Blog: Spiele-Soundtracks
Von Zauberlehrling und Krieg
Wir lieben Nischen. Und im weiten Feld der Soundtracks genießt die Musik zu Videospielen eine klitzekleine davon ganz für sich allein. Wir wollen euch von Zeit zu Zeit im Score-Blog ein paar Scheiben vorstellen und berichten, ob es sich lohnt, diese auch ohne das dazugehörige Spitzenspiel zu genießen. Oder wer weiß, vielleicht entpuppen sich auch die Klänge einer Gameplay-Gurke als echter Geheimtipp, den nur noch niemand bemerkte. Spielen: Autsch. Aber es zu hören: Mmmh, Ohrenschmaus…
Dawn of War 2
Komponist: Doyle W. Donehoo
Erhältlich über: Gratis-Download
“Show me what passes for music among your misbegotten kind”. Wörtlich übersetzt heißt das in etwa „Zeigt mir, was eure verkommene Art so als Musik durchgehen lässt.“ Auf Englisch klingt das natürlich viel cooler und als unser Leser Heavy_Rain einfach nur diese Zeile als Link unter die erste Ausgabe dieses Blogs setzte, war ich doch sehr gespannt, wo ich denn wohl bei diesem Klick lande. Ein seltsames historisches Zitat, das ich nicht kenne? Wirre Soundwelten südasiatischen Kleinkinos? Nope, es ist der Soundtrack von Dawn of War 2.
Irgendwie ernüchternd. Besagte Zeile ist der etwas überbordende Titel der Endcredits, aber unabhängig davon, was ich oder jemand anders von diesem Soundtrack hält, solltet ihr ihn auf jeden Fall mitnehmen. Man zeigt sich wunderbar großzügig und verschenkt das knapp 200 MB große Paket mit stolzen 90 Minuten Spielzeit. Also schlagt einfach mal zu. Aber jetzt zeigt, was so als Musik durchgeht.
Gut, der Titel des Spiels macht ja eigentlich schon klar, wo es denn langgeht. Krieg liegt in der Luft. Und jeder einzelne Track freut sich darauf, als sie wie eine wohlgeordnete Kompanie im Gleichschritt zum Zimmer-esken Damm-Da-Da-Damm der Kriegstrommel im Gleichschritt in Richtung großangelegter Feldzug ziehen. Überdramatische Streicher – natürlich alles Synthie, wenn auch recht hochwertig – fideln dazu passend abgehackt um die Wette. Chöre tragen wie Kosaken persönlich mit dunklem Gesang ihren Part dazu bei und die 19 Tracks finden ihre perfekte Abrundung und Zusammenfassung in dem dreizehneinhalb Minuten langen Epos oben genannten Namens. Langer Track, langer Titel, passt irgendwie.
Nur hapert es mit dem bedeutungsschwangeren Klang des schicken Pseudozitates. So technisch sauber wie Doyle W. Donehoo die Musik zu Dawn of War 2 inszenierte, so sehr bleibt er genau bei dem haften, was man erwartet. Alles klingt nach Orks, die Mittelerde überrollen. Halt, falscher Film. Alles klingt nach großen Schlachten in Narnia. Nein, wieder falsch. Es klingt nach Space Marines, Orks und vor allem Kämpfen. Die Ähnlichkeit der Herangehensweise der Komponisten beginnt zu langweilen, sobald ihr einen solchen Soundtrack pur hört. Das Gewummer verlässt sich auf puren Druck und setzt nur an viel zu wenigen Stellen auf ein paar clevere Melodien, die auch jenseits der auf dem Bildschirm ablaufenden Action im Ohr hängen bleiben.
Als eine der wenigen Ausnahmen könnte man hier „The Green Horde Rises“ nennen. Donehoo nimmt sich ab Minute 2 ein wenig zurück und lässt seine Synthie-Streicher so etwas wie ein Thema entwicklen, etwas, dass im bei seinen als Themen markierten Tracks weniger gelingt. Orks und Marines ließen sich ohne Verluste austauschen, die Eldar und Tyraniden machen das Gleiche, nur ein wenig leiser. Nichts davon bleibt hängen und erzeugt den akustischen Wiedererkennungseffekt, für den ein Thema ja eigentlich zuständig ist. Aber da hier selbst die wenigen, zwischen dem Donner versteckten Melodien sowieso so gut wie nie wieder aufgenommen werden, spielt der Mangel an erkennbaren Themen wohl keine so große Rolle.
Auch wenn das alles vielleicht negativ klingt und in den Punkten auch so gemeint ist, enttäuscht der Dawn of War 2-Soundtrack als das, was er sein möchte, nicht wirklich. Handwerklich solide rumpelt es als sehr brauchbare Untermalung eines Spiels gekonnt vor sich hin. Dem Thema des Krieges angemessen bildet es akustisches Hintergrundrauschen der feinen, wenn auch nicht feingeistigen, Art zu einem Spiel, auf das es passt wie das Magazin ins Sturmgewehr.
Ja, Dawn of War 2 geht als Musik durch. Wenn auch nicht unbedingt die Beste oder Abwechslungsreichste, die unsere Art zu bieten hat.
Harry Potter und der Halbblutprinz
Komponist: James Hannigan
Erhältlich über: Schwierig und bisher nicht als Retail entdeckt. Zu hören ist er beispielsweise über Napster.
