Soundtrack: Assassin's Creed 2
Jesper Kyd im Interview
Passend zum baldigen Release von Assassin's Creed 2 erschien in dieser Woche der Soundtrack. Lohnt es sich oder verkommt es zur Fan-Devotionalie? Wir haben mal genauer reingehört.
Assassin's Creed 2
Komponist: Jesper Kyd
Erhältlich über: Amazon
Jeder Soundtrack hat eine wichtige Bestimmung, dem sich letztendlich alles andere unterzuordnen hat: Er muss in dem Spiel funktionieren und es bereichern. Ob er danach als eigenständige CD im Player ohne das Geschehen auf dem Screen etwas taugt oder dort dann zur Bedeutungslosigkeit verkommt, steht auf einem ganz anderen Blatt und sehr weit hinten an. Ein Fall, in dem die Musik im Spiel begeisterte und mich dann für sich allein genommen eher enttäuscht zurückließ, war der erste Assassin's-Creed-Score.
Komponist Jesper Kyd lieferte ein sehr stimmungsvolles Werk voller technischer Feinheiten ab, aber die Musik war zu hundert Prozent als Begleitung gedacht und kannte kaum Höhepunkte für sich selbst. Der Animus-Track stellte hier die Ausnahme dar, die die Regel bestätigt.
Es ist also nur angemessen, zuerst diesem Track oder vielmehr seinem Gegenstück aus Assassin's Creed 2 den Vortritt zu lassen. Animus 2.0 geht überraschenderweise musikalisch schneller und effizienter in medias res, ein Zeichen für die weitere Verquickung der beiden Handlungsebenen des Spiels. Das Zusammentreffen der modernen Elemente mit zeitgenössischen Anleihen findet sich diesmal auch wesentlich häufiger und Kyd scheint im zweiten Anlauf den Stil für die Serie gefunden zu haben.
Nur selten lungert er in einer reinen Adaption stilistischer Vorlagen, sondern setzt klassische Instrumente in modernen Tempi ein oder spielt mit neuartigen Instrumenten zum Rhythmus eines Tarantellas. Das Ergebnis ist ein über weite Strecken faszinierendes Amalgam, dass wohl dem Geist der Spielehandlung ein passendes musikalisches Gesicht gibt.
Nur: Im Spiel war auch der erste Soundtrack gut. Es bleibt zum Schluss die Frage, ob es sich diesmal lohnt, auch ohne das Pad in der Hand zu lauschen. Kurz gesagt: Ja, absolut. Beinahe jeder Track überrascht den geneigten Hörer mit neuen Elementen, ohne dass der mit beinahe zwei Stunden Spielzeit erfreulich komplette Score den roten Faden verlieren würde. Es ist eine bewegte Reise durch sehr verschiedenartige Stimmungen und Geschwindigkeiten, Stilmittel und Ansätze. Ein Ausflug, der trotz seiner Vielfalt ein klares Ziel kennt und an keiner Station langweilt. Mit anderen Worten: Ein Soundtrack, der eure Zeit wert ist. Sowohl im Spiel als auch im CD-Player.
Interview: Jesper Kyd
Komponist Jesper Kyd kommt zwar noch nicht mal auf 40 Sommer, zählt aber schon zu den Veteranen der Spielekomponisten. Speziell die Hitman-Serie räumte musikalisch so ziemlich alle Preise ab, die vergeben wurden. Der gebürtige Däne war so freundlich, uns ein paar Fragen zu der Musik von Assassin's Creed zu beantworten.
Eurogamer: Im ersten Assassin's Creed hast du zwei sprichwörtlich aufeinanderprallende Musikstile kombiniert, die frühe islamische Musik und die Mönchschöre des frühen Mittelalters. Teil 2 spielt im Italien der Renaissance, in einer sehr unterschiedlichen musikalischen Ära. Wie schwierig war es, die Erkennbarkeit der Serie zu wahren und trotzdem den Wechsel in ein so unterschiedliches Setting zu vollziehen?
Jesper Kyd: Es war eine Herausforderung, mit einem Musikstil aufzuwarten, der vom Klang des italienischen 15. Jahrhunderts inspiriert ist, gleichzeitig aber dynamisch bleibt und einen durchweg gefangen nimmt. Ich stellte eine ganz Reihe von Nachforschungen zu der Ära an und mixte dies dann mit meinem eigenen modernen Herangehen an das Musikschreiben. Als dieser Hybrid dann fertig war, mixte ich einzelne SciFi-Elemente dazu, da der Animus 2.0 sich in der Welt bemerkbar macht.
