Sonic Forces - Test
Zwei große Sonic-Hits in einem Jahr? Das wäre auch wirklich zu viel gewesen.
Man müsste mal eine Studie machen, was bei jedem Sonic-Spiel seit 1993 schiefging. Das wäre manchmal sehr kurz, zum Beispiel beim diesjährigen Sonic Mania - kam 20 Jahre zu spät - und manchmal noch kürzer - Sonic 2006 und Boom: Alles. Bei Sonic Forces allerdings würde es wieder etwas ausführlicher werden, denn das Team von zwei der helleren Lichtblicke der Sonic-Jahrzehnte Colours und Generations - hatte hier Ambitionen, Ideen und sogar Talent. Und trotzdem will es einfach nicht so richtig klicken, wie es diesen beiden Spiele gelang.
Sonic Forces versucht eine Menge. Eigentlich alles. Ihr habt 3D-Stages. Ihr habt 2D-Stages. Ihr habt Stages, die beides und alles dazwischen machen. Bosskämpfe von der Seite. Bosskämpfe in die Tiefe. Alle Charaktere. Zum ersten Mal eigene Charaktere und diese sogar mit eigenen Fertigkeiten. Ihr habt Technik, die sich wirklich sehen lassen kann. Die sogar richtig gut aussieht. Ehrlich, das ist eines der schönsten modernen Sonics überhaupt. Und vielleicht beginnen damit auch die Probleme.
Das etwas unterschätzte Sonic: Lost Worlds versuchte die übliche 3D-Sonic-Formel aus fast reinem Tempo mit Absprüngen, die kaum mehr als Quick-Time-Events sind, aufzuweichen und den Weg von Marios freieren 3D-Welten zu gehen. Sonic Forces dagegen ist eine hundertprozentige Kehrtwende zu erneut visuell extrem beeindruckenden Stunts, bei denen ihr oft genug nur auf den Trigger wartet, um den Knopf zu drücken und euch sonst an den bunten Dingen erfreut, die im peripheren Blickfeld vorbeisausen. Das ist für ein Spiel am Ende etwas unbefriedigend, denn selbst auf dem hohen Schwierigkeitsgrad reduziert sich der Ablauf in der Hälfte seiner 30 kurzen Stages auf wenig mehr als eine hübsche Achterbahnfahrt.
Der Rest dagegen will ebenfalls einfach nicht die Bremse rausnehmen, wo es ein Sonic Mania intelligenterweise oft genug tat. Dieses Spiel verstand, dass Sonic mit Blast Processing werben geht, aber auch mal Tempo rausnehmen muss, um ein valider Plattformer zu sein. Die Wechsel in Sonic Forces dagegen sind oftmals so abrupt, dass ihr euch oft durch schlecht angedeutete Hindernisse fast schon aktiv seitens des Leveldesigns ausgebremst fühlt. Es ist zu offensichtlich, dass das Spiel das Äquivalent einer Autobahn ist, die plötzlich und ohne Schilder in einer Spielstraße mündet. Also lässt der Spaß am Tempo in den von der Seite gezeigten Stages schnell nach, weil ihr weit mehr als sonst mit lästigen Pollern am falschen Ort rechnet.
Dabei haben die Level an sich durchaus Potenzial. Sie bieten oft viele verschiedene Wege und dass ihr sie zig Mal spielen müsst, um endlich den richtigen Abzweig zu der letzten roten Münze zu bekommen, ist Teil des Programms, allein schon weil das Spiel so kurz ist. Etwa 30 Stages klingt nach viel, aber da ihr die meisten in weniger als fünf Minuten durchgespielt haben werdet, kommt ihr erst mal auf eine Laufzeit von vier bis fünf Stunden. Sicher, bis alles auf dem S-Ranking steht und alle roten Münzen und Geheimlevel gefunden sind, das wird sehr viel länger dauern. Aber aus den genannten Gründen hielt sich meine Motivation in Grenzen, beliebig oft in viele der Sonic-Forces-Level zurückzukehren. Ganz im Gegensatz zu Sonic Mania übrigens, dessen Level nicht nur im ersten Durchlauf eine weit größere Herausforderung bieten, sondern auch mehr Freude am Wiederspielwert.
