Spec Ops: The Line - Hinter den Kulissen - Sound & Synchronisation
Von der Idee zum Spiel: Die Entwicklungsgeschichte im Detail - Teil 3: Wüstensand und Nolan North: Sound & Synchronisation
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Wenn man sein Spiel ein bisschen auch als Drama versteht, ist die Vertonung oft das, was den Unterschied macht, zwischen einem locker motivierenden Videogame-Geballer und einem fiktiven Augenzeugenbericht direkt aus dem Herzen einer humanitären Katastrophe. Schlagen alle Sprecher den richtigen Ton an oder driften NPCs und andere Gegnercharaktere mit "HUÄRGH!!"-Todesschreien und Gargamel-Intonation ins Lächerliche ab?
Für das, "was am Ende aus den Boxen kommt" und dafür, dass die klangliche Untermalung die Intention des Spieles stützt, zeichnet Yagers Audio Lead Andreas Wengel verantwortlich. Wir treffen den Mann mit dem geschulten Gehör in seinem mit schwarzen Schaumstoffmatten gedämmten Soundbunker, um mit ihm über die klangliche Seite des Spiels zu reden. Wie schon in unseren vorhergehenden Gesprächen mit den anderen leitenden Entwicklern von Spec Ops: The Line erweist sich auch der Sound dieses so umfangreichen Projektes vor allem als logistischer Kraftakt.
"Zu Anfang des Projektes war noch gar nicht klar, wie groß es werden würde, bis dann irgendwann erkannt wurde, dass man es hier, mit unseren Ressourcen, nicht mehr alleine bewerkstelligen kann". In so einem Fall hat man in der Spielebranche erfreulicherweise mittlerweile mannigfaltige Optionen. Während man die Musik mit Elia Miral einem Komponisten aus Los Angeles überließ, entwickelte Yager Waffensounds, Explosionen und andere knallige Soundeffekte mithilfe eines Klang-Lieferanten aus Boston. "Budgetmäßig können wir mit einem Call of Duty oder Battlefield natürlich nicht mithalten. Die haben halt die Mittel, selbst eigene Waffenaufnahmen anzufertigen"erklärt Wengel. "Was nicht heißt, dass das was man da im Spiel hört, authentische Waffengeräusche wären. Die sind natürlich trotzdem designed. Ohne Frage. Diese Entwickler haben nur einfach viel mehr Source Files zur Verfügung, um daraus was Neues zu basteln".
Intensive Kommunikation und reger Austausch mit dem Dienstleister waren hier der Schlüssel zum Erfolg. "Wir haben eine sehr, sehr gute Integration der Firma. Die haben nicht einfach nur Samples der einzelnen Waffen abgeliefert. Das ist natürlich ein Mechanismus, der dahintersteckt". Und der bedingt dann schon Mal, Schreckschusspistolen mit ins Büro zu bringen: "Wir haben sehr experimentell im Büro ein bisschen rumgeballert, weil wir die Wüste und bestimmte Indoor-Situationen sehr stark differenzierbar machen wollten. Nicht nur im In-Game-Effekt, der da auf die Waffe gerechnet wird und im Hall. Wir tauschen da quasi auch den Ausklang und manchmal auch die gesamte Waffe aus, je nachdem, ob man drinnen oder draußen ist". Mit reinen Library-Dateien war daran nicht zu denken, weshalb die Mehrzahl der Waffen aus designten Geräuschen besteht.
Und auch deren Charakter muss man erst einmal definieren. "Was wir von vorneherein wussten, war, dass wir keine Kampfsimulation sein wollten. Wir wollten immer noch ein Spiel bleiben und daher lag die Prämisse speziell bei den Waffensounds darauf, sie unterscheidbar zu machen". Punch oder Coolness einzelner Schießeisen ordnet Yager dabei bewusst einem klar identifizierbaren Profil unter. "Wenn man unsere Waffen vergleicht, dann kann man sie ganz leicht unterscheiden". Gerade dieser Grundsatz sorgte aber auch für Diskussionen im Team. "Da gab's auch interne Streitereien, was zum Beispiel auch die Rate of Fire angeht, weil wir doch sehr viele langsamere Waffen haben, bei denen es wesentlich schwerer ist, sie cool klingen zu lassen, als eine Waffe, die sehr schnell feuert. Aber durch die Variationen in der Feuerrate sind die Waffen einfach vom Feeling her unterscheidbarer geworden."
