist Live A Live - hier zum Test - und in mancher Hinsicht auch mein Spiel des Jahres.
Sicher, wenn ich jetzt nur eines haben darf, Elden Ring oder Live A Live, würde ich mich für From Software entscheiden, aber schon mit ein wenig Zähneknirschen. Live A Live ist nämlich die ideale Blaupause, wie man mit ferner Gaming-Vergangenheit umgehen darf, die mal nicht legendäre Namen wie eben Final Fantasy trägt. Dessen diverse Teile wurden mitunter schon mehrfach ge-remastered und ge-remaked, demnächst in der Pixel Remaster Sammlung. Vieles andere aber, das Square und Enix damals fabrizierten, ist qualitativ ähnlich hochwertig, aber komplett vergessen. Es kam nicht einmal aus Japan heraus. Es sind für uns nach allen Maßstäben neue Spiele, wenn sie denn richtig aufgearbeitet werden.
Live A Live verzeihe ich dabei gern, was berechtigte Kritik anmerkt: Dass seine sieben Geschichten und sieben Protagonisten etwas zu wenig verzahnt sind. Dass einige der Kapitel etwas kurz daherkommen, ist auch nicht falsch. Das sind sicher Probleme, die ein Neuschreiben der Geschichten und des Spiels hätte angehen können, aber sollte man das in diesem Falle? Live A Live erschien vor fast 30 Jahren, damals trafen diese Punkte nur sehr viel bedingter zu, weil allein die Grundprämisse für die Zeit so ungewöhnlich und charmant war, dass mehr zu verlangen geheißen hätte, dass alles Chrono Trigger sein muss und es kann nun mal nicht alles Chrono Trigger sein.
Live A Live ist vor allem ein perfektes technisches Remake. Der modernere Pixel-Look passt zum Zeitgeschmack aktuell, weicht aber auch nur so weit vom Original ab, wie es sein muss, um hier und da mal etwas nett in 2,5D-in Szene zu setzen. Farben und Stimmungen blieben erhalten und werden nicht nach den Launen der Zeit neu interpretiert. Für die Arrangements der Musik holte man sogar die damalige Komponistin mit an Bord, die zwar die Instrumentierung deutlich erweitert, aber nie die Grundlagen der Melodien anfasst. Live A Live veränderte sich so, dass es vom Spielgefühl und Look als „retro-modern“ problemlos durchgeht und sich nie veraltet anfühlt. Aber es blieb in mehr als nur seinem Herzen das Spiel, das 1994 erschien.
Damit ist Live A Live ein Vorbild, wie man mit all den verlorenen 2D-Klassiker der 16- und 32-Bit-Ära umgehen darf. In seiner jetzigen Form darf der Klassiker, der sicher einer gewesen wäre, wenn Live A Live damals den Sprung ins Englische geschafft hätte, fast als zeitlos gelten. Wobei man damit vorsichtig sein muss. Wer weiß schon, was in 30 Jahren sein wird.