Sonic Mania und Sonic Forces - Igels Renaissance
Am Ende gewinnt der Klempner. Aber diesmal gibt sich der Igel echt Mühe.
Das sieht ja mal genau aus, wie auf dem Mega Drive anno 1991. Gut, ein bisschen schärfer ist das Bild schon und die Farben knallen so richtig, aber als Sonic am Startpunkt der Zone Green Hill Act 1 steht, da überkommen mich nostalgische Gefühle, gepaart mit dem Schrecken der Erkenntnis, dass ich das Original tatsächlich vor einem Vierteljahrhundert gespielt habe und ich alt bin.
Der Schrecken verfliegt allerdings schnell, als ich das rasende Stacheltier gekonnt durch vermeintlich bekanntes Terrain manövriere. Sonic Mania ist eine Hommage an die alten Sonic-Zeiten, als SEGA händeringend nach einem Maskottchen suchte, um dem hüpfenden Klempner der Konkurrenz etwas entgegenzusetzen. Herausgekommen ist ein blauer Igel mit roten Turnschuhen, der in einem irren Tempo durch die Gegend rast, Ringe einsammelt und die Schergen des Erzschurken Doctor Eggman plättet. Ich denke über das Spielprinzip brauche ich jetzt keine Abhandlung zu schreiben, nach gut zwei Dutzend, mehr oder auch mal weniger guten, Spielen, dürfte Sonic wohl kein Unbekannter sein.
Bei Sonic Mania handelt es sich bei weitem nicht um ein uninspiriertes Remake des Klassikers, sondern um eine Liebeserklärung an den Igel-Geschwindigkeitsrausch der 1990er-Jahre. Zusammengesetzt aus ordentlich aufpolierten Bestandteilen, unter anderem von Sonic, Sonic 2, Sonic CD und Sonic & Knuckles sowie einer ganzen Reihe nagelneuer Zonen. So bekannt Green Hill auch auf den ersten Blick aussieht, schon nach ein paar zurückgelegten Bildschirmmetern wird klar, dass das Leveldesign erheblich komplexer ausgefallen ist.
Es gibt weniger Beschleunigungsstreifen, bei denen Sonic automatisch in Höchstgeschwindigkeit durch Röhren und Half-Pipes schießt und unbehelligt über Abgründe voller fieser Stacheln fliegt. Das gibt mir die Zeit mich genauer umzuschauen, auch mal ein paar Bildschirme zurückzuwandern und nach alternativen Routen zu suchen. Die Neugier wird belohnt, ich entdecke einen völlig neuen Abschnitt, der sich oberhalb des normalerweise sichtbaren Weges befindet. Dahin zu gelangen ist aber nicht einfach, erfordert eine koordinierte Sprungtechnik und den Aufbau des Momentums. Kann ich nicht vernünftig Anlauf nehmen, um das nötige Tempo für einen Sprung oder einen Drop Dash zu erlangen, stehe ich dumm in der Gegend rum, scheitere an jeder kleinen Steigung, muss im schlimmsten Fall den undankbaren Weg durch die unterste Ebene nehmen und verpasse die ganzen schönen Extras, wie Ringe im Zehnerpack oder sehr nützliche Schutzschilde und eben auch die ganzen neuen Abschnitte.
Das Spiel, eigentlich ein Fanprojekt, entwickelt unter der Federführung von Christian Whitehead, der sich bei der Community für seine Portierungen älterer Spiele einen sehr guten Ruf verdient hat, bedient sich kräftig an der Sonic-Historie. Die Levelauswahl beinhaltet unter anderem die Zonen Chemical Plant aus Sonic 2 und Sonic Generations, Flying Battery aus Sonic & Knuckles sowie neue Level wie Mirage Saloon (das auf einer nicht verwendeten Sonic CD-Zone basiert) und Studiopolis, die in ihrer Bauart an die Originale erinnern, aber mit frischen Designs und Ideen aufwartet.