Gefühl spielte ohnehin eine große Rolle. "Was uns total wichtig war, war sozusagen, die Spürbarkeit des Ganzen, es ging nicht darum, dass es cool klingt im eigentlichen Sinne, sondern, dass es sehr körperlich wirkt. Viele unserer 'Impacts' und Treffersounds sind so gestaltet, dass man ein bisschen die Angst spürt. Es sollte nicht nur nach 'Fun' klingen, sondern auch wirklich gefährlich sein, wir wollten wirklich unterstreichen, dass das da nicht nur Spaß macht, sich durchs Schlachtfeld zu schlagen."
"Wir haben sehr experimentell im Büro ein bisschen rumgeballert, weil wir die Wüste und bestimmte Indoor-Situationen sehr stark differenzierbar machen wollten."
Andreas Wengel
Viele Geräusche generierte Yager aber auch selbst in Berlin. Wengel erzählt etwa eine Anekdote, als man für verschiedene Szenen im Spiel rieselnden Wüstensand aufnehmen wollte, nur um dann festzustellen, "das macht ja überhaupt kein Geräusch. Dann muss man sich überlegen, wodurch man den Sand ersetzen kann oder ob man vielleicht den Untergrund ändert". Auch Beispeilmaterial für die externen Dienstleister nahm man vor Ort auf, was besonders nach den ersten Stimmaufnahmen, die eine Aufnahme-Firma aus Los Angeles lieferte, dringend nötig war.
"Man muss sagen, mit der ersten Recording-Session waren wir gar nicht zufrieden. Die generischen NPCs waren sogar eher noch als Katastrophe einzustufen", erinnert sich Wengel. "Nicht weil das qualitativ jetzt so schlecht war, aber es entsprach halt überhaupt nicht unserer Vorstellung. Es war halt sehr 'game-ig', total übertrieben. Das hätte einfach die ganze Sensibilität oder den moralischen Anspruch, den wir ins Spiel gepflanzt haben untergraben und ins Lächerliche gezogen". Umfangreiche Neu-Aufnahmen waren die Folge, bei denen das System der so genannten 'Voice Evolution' von Anfang der Geschichte bis zu deren Ende für überzeugende und vor allem situativ stets passende Darbietungen sorgen soll. Dank festgelegter Kriterien wissen die Schauspieler immer, in welchem "Stadium" ihrer charakterlichen Entwicklung sich ihre jeweilige Figur befindet.
"Die Voice Evolution würde ich weniger als System bezeichnen, sondern eher als dramaturgisches Mittel, damit der Spieler glaubt, dass der Hauptcharakter eben diese Leiden des Krieges durchlebt und sich dadurch verändert", geht Wengel ins Detail. "Wie es so ist bei animierten Bildern: Das beste Mittel ist halt die Stimme. Die Stimme ist das Authentische, das Lebendige. Und da haben wir überlegt, wie können wir das umsetzen? Da kommt dann genau das System zum Tragen, dass wir bei gescripteten Szenen und Zwischensequenzen wissen, wir sind jetzt an dieser Stelle, diese Stelle ist als Evolution 2 definiert, da muss der Charakter so klingen."
