Songs of Conquest ist alles, was ich mir erträumt habe - und schon bald erhältlich
Heroes of Might & Magic war nie so schön wie das hier - Alex plauderte deutschlandexklusiv mit Magnus Alm über das Strategie-RPG.
Die schönste Überraschung legte Lavapotions Mitgründer Magnus Alm gleich zu Beginn unserer Unterhaltung über Songs of Conquest auf den Tisch: Der Early Access zur betörend schönen Heroes of Might & Magic-Hommage - eine "HoMMage", wenn ihr so wollt - startet schon "innerhalb den nächsten paar Monate", auf jeden Fall aber in der ersten Jahreshälfte 2022. Nach fünf Jahren Entwicklung für das neunköpfige schwedische Kern-Team sicher auch eine Erlösung.
Aber das gilt auch für mich. Seit ich mein Herz an Heroes of Might & Magic 3 verlor, ging es mit dem Genre der rundenbasierten Strategie-Rollenspiele im Grunde nur noch bergab. Obwohl Ubisoft der Reihe hier und da weiter eine Chance gab und auch die Konkurrenz in Form von Disciples oder King's Bounty immer mal wieder einen Versuch wagte. Jetzt kommt dieser Mix aus Rundentaktik, Basenbau und Erkundung einer gewaltigen Karte aus der Draufsicht als Songs of Conquest mit beeindruckendem, unverbrauchtem Schwung zurück. Nach gut fünf Stunden mit der Vorschauversion und meinem Plausch mit Alm steht für mich so gut wie fest, dass ich hiermit beinahe ebenso viel Freude haben werde, wie mit dem Original von 1999.
"Wie schön kann man Pixelart machen?" Songs of Conquest: "Ja!"
Doch Songs of Conquest dürfte nicht nur etwas für Fans der steinalten Vorlage sein, schon beim ersten Anblick ist klar, dass Lavapotion dem Spiel das gewisse Etwas eingeflößt hat. Es prickelt beinahe vor Stil und Lebenskraft, was hier auf dem Bildschirm passiert. Die Schweden haben eine eigene, extrem spannende Antwort auf die Frage gegeben, wie man Retro-Ästhetik einen zeitgemäßen Dreh verleiht, der sich nicht allein darauf verlässt, dass große Pixel wieder en vogue sind. Die hat Songs of Conquest auch, es stellt nur ein paar interessantere Dinge damit an.
Das beginnt damit, dass die Grafik streng genommen nicht 2D ist. Aus schräger Draufsicht blickt ihr zwar auf die zoombare, gepixelte Karte, aber alles, was sich auf ihr befindet, ragt sichtbar in anderem Winkel aus ihr heraus - fast wie flache Papp-Spielfiguren auf einem Brettspiel. "Billboarding" nennt Alm diese Technik: Büsche, Bäume, Tavernen, Höfe, Sägemühlen, Krieger, Nekromanten, Feen - alles gewissermaßen "Aufsteller", die sogar einen eigenen Schatten werfen. Größere Strukturen wie Städte oder Burgen haben sogar einen Parallax-Effekt, weil ihre einzelnen Gebäude hintereinander angeordnet sind.
Zusammen mit den opulenten Animationen - Bäume, Gras und Blumen wiegen sich verträumt im Wind, Schatztruhen funkeln verlockend - erzeugt die Landschaft auch von oben noch eine wundervolle Weite und Tiefe, die unwiderstehlich einladend wirkt. Man möchte den Fog of war, der die Map verschleiert, am liebsten in alle Richtungen gleichzeitig fortwischen und arbeitet allein deshalb schon darauf hin, möglichst viele Wielder - eure Generäle, die ihr stellvertretend für eure Fantasy-Armee über die Karte zieht - anzuheuern. Dazu die knackscharfen UI-Elemente, schneidige, handgemalte Charakterporträts und ein geschliffener, moderner Font für die Texte... Das hier sieht insgesamt einfach sehr stimmig aus.