Wenn ich an den letzten Harry Potter-Film zurückdenke – Harry Potter und der Halbblutprinz – habe ich keine spezifischen Erinnerungen an den Soundtrack. Besinne ich mich dagegen an das Spiel zu diesem Film zurück, blieb eben dieser als Einziges hängen. Das das beim Film so ist, ist jetzt nicht unbedingt die Schuld des jungen Filmkomponisten Nicholas Hooper, der sich brav an die Regeln des Begleitsoundtracks hält, wie er es auch schon beim Vorgänger tat. Nur bleibt nichts Neues im Ohr, das nicht schon vorher etabliert worden wäre. Ein wirklich guter, mitunter sogar verspielter, auf die Szenen abgestimmter Score, der für sich allein aber einen schweren Stand hat.
James Hannigans – Freelancer, Red Alert 3 – Spielesoundtrack zum Halbblutprinz bedient sich weniger der bekannten Motive der Serie, sondern taucht statt dessen in die Stimmungen und Instrumentalisierungen der Welt Hogwarts ein. Den Grundtenor setzte dabei natürlich bereits John Williams mit seinem ersten Potter-Soundtrack, Hannigan jedoch versteht es, hinreißend mit diesen Elementen zu spielen und auch eigene Motive und Themen in dem gegebenen Rahmen zu entwerfen.
Dem kommt natürlich entgegen, dass er weit weniger Rücksicht auf die Szenen nehmen muss, sondern einfach in sich Stimmungen erzeugt, die euch dann eben beim Erkunden des Schlosses, beim Quidditch oder einem Kampf gegen einen Deatheater gefangen nehmen sollen. Auf der Leinwand müssen alle Elemente perfekt und sekundengenau aufeinander abgestimmt sein. Ein Spielesoundtrack hat so etwas nicht nötig, da der Komponist sowieso nicht genau vorhersehen kann, wie die Bilder einer bestimmten Spielsekunde aussehen. Und Hannigans Halbblutprinz verinnerlichte dies und liefert dabei ein eben nicht filmwürdiges, aber gleichwohl fantastisches, schönes und sehr abwechslungsreiches Stück Musik ab, dessen größtes Pech es sein dürfte, in einem eher mittelmäßigen Spiel verheizt worden zu sein.
Klassiker: The Elder Scrolls: Morrowind
Komponist: Jeremy Soule
Erhältlich über: Direct Song
The Elder Scrolls: Oblivion wird gern genannt, sobald es um völlig überbewertete Soundtracks geht. Nicht zu unrecht. Viel zu kurz, viel zu wenige wirklich auf Dauer tragende Melodien und eine verpasste Chance, eine sehr ausgearbeitete Welt eben auch musikalisch differenziert auszugestalten. Kann man plätschern lassen, tut nicht weh. Ist dem Grandeur des Spiels nur bedingt angemessen. Und das ausgerechnet dieser Score dermaßen viele Preise einheimste, dürfte wohl eher als Entschuldigung dafür zu werten sein, dass der ebenfalls vom sehr jungen Altmeister Jeremy Soule komponierte Sound zum Vorgänger Morrowind im Vegleich ein wenig unterging.
Ok, zu kurz war Morrowind auch, mitunter brauchte man länger von einem Ende der Insel zum anderen als es dauert alle Tracks durchzuhören. Aber allein der Titeltrack ist ein Versprechen auf große Abenteuer. Mit einem geschickten, beinahe schon als Understatement einsetzenden, ruhigen Thema baut Soule innerhalb von drei Minuten eine eigene Welt dem inneren Auge des Hörers auf. Es ist ein Versprechen auf das, was kommen wird, sobald ihr auf dieses „Spiel starten“ klickt. Diese drei Minuten Musik definieren mit, was Morrowind als Spiel ausmacht. Es ist eines der erhebendsten Stücke Fantasymusik, die ihr irgendwo herbekommt und thront weit über seinem eher belanglosem Gegenstück aus Oblivion.
Die restlichen Stücke bleiben dahinter leider dann doch zurück, auch wenn sie immer noch für sich interessant genug sind und vor allem die bizarre Welt von Morrowind gut einfangen. Es ist halt nicht ganz das Protofantasy Oblivions und düstere, teilweise sogar eher schwebende Passagen passen gut zu den unwirklichen Steinklippen, Wüstenstürmen und Stränden voller Riesenpilze. Soule spielt nicht sinnlos herum, er nimmt klassische Fantasy-Elemente und schleift sie, wie der Wind die Felsen Morrowinds formt und beide schließlich eine Einheit von Spielwelt und Musik erreichen, in der sich beides gegenseitig bedingt. Und falls es nicht alle bis zum Ende des zum Schluss hin eher öden Epos geschafft haben sollten: Hier ist eure Chance, den Abspann wenigstens zu hören und als Reprise nimmt dieser das Thema der Eröffnung wieder auf und gibt ihm eine neue, gelungene Note.
Ich habe seinerzeit viel zu viel Zeit mit Morrowind verbracht und so sehr ich es auch schätzte, hatte es als Spiel mehr als nur einen Fehler. Der Soundtrack jedoch war garantiert keiner davon.
Neue Soundtrackreviews folgen in unregelmäßigen Abständen. Immer wenn wir zwischen dem ganzen Zocken mal Zeit zum Zuhören finden.