Auch bei den Zwischen- und Hauptbosskämpfen wird Neues im Retro-Gewand geboten. So stapft am Ende von Green Hill Act 2 ein Roboter Eggman hinter mir her, der das unaufhörlich scrollende Gelände zerstört, Raketen abschießt und mit einen Teleskoparm nach mir greift. Technisch macht das Old-School-Gerase richtig Laune, die Animationen sind butterweich und der 2D Pixellook versprüht zeitlosen Charme. Sogar an eine Option, welche die Optik von CRT-Monitoren und alten Röhrenfernsehern simuliert, wurde gedacht. Wahlweise lassen sich Sonic, der zweischweifige Fuchs Tails und Knuckles oder das Team Sonic und Tails, optional auch in einem Koop-Modus, steuern. Für mich ein gelungenes Projekt, dass mit sichtlich viel Liebe und Akribie die goldenen Sonic-Jahre wiederaufleben lässt und mir einen echten Nostalgie-Flash verpasst hat.
Eigentlich wäre ich mit diesem Anspielerlebnis ja schon zufrieden gewesen, aber ich konnte mich auch noch mit dem wahrscheinlich Ende des Jahres erscheinenden Sonic Forces beschäftigen. "Doctor Eggman hat den größten Teil der Erde erobert, Sonic und seine Freunde sind in den Untergrund geflohen und bekämpfen nun die Roboterarmeen des bösen Genies." Mit diesen knappen Worten beschreibt Takashi Iizuka, Chef des Sonic Teams bei SEGA und damit Oberaufseher über alles, was da Sonic ist, die Handlung des kommenden Serienablegers. Ich habe sowohl auf der PlayStation 4, als auch auf der Nintendo Switch einen Level gespielt und bin in gewohntem Höllentempo durch die Zone Park Avenue, eine apokalyptische 3D-Landschaft der in Ruinen liegenden Stadt, gerannt. Überall knallte und zischte es, Raketen schlagen in Gebäuden ein, Roboterhorden stellen sich mir in den Weg, Amy, Tails oder irgendwelche Tiersoldaten brüllen mir hektische Befehle um die Ohren. Ich fühlte mich wie mitten in einem Michael Bay-Film.
Es hat etwas gedauert, bis ich mich an die Effekt-Dauerberieselung und die schnellen Perspektivwechsel zwischen 3D- und 2D-Passagen gewöhnt hatte, die Zone wirklich erkunden und mich an den Details erfreuen konnte. Aber dann kam sichtlich Freude auf, als ich mit Sonic in wirklich atemberaubendem Tempo durch die Gegend rase, mit dem "Drop Dash" Gegner anvisiere und per Aufprall in ihre Einzelteile zerlege oder einen Enterhaken an Ankerpunkte werfe und mich über Abgründe schwinge beziehungsweise neue Bereiche in luftiger Höhe erreichen kann. Das braucht aber schon den richtigen Rhythmus, um sich über mehrere in der Luft verteilte Anker hinweg zu schwingen und klappte bei mir nicht auf Anhieb.
Glücklicherweise hatte ich genügend Zeit, den Level mehrmals hinter mich zu bringen und mein Ergebnis zumindest auf ein A-Ranking zu bringen. Mir ist aufgefallen, dass ich die Ringe nicht wieder einsammeln kann, wenn ich einen Treffer kassierte habe. Das finde ich schon schade, denn wie oft habe ich in den Spielen mit einem einzigen, gerade noch mal so rechtzeitig aufgesammelten, Ring, ein Level dann doch noch geschafft. Erstmals bei einem Sonic-Spiel darf ich mir meinen Protagonisten auch selber zusammenbasteln. Im Avatar-Modus, auf den Takashi Iizuka nach eigenem Bekunden besonders stolz ist, kann ich aus sieben Basis-Tiermodellen wählen und meine Eigenkreation zusätzlich mit einer Wispon genannten Waffe ausrüsten. Mit einem Flammenwerfer oder einer Blitzkanone, die dauerhaft und nicht nur als temporäres Power-Up zur Verfügung steht, habe ich es deutlich leichter, das durchaus knifflige Level mit einer guten Wertung zu absolvieren.
Wem das alles viel zu modern und "Dark" ist, der kann den Classic-Modus wählen und sich an Retro-Stages in 2D erfreuen. Aber da würde ich dann persönlich wohl lieber zu Sonic Mania greifen. Für jeden etwas also. Und wie immer: Mario wird dem Igel wohl die Show stehlen. Je mehr die Dinge sich ändern, desto mehr bleiben sie gleich.