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South Park: Die rektakuläre Zerreißprobe - schlägt der Blitz zweimal in denselben Hintern ein?

Ubisoft macht weiter, wo Obsidian aufgehört hat.

Nach allem, was man so hörte, muss das erste South Park - Der Stab der Wahrheit - eine schwere Geburt gewesen sein. Erst kniff Publisher THQ den Allerwertesten zu, dann verschob Neuvertrieb Ubisoft das Spiel diverse Male, bevor in Deutschland und Österreich versehentlich eine Version ausgeliefert wurde, die ein gewisses verfassungsfeindliches Symbol enthielt. Dem Spiel selbst merkte man nicht an, was für einen Ritt es hinter sich hatte. Tatsächlich war wohl nicht nur ich überrascht, dass The Stick of Truth, wie der Titel im Original heißt, optisch und in Sachen Vibe von der TV-Serie nicht zu unterscheiden war. Ganz egal, wie man der Serie mittlerweile gegenübersteht: Obsidian hat hier schon ein kleines Kunststück hingelegt und Parker und Stone das Buch nicht nur lieblos hingeklatscht.

Cartman hatte wohl keine Lust mehr auf Fantasy...

Die "rektakuläre Zerreißprobe" wird nun nicht mehr von Obsidian entwickelt, wurde aber trotzdem schon zweimal verschoben, allerdings war der Weg von der Ankündigung im Juni 2015 bis zum Release diesen Oktober ein deutlich kürzerer. Die Marschrichtung war mehr oder weniger klar, die Tools bekannt und die Beziehung zwischen den Serienschöpfern Stone und Parker offenkundig eine sehr fruchtbare. Ergo merkt man ihn nicht wirklich, den Entwicklerwechsel von Obsidian zum Rocksmith-Studio Ubisoft San Francisco, jedenfalls nicht im Rahmen des Berliner Anspiel-Events, auf dem ich vergangene Woche die einleitenden Stunden der Zerreißprobe anspielen durfte.

Es geht direkt mit einem legendär guten Witz los, wie man ihn sonst nur in den besten Momenten von dieser mal genial-dämlichen, mal wunderbar provokant-relevanten Serie bekommt. Am Ende der Charaktererstellung steht ein Bildschirm mit der Überschrift: "Schwierigkeitsgrad wählen". Der Einstellungsbalken ist allerdings nur eine Leiste von Hellbeige bis Dunkelbraun - und verändert allein die Farbe eures Charakters. Farbe und Schwierigkeitsgrad?! Da war ein Bruch in der Logik, der Text sagt eine Sache, das Bild etwas anderes und unterlief so meine Erwartung. Als würde man in eine Erdbeere beißen, aber Banane schmecken. Cartmans Dialog aus dem Off half mir auf die Sprünge. Ich bestimmte gerade die Ethnie meiner Figur. "Keine Sorge, das betrifft nicht den Schwierigkeitsgrad der Kämpfe, nur den ganzen Rest deines restlichen Lebens."

Die Hintergründe nach Details zu durchforsten, macht schon jetzt eine Menge Spaß.

Die Serie haut dieser Tage nur noch selten Gags dieser Güte raus, noch dazu solche, die ihr Medium auf so innovative Weise nutzen wie hier. Aber von diesem Punkt an hatte "The Fractured But Whole" - so der englische Titel, der nur deshalb entstand, weil man befürchtete, die Händler fänden das ursprünglich angedachte "Butthole of Time" zu anzüglich - mich in der Tasche. Der Rest vom Ablauf ist dermaßen vertraut, dass ich mich im Grunde ohne größere Reibungsverluste wieder in South Park zurechtfand. Zumal das Spiel auch direkt anschließt an den ersten Teil. Die Kids spielen weiterhin ihr stadtweites LARP und befinden sich gerade in einer Schlacht gegen die einfallenden "Mohren" - ihr Wort, nicht meines -, als Cartman die Regeln ändert und lieber vom Fantasy- auf ein Superheldenthema umschwenkt. Als "Coon and Friends" will er mit euch die gefühlte Verbrechenswelle beenden, die über die Stadt hinwegbollert. Oder wie ist es anders zu deuten, dass die Katzen der Stadt verschwinden?