Alleine schon, zu definieren, wie die einzelnen Evolutionsstufen klingen sollten, stellte sich als nicht ganz unproblematisch heraus: "Wir haben auf jeden Fall eine Definition verfasst und das ist auch ein ziemlich iterativer Prozess gewesen. Denn wir haben ganz schnell festgestellt, 'oh Gott, wir reden hier davon, was wir unter diesem Gefühlseindruck verstehen, aber jeder versteht was anderes darunter'". Auch hier führte der Weg zum Erfolg über unbedingte Kommunikation. "Wir haben uns gefragt, wie können wir denn erst mal untereinander vermitteln, was wir damit meinen, bevor wir es aufschreiben und dann auch noch dem Schauspieler vermitteln, was er machen soll? Dazu dienten dann auch unsere eigenen Aufnahmen". Auch in anderen Medien schaute man sich um und suchte vor allem nach Filmbeispielen, um dem emotionalen Definitionsbereichen Schärfe zu verleihen.
"Er (Nolan North) definiert halt die Rolle. Man spricht ihm ja nicht vor, was er zu sagen hat, sondern umschreibt seine Vorstellung und er macht dann was daraus."
Andreas Wengel
Viel Aufwand, für etwas, das am Ende ohnehin niemand hört? Andreas Wengel sieht es jedenfalls nicht so. "Stimme ist ja etwas Unbewusstes, wir sind ja alle sehr vertraut mit Stimme. Das ist das, was uns ständig umgibt. Auch der Laie kann sehr schnell unterscheiden zwischen wahren Gefühlen und gespielten. Er kann es nur vielleicht nicht unbedingt in Worte fassen". Damit der Spieler das gar nicht erst muss, holte man sich als Schnittstelle zwischen User und Geschichte einen der Besten im Business: Nolan North, bekannt durch seine Darbietung des Nathan Drake in der Uncharted-Reihe, verkörpert Captain Walker, über dessen Schultern die Spieler ins versunkene Dubai eintauchen.
"Das war auch ein Casting-Prozess und wir haben eine Unmenge an Vorschlägen bekommen von verschiedenen Agenturen in den USA", so Wengel über die Wahl des passenden Sprechers für die Hauptfigur ihres Dramas. "Wir haben am Anfang überlegt, was Prominente als Sprecher angeht, also ob man jetzt irgendwelche Celebritys an Bord holt. Wir sind dann aber ganz schnell zu dem Schluss gekommen, irgend einen Schauspieler zu nehmen, der zwar bekannt ist, aber wenig Game-Erfahrung hat, bringt uns überhaupt nichts. Und dann fiel relativ schnell die Wahl auf Nolan North.
Gerade North liefert, ausgehend von einigen Abschnitten, die wir schon spielen konnten, wieder eine sehr nuancierte Sprechleistung ab, die Wengel aber vor allem auch als Ergebnis guter Zusammenarbeit sieht. "Wir haben sehr viel Aufwand da reingesteckt. Der Vorteil war, dass wir da aus dem Vollen schöpfen konnten. Wir haben viele Sachen neu aufgenommen, die uns nicht gefallen haben. Und speziell die Sprecher Haupt-Charaktere sind über den Zeitraum der Produktion so richtig in ihre Rollen gestiegen. Sie haben immer wieder betont, dass sie diesen narrativen Ansatz total begrüßen, dass da wirklich eine Geschichte erzählt wird. Und das spiegelt sich glaub ich auch wieder."
Zwar kam es selten zu direkten Synchronisations-Szenen, weil North, anders als im Fall von Uncharted, meist die zu sprechenden Zwischensequenzen noch nicht vorlagen, das Mehr-Ohren-Prinzip half aber auch hier. "Wir waren schon ein relativ großes Team. Es waren immer mindestens drei Leute während der Aufnahmen dabei, die kreative Entscheidungen trafen". Wegen des selten wirklich chronologischen Aufnahmeprozesses habe es geholfen, mehrere Leute bei den Aufnahme-Sitzungen dabei zu haben, die den gesamten Handlungsbogen des Spiels im Blick behalten. "Der Regisseur konzentriert sich möglicherweise auf diese eine Szene und es gibt Situationen, wo er auch mal vergisst, dass ja diese Szene an einer bestimmten Stelle des Spiels stattfindet, wo die Voice-Evolution des Charakters eigentlich verzweifelt klingen soll. Diese Art von Kooperation fand im Studio vermehrt statt."
