Songs of Silence: Ein Early-Access-Spiel aus München, das meine Augen und Ohren verzaubert
Fantasy aus deutschen Landen.
Ob sich das deutsche Studio Chimera Entertainment seinen Komponisten deshalb ausgesucht hat, weil er als Experte für Spiele gilt, die wie Gemälde aussehen? Auf jeden Fall schiebt man in Songs of Silence zu Musik von Hitoshi Sakimoto (Valkyria Chronicles) Helden umher und alle sehen so aus, als wären ihre Portraits der Galerie eines Museums entliehen. Schaut euch die Bilder nur mal an: Inspiriert durch Arbeiten von Alphonse Mucha schwelgt Songs of Silence in der filigranen Eleganz des Jugendstils.
Mich hat das sofort in seinen Bann gezogen, weshalb ich zunächst die Demo und inzwischen vor allem das frisch im Early Access erschienene Spiel angeschaut habe. Worum es da geht? Ähnlich wie in Heroes of Might and Magic bewegt man eine Reihe an Helden samt ihrer Armee über eine Landkarte und greift feindliche Einheiten sowie deren Städte an. Hat man einen Ort erobert, hebt man dort weitere Truppen für die Armeen aus und erweitert die Infrastruktur, um das überhaupt erst zu ermöglichen.
Nun erinnert dieser strategische Ausbau zwar an vertraute 4X-Strategie, geht allerdings nur behutsam in die Tiefe, wenn verschiedene Helden einer Siedlung zwar individuelle Ausbaustufen verleihen können, diese Möglichkeiten zumindest im Rahmen der Kampagne aber nicht gerade zahlreich sind. Und auch auf taktischer Ebene ist der Feldzug überschaubar, da man den Truppen im Kampf keine direkten Anweisungen gibt, sondern einem Auto-Battler dabei zuschaut, wie seine Spiellogik das Gefecht automatisch austrägt.
Nun heißt das mitnichten, dass man die Hände in den Schoss statt auf die Maus legen sollte – beziehungsweise demnächst auch auf das Gamepad, denn Songs of Silence soll zukünftig nicht nur Controller und Steam Deck unterstützen, sondern auch auf Konsolen erscheinen. Rein technisch läuft es auf Valves Handheld ohnehin schon jetzt so gut, dass ich ein paar Stunden problemlos mobil taktiert habe.
Und taktieren heißt hier, dass zum einen die Aufstellung der Truppen von großer Bedeutung ist. Gut: Dass man Fernkämpfer nicht in die erste Reihe stellt, versteht sich von selbst. Tatsächlich wirkt es sich aber auch deshalb entscheidend aus, in welcher Reihe welche Einheiten starten, weil das unter anderem darüber bestimmt, wann sie ihren Ansturm auf ankommende Gegner beginnen und wann weitere Truppen dann hinzukommen.
Zum anderen schaut man selbst während der Automatik-Scharmützel nicht tatenlos zu, da jeder Held über verschiedene Fähigkeiten in Form von Karten verfügt, die man nach ihrer jeweiligen Abklingzeit aktivieren kann. Dazu zählen passive Verstärker, wie kurzfristige Unverwundbarkeit sowie ein Erhöhen der Kampfkraft, aber auch aktive Einflussnahme durch das das Herbeirufen mächtiger Kreaturen, das Auslösen kleiner Naturgewalten, das gleichzeitige Fokussieren aller Fernkämpfer auf ein frei wählbares Zielgebiet und viele mehr.
Mir gefällt diese unkomplizierte Art des aktiven Taktierens – auch wenn ich hier und da ein wenig Tiefe vermisse. Denn obwohl ein Held mit steigender Erfahrung neue Fähigkeiten hinzubekommt beziehungsweise vorhandene verbessert (man hat bei jedem Levelaufstieg die Wahl zwischen drei Karten), sind das doch immer so wenige, dass man in jedem seiner Gefechte praktisch dieselbe Routine abspult.
Bei Belagerungen greifen direkt daneben stehende Helden außerdem nicht in den Kampf ein und das gilt auch für die Verteidigungsanlagen der Stadt, wenn man von außerhalb kommend den belagerten Ort attackiert. Oder anders gesagt: Man kann die eigene Cleverness (so vorhanden) nicht in scheinbar offensichtliche Lösungen einbringen, was meine Motivation doch etwas drückt. Zumindest kann man eigene Helden in Wäldern verstecken und muss auch darauf auspassen, dort nicht in einen Hinterhalt zu geraten.
Im Mittelpunkt steht bei Songs of Silence eben nicht die ganz große Strategie, sondern ein überschaubares Manövrieren, das eher die Geschichte und ihre Welt in den Vordergrund rückt. Die famosen Zeichnungen erwähnte ich ja schon; man findet sie auf jedem Charakterportrait, bei jeder Ergebnismeldung nach einem Kampf sowie auf den zahlreichen Karten mit ihren taktischen und strategischen Fähigkeiten.
Auch die Oberwelt selbst erinnert an eine gemalte Landkarte. Zoomt man heraus, sind Helden und Orte sogar wie Figuren eines Brettspiels eingezeichnet. Schade, dass man in dieser Ansicht nicht spielen kann! Alle paar Züge unterhalten sich zudem die eigenen Helden, was der Kampagne ein stimmungsvolles Abenteuer-Flair verleiht.
Mit anderen Worten: Die Erzählung spielt eine große Rolle, wodurch Songs of Silence nicht nur einen hervorragenden visuellen Eindruck hinterlässt, sondern seine eindrucksvollen Bilder auch in eine Welt einbettet, die eine Geschichte hat. Wie tief die reicht und was uns in späteren Kapiteln erwartet, die erst mit dem Ende des Early Access veröffentlicht werden, kann ich natürlich noch nicht sagen.
Für den Moment kann ich nur festhalten, dass ich mir zum Beispiel zusätzliche Nebenmissionen wünsche, die sich noch mehr um den Hintergrund dieser Welt drehen. Die ersten Missionen sind ja so geradlinig, dass dafür kaum Zeit bleibt. Und wenn man doch mal auf ein so genanntes Abenteuer stößt, ist das nicht mehr als ein optionales, relativ anspruchsvolles Gefecht. An diesen Stellen verschenken die Entwickler für mein Empfinden noch so manches Potential.
Mit fortlaufender Kampagne schaltet man übrigens weitere Parteien beziehungsweise Helden für den Skirmish-Modus frei, um dort sowohl gegen die KI als auch mit Freunden freie Partien zu spielen. Damit man dort aus dem Vollen schöpfen kann, dauert es nur eine ganze Weile, weshalb ich mir das bisher nur kurz angeschaut habe.
Unterm vorläufigen Strich hat mich Songs of Silence also vor allem mit seiner prachtvollen Präsentation in seinen Bann gezogen und hält mich durch das flotte Erkunden der Weltkarte gut bei der Stange. Es ist eine Art vereinfachte Variante dessen, was man aus Heroes of Might and Magic kennt und für mich geht die mit Abstrichen bisher auf. Inwiefern das Ganze auch als freie 4X-Strategie im Skirmish funktioniert, wenn man nicht durch vorgegebene Missionsziele geführt wird, muss sich allerdings noch zeigen. Zumal es eine Reihe an Kleinigkeiten gibt, die Chimera hoffentlich noch angeht. Bis jetzt sind die Münchner immerhin sehr aktiv, was die Kommunikation mit ihren Spielern angeht, und mit Updates auch schon ersten Spielerwünschen nachgekommen. Die Zeichen stehen also gut – ich drücke diesen klangvollen Songs of Silence jedenfalls die Daumen!