Sonic The Hedgehog 4: Episode I

Er ist haarig. 16-Bit-Old-School-haarig. Und es reicht nicht mal, ihn zu besiegen, um das letzte Ende zu sehen. Dafür muss man die sieben Chaos-Diamanten finden. Schafft es in einer Stage mit 50 oder mehr Ringen über die Ziellinie, springt durch den großen Ring und die Extra-Stage dreht sich wie damals. Ihr steuert weniger Sonic, mehr die Barriere vor psychedelisch wertvoller Blumentapete.

Die Links- und Rechtsdrehungen können auf der PS3 auch mit dem Sixaxis gelenkt werden, aber ich würde hier ebenfalls den Stick empfehlen. Schafft ihr es, euch an den Stage-Vorbei-Symbolen zum Diamanten zu drehen, ist der Level bewältigt. Wirft es euch zu früh raus, müsst ihr erneut im eigentlich Level versuchen, an diesen Punkt zu kommen. Also, ein erstes Durchspielen geht zügig, das Spiel zum richtigen Ende zu bringen dauert ein ganzes Weilchen.

Die Stages selbst bieten eine gute Wiederaufarbeitung alter Sonic-Motive in leicht verändertem Gewand. Nah genug, um sich heimisch zu fühlen, so neu, dass sie den Vorwurf des Eigenplagiats beleidigt von sich weisen können. Und jeder hat sein eigenes, gewisses kleines und charmantes Gameplay-Extra zu bieten. Die Green-Hill-Zone heißt jetzt Splash Hill und bleibt konservativ.

Die Casino-Stage lässt euch im Vorbeirennen Karten für Extras drehen, die alten Ruinen schicken euch auf die Indy-Tour im Lorenwagen oder zum Lösen kleiner Fackelrätsel und der Fabrik-Stage auf riesige Zahnräder. Keines der Elemente frustriert dabei, nicht einmal das Balancieren auf einer rollenden Steinkugel - erneut: Hallo, Indy! - oder das zeitlich wie immer drastisch begrenzte Unterwasserdasein. Die nächste Blase offenbart sich dem Suchenden rechtzeitig, hat er denn einen Blick dafür.

Was jedoch am meisten ins Auge sticht, ist die Präsentation. 2D muss sich nicht verbiegen, um zeitgemäß zu sein. Man muss es nur richtig hinbekommen. Zu keinem Zeitpunkt hätte ich gesagt, dass dieses Spiel technisch zu „retro" wirkt, dass man sich auf einem „Naja, ist ja nur 2D, da ist die Grafik ja nicht das Wichtigste" ausruht. Ganz simpel gesagt ist Sonic 4 ein wunderschönes Spiel.

Schlicht und ergreifend. Seien es die Feinheiten im Hinter- und Vordergrund des Parallax-Scrollings, die feingezeichneten Animationen aller Sprites - natürlich mit dem Igel selbst allen voran - oder einzelne Effekte. Alles passt hier, Sonic 4 ist der Spross eines in sich stimmigen Artdesigns und muss sich vor nichts verstecken. Ich hätte nicht gedacht, dass ich diese Zeilen in 2010 über ein 2D-Game tippen würde, aber hier sind wir.

Hier sind wir. Viele Jahre und mittelprächtige bis herzergreifend schlechte Versuche Sonics später, endlich seinen Weg in die Zukunft zu finden. Vielleicht tut er das dann im kommenden Sonic Colours. Bis es soweit ist, holt er noch einmal tief Luft, gönnt sich eine Pause und erinnert uns mit Sonic 4 auf die bestmögliche Art daran, warum seine Existenz ein Segen für die Spielwelt war und immer noch ist. Der unverwechselbare SEGA-Charme in Form und Farbe, eine lockere und doch fordernde Spielweise, die euch an keiner Stelle auf die Füße tritt, sondern sanft anspornt, sie zur Perfektion auszureizen, und ein Leveldesign, das man so seit langer Zeit nicht mehr sah.

Ja, vier Stages sind nicht so viel wie fünf oder sogar sechs es gewesen wären. Wer sich jedoch mit diesem Spiel auseinandersetzt und nicht nur durchhetzt, der bekommt hier in Form von immer neuen Möglichkeiten, Zeit-Herausforderungen, Scoreboards und der Suche nach dem letzten Chaos-Diamanten auf dem Weg zum großen Finale sehr viel für seine 15 Euro. Lebensfreude beim Spielen ist es etwas, das sich schwer aufrechnen lässt und davon verschafft euch Sonic 4 mit seiner brillanten Spielbarkeit eine ganze Menge. Gibt es etwas Wertvolleres als das, wenn ihr ein Spiel startet? Ich wüsste nicht was.