Der Rest ist wie gehabt die freidrehende Aneinanderreihung miteinander verketteter Willkürlichkeiten, bestürzender "Das-haben-sie-nicht-wirklich-gerade-gemacht"-Momente und gelegentlich herzerwärmender Momente aufrichtiger Kindheitsnostalgie - zum Beispiel als in der eröffnenden brutalen Schlacht gegen die "Mohren" ein Kind "Auto!" ruft und für einen Moment die Gewalttätigkeiten eingestellt werden, weil die Kombattanten kurz die Straße räumen müssen. Die Stärken der TV-Serie sind zum zweiten Mal in Folge auch die des Spieles. Nie weiß man, was als Nächstes passiert. Ich bin sicher, sie greifen auch dieses Mal wieder das eine oder andere Mal tonal gründlich daneben, aber das ist eben die Sorte Gefahr, die diesem Franchise irgendwo auch die Würze gibt. Wir werden sehen, wie am Ende alles zusammenkommt.

Umstellen müssen sich Spieler des Vorgängers allenfalls, wenn es um das Kampfsystem geht. Vom JRPG schwenkt Ubisoft eigentlich ohne Not in Richtung Rundentaktik um, wenngleich das hier eher nach Schach ohne bedeutsamere Zugunterschiede oder XCOM ohne Deckung oder bedeutsame Topografieunterschiede aussieht. Positionsmanagement der Figuren zueinander und Skills und Angriffe, die nur aus bestimmter Richtung treffen und unter Umständen auch die Aufstellung der Figuren auf dem Feld beeinflussen, versprechen Tiefe, die ich in der Kürze nicht ausreichend auf den Prüfstand stellen konnte. Könnte funktionieren, wenngleich ich beim Anspielen schon den einen oder anderen Moment erlebte, in dem das "Ziehen-dann-Angreifen"-Konzept im Zusammenspiel mit Feldern, auf denen immer nur eine Figur stehen kann, ein ums andere Mal dafür sorgte, dass eine meiner Figuren in einer Runde nicht wirklich etwas zum Kampf beitragen konnte. Ich bin sicher, nach hinten raus öffnen sich da noch mehr Optionen. Eingängiger war das Kampfsystem des ersten Teils aber irgendwie doch.

South Park: The Fractured but Whole - TrailerAuf YouTube ansehen

Mindestens 25 Stunden und damit rund doppelt so lange wie Teil eins soll die rektakuläre Zerreißprobe euer Sitzfleisch testen. Es ist wohl die größte Herausforderung, dass das über die komplette Länge hinweg auch durchgängig interessant bleibt. Denn "Der Stab der Wahrheit" mag zwar kurz gewesen sein, es war aber auch ein unheimlich konzentriertes, fast immer sehr lustiges Abenteuer ohne viel Füllmaterial oder Wegwerf-Gags, an denen man sich vorbeiackern musste. Die drei, vier ehrlichen Lacher und die Handvoll schockierter "Nach-Luft-Schnapper", die mir die ersten Stunden bescherten, sowie eine Aufmachung, die einmal mehr bestens den Geist der Serie einfängt, stimmen fürs Erste optimistisch.

Jetzt muss mir nur noch einer erklären, wieso man dieses Spiel am 17. Oktober bringt und damit nah an der Todeszone, in der Titel wie Assassin's Creed Origins, Super Mario Odyssey, Wolfenstein 2 und die PC-Version von Destiny 2 Kopf und Kragen riskieren? Dann wiederum, wenn hier ein Spiel außer Konkurrenz aufläuft, dann ja wohl dieses.


Entwickler/Publisher: Ubisoft San Francisco / Ubisoft - Erscheint für: PS4, Xbox One, PC - Geplante Veröffentlichung: 17. Oktober - Angespielt auf Plattform: PS4

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