Die größte Neuerung an Forces sind die eigenen Avatare. Es ist ein erstaunlich komplexes System der Charaktererstellung in einem Spiel, das damit eigentlich gar nicht so viel anzufangen weiß. Ihr habt die Auswahl aus sieben Tierarten, Igel ist nur eine davon. Jede hat eigene Spezialfertigkeiten. Mit dem Vogel habt ihr einen Doppelsprung, der Hase ist, nachdem er Schaden nahm, ziemlich lange unverwundbar, Katzen behalten nach Treffern einen Ring, was eine sinnvolle Lebensversicherung gerade in Bosskämpfen sein kann. Dazu kommen Wisp-Fertigkeiten, die ihr in den Stages aufladen müsst. Das kann ein Flammenwerfer sein, ein zielsuchender Schuss, mal kombiniert mit mehr Sprungfertigkeiten, Unverwundbarkeit und mehr. Es ist alles vielseitig und komplex und das in einem Spiel, das ehrlich gesagt nicht genug Auslauf bietet, um das alles wertschätzen zu können. Nicht zuletzt, weil es außerhalb der paar Stages, in denen ihr den Avatar nehmen müsst, eh mehr Sinn und Spaß macht, einfach mit dem modernen Sonic zu spielen.
Ihr habt wieder wie in Generations den modernen schlanken Sonic mit seinem Ziel-Angriff und in manchen Welten, die komplett von der Seite gezeigt werden, spielt ihr als klassischer Sonic, der bei Gegnern etwas vorsichtiger sein muss und sich etwas behäbiger steuert. Es ist wie auch in Generations eine nette Abwechslung, nur leider ist das Level-Design einfach zu schwach, als dass Forces mit dessen 2D-Stages oder gar denen in Mania mithalten könnte. Damit bleibt es eine nette Hommage an alte Sonic-Spiele, aber leider nicht viel mehr. Die Story selbst will in den ersten Minuten düster sein und Sonic zu sehen, der von Eggmans Truppen niedergeschlagen und dann wohl über Monate eingekerkert und gefoltert wird, während Eggman die Welt übernimmt, ist eine Vorstellung, die das Sonic-Universum nicht unbedingt brauchte. Vor allem, wenn es danach nahtlos mit Chili-Dog-Witzen weitergeht. Ernsthaft, die Geschichte wirkt von Intro bis zu Sonics Befreiung in Stage 5 wie aus einem anderen Spiel gefallen. Und nicht unbedingt aus einem Sonic, sondern aus einem Tom-Clancy-Titel. Nur halt mit Furries. Sehr seltsam, das alles.
Aber wie gesagt, mal abgesehen davon, dass Sonic Forces spielerisch vielleicht nicht die Krönung ist, sinkt es doch nie auf das Niveau eines 2006 oder Boom und vor allem hat es nicht deren technische Probleme. Als bunte Show-Einlage voller hübscher Level und Loopings gibt es hier nichts zu bemängeln. Es sieht auch trotz des tonalen Schleudertraumas der Handlung alles durch und durch sofort auf eine gute Art nach Sonic aus. Die einzige Enttäuschung ist dabei die Musik. Die Neuarrangements alter Stücke gehören nicht zu den besten dieser Art und bei den Rock-Tracks vermisst man Crush 40 wirklich teilweise schmerzhaft. Und ja, stellenweise meine ich wirklich schmerzhaft. Forces hat den seit langem schwächsten Soundtrack und für ein Sonic-Spiel ist das keine Kleinigkeit.
Sonic Forces ist ein seltsames Etwas. Es ist definitiv genug, um mich als Sonic-Fan zu erfreuen. Es bietet bunte, schnelle Stages, die es wie das Videospiel-Äquivalent eines besonders tollen Schlüsselbundes vor der Nase meines inneren Sonic-Fanboys hin- und herklappert. Es hat Ideen und funktioniert auf einem grundlegenden Level weit stabiler als das manchmal nicht ganz ausgereifte Lost World oder Colours. Aber diese Spiele boten Herausforderungen und auf solchen basierendes Level-Design. Hier ist es entweder, in der richtigen Sekunde den richtigen Quick-Time-Hüpfer mitzunehmen oder den Level auswendig zu lernen, um nicht mit zu hohem Tempo in nicht ganz faire Hindernisse zu krachen. Oder beides. Daran ändern die Avatare mit ihren Fertigkeiten und Extrawaffen nicht viel, die eh den Eindruck machen, als wären zuerst sie mit viel Aufwand entworfen worden und dann das Spiel schnell hinterher. Aber wie gesagt, ich hatte als Fan meine paar Stunden Spaß, Forces ist weit unterhaltsamer als es zum Beispiel Unleashed oder Black Knight waren. Aber angesichts der Existenz von Generations, Lost World und vor allem Mania ist Forces am Ende kaum mehr als ein kleines, etwas belangloses Goodie, das man sich als Sonic-Fan geben kann, aber nicht unbedingt muss.
Entwickler/Publisher: Sonic Team/SEGA - Koch Media - Erscheint für: PC,PS4, Xbox One., Switch - Preis: ca. 40 Euro (ca. 50 Euro Switch, ca. 30 Euro PC)- Erscheint am: erhältlich - Getestete Version: Xbox One - Sprache: deutsch / englisch - Mikrotransaktionen: Ja (neue Figuren, nicht relevant)