Der grundlegende Ablauf ist schnell erklärt. Ihr zieht eure von klassischen RPG-Werten bestimmten Feldherren rundenweise über die Karte, sammelt unterwegs Ressourcen, Ausrüstung und neue Einheiten ein, beansprucht produzierende Gebäude für euch und begegnet NPCs und verfeindeten Truppen. Die überwältigt ihr dann in klassischem, aber zügigem Hexfeld-Rundenkampf. Kleine Siedlungen rüstet ihr auf, könnt diese dann schließlich zu Schlössern ausbauen und ringsum Dörfer und andere Ressourcen oder Einheiten produzierende Anlagen errichten. So erweitert ihr Schritt um Schritt euren Wirkradius, während ihr fast nebenher die Geschichte erlebt - doch auch die ist exzellent geschrieben.
Was sind die Unterschiede zu Heroes of Might & Magic?
Alm macht keinen Hehl aus der Nähe (und seiner Liebe) zu Heroes of Might & Magic, stellt aber auch klar, dass Lavapotion entschlossen ist, ein einnehmenderes, tiefschürfenderes und zugleich flotteres Spiel zu entwickeln. Einen separaten Town-Screen gibt es nicht - ihr nehmt alle Upgrades direkt auf der Karte vor und seht eure Stadt sich physisch auf der Karte ausbreiten. Es kommen zudem deutlich mehr Rollenspielelemente zum Einsatz, obwohl die Wielder auf den Schlachtfeldern niemals selbst in Erscheinung treten und ihre Charakter- und Ausrüstungswerte nur an ihre Truppen weiterreichen. Ein cleveres System: Meine Anführerin Cecilia Stoutheart fand etwa einen legendären Bogen. Nachdem ich mein zweihändiges Schwert dafür in Rente schickte, nahmen meine Schützen eine signifikant wichtigere Rolle in den Schlachten ein. Hier deutet sich großes Potenzial an, individuelle Armeen zu errichten.
Das unterstreichen auch die Kämpfe an sich, denn die sind es, die sich am stärksten von HoMM abgrenzen. Der größte Unterschied wäre wohl das faszinierende Magiesystem. Fünf Essenzen bestimmen, welche Sprüche ihr wirken könnt: Ordnung, Chaos, Zerstörung, Schöpfung und Arcana - jede davon ist ihre eigene Art von Mana. Jede Einheit generiert mit dem Start ihres Zuges eine feste Menge ihres speziellen Manatyps. Der normale Schwertkämpfer stiftet zum Beispiel zwei Punkte Ordnung, der Minnesänger je einen Punkt Chaos und Schöpfung - und diese Punkte sammelt ihr mit jeder Runde. Sprüche dürft ihr in einer Runde so viele wirken, wie ihr Essenz zur Verfügung habt. Manche besonders mächtige Zauber erfordern auch zwei unterschiedliche Typen an Essenz.
Das System wirkt extrem reizvoll und wirkt sich natürlich auch auf eure Truppenzusammenstellung aus. Ein Wielder kann bis zu neun Einheiten anführen, die jeweils zwischen 20 und 50 Kämpfer stark sind. Clever: Wie viele Kämpfer sich in einer Einheit befinden, ist für die Produktion von Essenz egal. Ein Verband an Bogenschützen erzeugt pro Runde immer einen Punkt Ordnung. Setzt ihr also mehr auf Schutzzauber (brauchen Ordnungs-Essenz) und hat euer Wielder gerade Platz in seinem Verband, ist es vielleicht keine verkehrte Idee, zu splitten. Statt einer 20 Schützen starken Bogeneinheit könntet ihr also zwei zehnköpfige aufstellen und so einen Punkt Ordnung pro Zug mehr einfahren. Hier tun sich Facetten auf, die am Ende im Kampf einen empfindlichen strategischen Unterschied machen könnten.