Ein Beispiel dafür wären die Momente, in denen die bezaubernde, authentische Welt des 15. Jahrhunderts damit beginnt, sich in eine Computersimulation der Stadt zu verwandeln. Es ist ein cooler Effekt, der auch hilft, der Story eine gewisse Unvorhersehbarkeit zu geben. Man weiß nie genau, was als Nächstes passiert.
Eurogamer: Wie passt der Stil der Renaissancekomponisten in ein so actionorientiertes Spiel und welches der beiden Spiele war für dich als Komponist das interessantere Projekt?
Jesper Kyd: Sie haben beide viel Spaß gemacht und in beiden konnte ich Musikstile kombinieren, die man so nicht oft zusammen hört. Man braucht eine Menge Hingabe, um die Musik für eine Serie wie Assassin's Creed zu schreiben, da das Team sich an Sachen versucht, die so vorher noch nicht gemacht wurden. Als Komponist versuche ich, den gleichen Akzent auch beim Soundtrack zu setzen, Musik zu erschaffen, die so einmalig ist wie das Spiel.
In Assassin's Creed 2 konnten wir neue Sachen hinzufügen und andere verbessern, für die wir keine Zeit mehr beim ersten Spiel hatten. Der Score fühlt sich also wie eine Evolution an, eine Stufe weiter als noch beim Vorgänger.
Eurogamer: Deine Arbeit am ersten Assassin's Creed schien sich auf Szenarios und Ereignisse zu konzentrieren, weniger auf bestimmte Charakterthemen. Im ersten Soundtrack schien die Figur Altairs versteckt und anonym zu bleiben. Trifft das auch auf den neuen Charakter Ezio zu?
Jesper Kyd: Es gibt einen thematischen Ansatz, um den Score für Ezio und seine Story zu schreiben. Die Story nimmt nun einen größeren Teil im neuen Assassin's Creed 2 ein und bestimmte Musiken haben sich zu dem gewandelt, wie ich an die Arbeit beim ersten Spiel heranging. Auch die Themen für andere Charaktere, etwa die Musik für Leonardo, sind eine neue, wichtige Ergänzung für den Score. Auch Ezio hat jetzt sein eigenes Thema, das in drei der Tracks – "Ezio’s Family," "Earth" und "Venice Rooftops" – auftaucht.
Das erste Spiel hatte eine Menge an Gameplay-spezifischer Musik. Dem Ziel folgen, Spitzeln, Nachforschen, die Attentate, Kampf, Flucht und so weiter. Auch wurde viel Musik für die Filmsequenzen und die Trainingsmission zu Beginn geschrieben. Es gab eigentlich nur fünf Tracks, die für die Erkundung des ganzen Spiels blieben und das war etwas, was wir in Assassin's Creed 2 ausbauen wollten. Es gibt in den Städten jetzt sehr viel mehr Musik und auch die neuen Gameplay-Variationen haben ihre eigene Identität. Die Tracks dieser Gameplaysequenzen sind jetzt auch weniger eingeengt und haben eine Länge von bis zu sechs oder sieben Minuten. Jedes Gebiet hat jetzt seine eigene Flucht- und Kampfmusik, wohingegen das erste Spiel nur eine einzige Fluchtmusik überhaupt hatte.
Eurogamer: Was ist dein musikalischer Ansatz für die parallele Geschichte von Assassin's Creed, eine in der Vergangenheit und eine in der nahen Zukunft? Wie verhält sich die Musik bei den Wechseln?
Jesper Kyd: Vom musikalischen Standpunkt aus gesehen war es uns sehr wichtig, dem Spieler klarzumachen, in welcher Zeit er sich befindet. Beispielsweise brauchte die in der nahen Zukunft angesetzte Abstergo Corporation eine musikalische Identität, die sich grundlegend von der der italienischen Städte unterscheidet, deren Score sich ja am 15. Jahrhundert orientiert. Ich habe subtile Hinweise in diese unterschiedlichen Stile eingebaut, die die unterschiedlichen Musiken dann verbinden.
Es gibt ein paar SciFi-Elemente, die sich durch den Score der italienisch inspirierten Musik ziehen. Eine der Techniken, die ich im Animus nutzte, nennt sich Arpeggiation. Es ist eine sehr modern klingende Technik. Und sobald das Spiel startet, wird einer der ersten Tracks, die man in Florenz hört, diese Technik nutzen. Hier wird es aber von einer Harfe gespielt und nicht den elektronischen Instrumenten, die es in der Zukunft spielen.
In unserem Blog Soundtrack: Die Musik der Games findet ihr alle zwei Wochen Neues zu akustischen Themen in der Spielebranche.