Souldiers Test – Kein Hollow Knight, aber ein Ritter mit Seele
Wie enttäuscht darf man sein, wenn ein Debüt nicht gleich alles richtig macht?
Gut, ich will nicht sagen, Souldiers hätte mich enttäuscht. Nun ja, vielleicht will ich das doch sagen. Aber als Spiel an sich ist es eigentlich ein ganz beachtliches kleines Stück Software. Zum einen ist es mit Songs of Conquest wohl das hübscheste Pixel-Art-Werk der letzten Zeit Mein Weg durchs erste Gebiet war schwierig, aber ein Genuss. Ästhetisch, klanglich und im Spielgefühl ist Souldiers ein Volltreffer und auch die Hüpferei und generelle Erkundung macht eine Menge Spaß.
Doch damit nicht genug. Nach und nach entdeckte ich neue Systeme, die ich eher in einem echten Rollenspiel erwartet hätte, was ich zunächst extrem interessant fand. Und dabei habe ich nur eine von drei Klassen gespielt, den Bogenschützen und den Zauberer zwischendurch immer wieder vergessen und auf einen weiteren Durchgang vertagt. Aber je weiter ich spielte, merkte ich, vielleicht wären weniger Mechaniken und eine klarere Richtung besser für den Spaß gewesen. Doch noch vor der Mitte dieses ziemlich langen Abenteuers wurde Souldiers tatsächlich ein wenig anstrengend.
Zwischen all den Elementarzuständen, Relikten, Meisterschaften auf dem Skill-Tree und klassenspezifischen Spezialmanövern und Tränken mit kurzer Effektwirkung will Souldiers nämlich mit der Zeit immer mehr RPG sein, aber seine Progression wirkt etwas zu langsam. Nirgends wurde das deutlicher, als etwa 20 Prozent in die Kampagne hinein: Ich war Level zehn, hatte auf dem Fähigkeitenbaum erst drei der 22 Skills freigeschaltet, und noch zwei Skillpunkte zu vergeben – und konnte sie nicht investieren. Fast alle weiteren Fähigkeiten waren noch hinter Level-Sperren weggeschlossen, für die eine, die ich hätte skillen können, benötigte ich vier Punkte. Aber das hier ist kein Spiel, in dem man gern XP grindet. Das war schon ein Dämpfer.
Überhaupt verbeißt sich das Spiel ein wenig zu sehr in das Souls-Konzept, das Rollenspiel reibt sich am schmissigen Hüpfer. Dass die Level-Aufstiege zu langsam kamen, hatten wir ja. Die Gegner stecken spätestens in der Wüstenregion zu viele Treffer ein – muss mir jeder Fußsoldat einen harten Kampf liefern?! – und lassen sich von erfolgreichen Paraden nicht zuverlässig ins Taumeln bringen. Hier artete der Kampf in ewiges Hin- und Herrollen aus, zwischendurch immer wieder ein, zwei Schläge platzieren, wieder rollen.
Was noch verhinderte, dass mir das Spiel richtig in Fleisch und Blut übergehen wollte: Normale Attacken, Sprünge, Ausweichrollen kommen auf den Punkt exakt dann, wenn ich die Taste drücke, aber Drehungen und dem Hochreißen des Schildes geht eine kleine Animation voraus. Das passt genauso wenig zum sonst so schnittig zu spielenden Rest, wie die Tatsache, dass man in der Luft weder Blocken noch die Ausweichrolle auslösen kann. Man ist wahnsinnig verwundbar, sobald man die Bodenhaftung verliert – das fühlt sich nicht richtig an und bewirkt, dass man sich das Springen in Kämpfen abgewöhnt...
Bevor jetzt alle das Spiel als Totalausfall abstempeln: Ich denke, meine Kritik wirkt vielleicht ein wenig härter, als sie sein müsste, weil ich wirklich große Hoffnungen in dieses kleine Schmuckstück gesteckt hatte und ein wenig bereue, dass es doch nicht die große Liebe wurde. Und doch glaube ich, dass Souldiers seine Fans finden wird. Gerade, wer darbend auf Hollow Knight Silksong wartet, dürfte mit dem harten Anforderungsprofil kein Problem haben und die allgemeine Struktur von Souldiers – viele kleinere, in klassische Themenbereiche gegliederte Metroidvanias, zwischen denen man per Schnellreise wechseln kann – zu schätzen wissen.
Ich persönlich hatte urplötzlich eine bessere Zeit, als ich den Schwierigkeitsgrad von normal auf leicht herunterstellte (was leider auch einige Achievements deaktivierte). Das Spiel war nicht mal wahnsinnig viel leichter danach. Aber die Gegner fielen nun schneller um, hatte ich das Gefühl. Dadurch fühlte ich mich stärker und mied Kämpfe seltener, was wiederum meine Progression beschleunigte. Auch, dass ich seltener starb, reduzierte meinen Frust, den die mitunter langen Wege mit sich brachten. Wenn alles flutscht und man Raum um Raum den Nebel von der vorbildlichen Karte wischt, ist Souldiers ein Retro-Traum, wie man ihn selten bekommt.
Technisch gesehen ist auf dem PC alles in Butter, auf der Switch meldet Martin aber aktuell noch schwere Bedenken an. Souldiers lädt auf der Nintendo-Konsole extrem lange und ruckelt auf eine Weise, die nur wenig Spaß macht. Entwickler Retro Forge arbeitet an einem Patch diesbezüglich, sollte sich daran etwas ändern, informieren wir euch an dieser Stelle. Bis dahin lasst ihr besser die Finger von der Switch-Version.
Souldiers Test – Fazit
Diese Probleme sind bedauerlich, aber letztlich nur deshalb überraschend, weil Souldiers einen so exzellenten ersten Eindruck macht (schaut euch dazu auch die Demo auf Steam an): Das Spiel hat Herz, irrsinnig viel Charme und einen verlockenden Gameplay-Ansatz, über den sich jemand lange Gedanken gemacht zu haben scheint. Sich hierauf zu stürzen, fällt leicht. Erfährt man dann, dass das hier Retro Forges erstes Spiel ist, wirken viele der Unzulänglichkeiten plötzlich vollkommen logisch. Bei diesen Ambitionen und der an den Tag gelegten handwerklichen und künstlerischen Finesse, ist im Grunde erstaunlich, wie ordentlich dieses Debüt geworden ist.
Vielleicht kommt noch der eine oder andere Patch, der ein paar meiner Bedenken ausbügelt, das Spiel weniger beschwerlich gestaltet und so sein volles Potenzial entfesselt. Bis dahin nehmt ihr Souldiers am besten als überzeugendes Bewerbungsschreiben für den nächsten Geheimtipp, den Retro Forge vielleicht in ein paar Jahren auf die Beine stellt – oder als lebhafte Erinnerung daran, warum ihr einst dieser Sorte Pixel-Art verfallen seid. Knapp 20 Euro sind dafür nicht zu viel verlangt.
Souldiers ist auf PlayStation, Xbox, PC und Switch erhältlich und kostet 19,99 Euro.