North selbst hat auch im Studio an der Entwicklung des Charakters mitgewirkt. Dies sei der Vorteil des ursprünglichen Sprechers gegenüber denen, die für die lokalisierten Fassungen verpflichtet werden, meint Wengel. "Er definiert halt die Rolle. Man spricht ihm ja nicht vor, was er zu sagen hat, sondern umschreibt seine Vorstellung und er macht dann was daraus. Man sagt dann, 'gefällt mir' oder 'gefällt mir nicht', aber er entwickelt den Charakter mit und das hat Nolan auf jeden Fall auch gemacht."
Womit wir beim Thema Lokalisation angelangt werden. Wengel ist hier sehr realistisch, gibt er doch zu: "Die ist nicht vergleichbar mit der englischen Version. Wir als deutsches Entwicklungsstudio haben trotzdem Wert darauf gelegt, Einfluss darauf zu haben. Das ging so weit, dass der erste Dienstleister, der uns vom Publisher vorgeschlagen wurde, nicht gefiel, weil wir schon mal mit denen schlechte Erfahrungen gemacht haben. Daraufhin haben wir quasi durchsetzen können, einen besseren Dienstleister zu finden."
Wengel macht vor allem den Zeitfaktor dafür verantwortlich, dass eingedeutschte Spiele selten die Qualität der Ursprungsfassung halten: "Man sollte dazu wissen, dass der ursprüngliche Plan für die Übersetzung in vier Sprachen 28 Tage betrug. Das heißt also, von dem Tag an, wo wir auf den Knopf drücken - Let's go - bis zur Lieferung der fertigen Files, das sollte eigentlich innerhalb eines Monats fertig sein. Das heißt: Alle Übersetzungen, alle Sprecher, alle Aufnahmen mussten ganz schnell fertig sein". Im Sinne der Qualität hat man aber dennoch in einigen Dingen Einspruch eingelegt: "Nachdem wir die ersten Files zurück bekommen haben, haben wir gesagt, 'so geht's nicht. Weder Übersetzung noch der Ausdruck gefallen uns'. Dann haben wir angefangen, die deutsche Version durchzuspielen und Notizen gemacht, was wir auf jeden Fall noch verbessern müssen und haben Mitarbeiter mit in die Aufnahme-Session geschickt."
Zur Überwachung? "Eher zur Hilfe. Wenn man Tausende von Sprach-Files aufnehmen muss, dann setzt so eine Routine ein". Auch drohten Sprecher mit weniger Spiel-Erfahrung zur Übertreibung ihrer Darbietung. "Wenn man denen sagt, mach jetzt hier mal so einen coolen Soldaten, dann geht das ganz schnell nach hinten los". Auch die abstrakte Natur der Aufnahme-Umstände ist nicht besonders hilfreich. "Das Geschehen ist natürlich überhaupt nicht klar. Ich kann's dir kurz zeigen", Wengel hält mir eine Excel-Tabelle unter die Nase. "Da steht eine Zahl, ein Hinweis, der Charakter und daneben die Zeile. Die wissen überhaupt nicht, an welcher Stelle des Spiels das passiert. Es gibt zwar noch ein paar Hinweise - 'intensiv', 'flach' und so weiter - und die Anmerkungen über die Voice Evolution. Aber wenn da niemand dabei ist, der das Spiel kennt, dann sind die ganz schnell verloren."
Auch wenn es heißt, Konkurrenz belebe das Geschäft, für die Qualität von Lokalisationen ist sie laut Wengel eher abträglich: "Es ist auf jeden Fall ein harter Job und der Konkurrenzkampf ist da schädlich, was die Qualität angeht. Man kann höhere Güte bekommen, mit unwesentlich mehr Kosten, indem man einfach nur ein bisschen mehr Zeit hat." Und davon hatte Yager definitiv genug.