Auch im Kleinen gibt es spürbare Unterschiede. So können Einheiten nicht wie in HoMM "warten", um ihren Zug zu überspringen. "Die Wait-Funktion wollten wir nicht", so Alm. "Die macht die Kämpfe nur langweilig. Wir wollen den Spieler zum Handeln zwingen. Es gibt aber ein oder zwei Truppen, die Warten als explizite Truppenfähigkeit besitzen, die dann umso mächtiger ist." Alm führt Fantasy Flights Brettspiel Twilight Imperium als Beispiel an, bei dem eine Fraktion über genau diese Fähigkeit verfügt.
Auch sonst stellt sich alles in den Dienst, den Kampf nie zum Erliegen kommen zu lassen. Fernkampf-Einheiten können sich anders als in der namhaften Vorlage bewegen und dann immer noch schießen - wenngleich mit einem beachtlichen Malus auf ihren Schaden. Erhöhte Positionen geben unterdessen einen Bonus auf die Werte der Figuren, die ihr darauf platziert, sodass ihr der Bewegung auf dem Schlachtfeld mehr Beachtung schenken müsst. Auch und vor allem, weil einige Einheiten bei der Kontrolle des Raumes viel zu bieten haben - etwa, indem sie Barrikaden errichten.
Für den Moment gibt es im Grunde eigentlich nur die KI zu kritisieren, an der Lavapotion nach eigenen Angaben noch arbeitet. In den Alpha-Missionen leistete sie noch keine wirkliche Gegenwehr und verhielt sich auf der Karte strikt statisch. Allerdings hatte diese Questlinie auch entschiedenen Tutorial-Charakter, insofern macht das eine Einschätzung schwer. Passend dazu ist auch die Verteidigung der Siedlungen noch nicht implementiert. Bis zum Early-Access-Release sollen aber beide Features stehen, ebenso wie einige Quality-of-Life-Verbesserungen und das Nekromantie-System.
Was enthält der Early Access von Songs of Conquest?
Zum Start wird das Spiel zwei Kampagnen, vier Fraktionen plus den Editor enthalten, mit dem man eigene Kampagnen entwerfen kann - oder einfach nur Multiplayer-Karten für ausgedehnte Partien mit seinen Freunden. "Die Spieler haben dieselben Tools zur Verfügung, mit denen auch wir die Kampagnen gemacht haben", verrät Alm. Interessierte, die Early-Access-Veröffentlichungen allgemein eher skeptisch gegenüberstehen, dürften mit der Vorab-Phase von Songs of Conquest keine allzu großen Probleme haben. Laut Alm sei das Spiel zum Start vermutlich noch etwas ungeschliffen, inhaltlich dürfte es aber so gut wie fertig zu sein und über alle Systeme zu verfügen, die es ausmachen.
"Wir haben jetzt fünf Jahre an Songs of Conquest gearbeitet. Unserer Meinung nach ist es jetzt an der Zeit, dass die Spieler es in die Finger bekommen", so Alm. "Wir finden, das Spiel ist in einem Zustand, dass wir mit ordentlich Selbstvertrauen und Stolz sagen können - 'Ja, es ist ein Early Access, aber wir haben die größten Bugs eliminiert und die KI sollte funktionieren wie gedacht'. Ab dann sei es an der Community, Feedback und Vorschläge zu geben, in welche Richtung es mit dem Projekt weitergehen soll. "Sollten wir mehr Kampagnen priorisieren? Einerseits möchten viele Spieler genau das, andererseits gibt es welche, die sie gar nicht spielen," so Alm.
Wichtige Fragen zweifelsohne, die für ein kleines Team mit einer Stammbesetzung von nur neun Leuten gar nicht so einfach zu beantworten sind. Bis hierhin habe ich allerdings großes Vertrauen in Lavapotion. Songs of Conquest hat eine Vision und mehr Stil als viele große Produktionen. Und nicht zuletzt Macher, die offenkundig über die Leidenschaft und das nötige Handwerkszeug verfügen, ein Abenteuer auf die Beine zu stellen, das die prominente Vorlage nicht nur in Ehren hält, sondern sie sogar übertrifft.