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Spec Ops: The Line - Vorschau

Auf dem schmalen Grat zwischen richtig und falsch ist kein Platz für Helden.

Spec Ops: The Line wäre ein Shooter wie jeder andere, würde sich Yager Development nicht an einigen interessanten Themen versuchen, die andere Actionspiele im Sinne unbelasteter Unterhaltung besser nicht anfassen. Auf dem Rücken eines soliden, wenn auch nicht unbedingt inspirierten Deckungs-Shooters stolpert der Spieler mit seinem Delta-Force-Squad in eine zerrüttete und von der Außenwelt abgeschottete Großstadt, in der alle Notfallprotokolle längst versagt haben.

Die Person am Controller ist nicht die Erste, die hier nur mit den besten Absichten hineingeht. Doch das sandgestrahlte Gerippe Dubais hat nichts für Helden übrig und so kommt man auf der anderen Seite als Monster wieder heraus. Noch vor der Mitte des Spiels hat man gewaltige Schuld auf sich geladen und The Line nimmt sich die Zeit, einem das auch zu zeigen. Immer wieder stellt es die Opfer in den Vordergrund, verstümmelte, schreiende Menschen, die nicht einfach sauber tot umfallen, sondern sich, schwer getroffen, regelmäßig einem bitteren Todeskampf winden.

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Häufig zeigt einem Yager in kurzen Zwischensequenzen das Gesicht eines künftigen Gegners, lässt euch triviale bis missionskritische Gespräche belauschen. Wo andere Spiele euch diesen als Zwischenboss eine Weile jagen lassen würden, liegt dieser nach dem folgenden Schusswechsel wie alle anderen Feinde mit dem Gesicht nach unten im Sand. Zugegebenermaßen verfällt auch The Line immer wieder in die bequeme Anonymisierung derjenigen, die sich euch in den Weg stellen. Auch hier gibt es diese Stellen, in denen man in den deckungsbasierten Gefechten zu dritt Dutzende maskierter Soldaten oder Aufständische mit einer Durchschlagskraft über den Haufen mäht, wie sie nur Videospiel-Protagonisten kennen. Und doch gelingt Yager über weite Strecken die Entdämonisierung eurer Feinde. Nicht nur dadurch, dass ihr sie nicht allein als Mündungsfeuer erlebt, das siedendes Blei in eure Richtung spuckt, sondern auch durch das Gefechtsgeschrei der Rebellen und Soldaten, die euch und eure Handlungen verfluchen.

Passend dazu sich auch euer Squad immer mehr bewusst, wie FUBAR die Situation eigentlich ist. Schon in unserem Hintergrundbericht über die Entwicklung von Spec Ops: The Line, sprach Audio Lead Andreas Wengel von der "Voice Evolution", Yagers Gefühlskatalog für die toll gewählten Synchronsprecher. Jetzt, nachdem ich elf Kapitel des Spiels beendet habe, kann ich dieses System nur beklatschen, denn die Figuren machen eine wirklich hörbare Transformation durch, die zu den Geschehnissen dieses misslungenen Rettungseinsatzes passt. Die Squadmitglieder "als narratives Element" zu nutzen, wie Lead Level Designer Jörg Friedrich es bezeichnete - hier geht es in vollem Umfang auf. Wo die Charaktere in anderen Spielen immer gleich bleiben, sich Erkenntnisgewinne in Grenzen halten, nehmen die Protagonisten von Spec Ops eine bedenkliche Abzweigung nach der anderen.

Spec Ops: The Line - Gameplay-Video

Rein spielerisch hingegen wird hier nicht wirklich die Welt in Flammen gesetzt. The Line ist auch in dieser Frühfassung, an der sich noch einiges tun dürfte, schon ein solider Deckungs-Shooter. Eure Team-Mitglieder agieren schön autonom, kommentieren Aktionen auf erzählerischer Ebene und warnen im Kampf vor neuen Feinden. Die Möglichkeit, seinen Kollegen Feuerbefehle zu erteilen, muss man nicht nutzen, in vielen Fällen fand ich es aber durchaus hilfreich, sie den "Aggro" bestimmter Feinde auf sich ziehen zu lassen, um mich selbst in eine aussichtsreichere Position zu bringen oder gar zu flankieren, was das Level-Design in einer Menge Situationen auch zulässt. Die KI leistet gute Arbeit und an einigen Stellen bekam ich aus dem Augenwinkel sogar mit, wie Scharfschütze Lugo einen Gegner erledigte, der sich an mich herangeschlichen hatte und gerade die Schrotflinte auf mich anlegte. Derartige Rettungstaten - auch, wenn eure Kollegen einen hartnäckigen Sniper, der euch festgenagelt hat, von seiner erhöhten Position herunterholen - gehören zu den Glanzmomenten des Spiels.

Das erhält durch den Einsatz von Sand eine gewisse Portion Variabilität und eigenen Charakter, was dem andernfalls etwas gleichförmigen Ablauf meist effektiv den Zahn zieht. Manche Gegner vor Fenstern oder verglasten Wänden, hinter denen die Stürme einen Berg Wüstensand abgelagert haben. Den lasst ihr als Lawine auf sie niedergehen, sobald ihr die Scheiben einschießt. Werft ihr eine Granate in den Sand erzeugt ihr hingegen eine Staubwolke, die Feinde in einem gewissen Radius blendet und eure Sichtbarkeit reduziert. Andernorts ziehen gescriptete Sandstürme auf und verändern im Handumdrehen Look und Charakter ein und desselben Level-Abschnittes. Palmenzweige knicken ab, Motorhauben und Kofferraumklappen werden von Autos abgerissen, während man von den Feinden wenig mehr sieht, als die nun in riesige, formlose Lichtwolken verwandelten Entladungen ihrer Waffen. Es ist eher eure Umwelt, die Abwechslung ins Spiel bringt, als der insgesamt vielleicht ein bisschen generische Ablauf der interaktiven Elemente.

Spec Ops: The Line - Trailer

Ein bisschen was ist für Yager noch zu tun, um die Ecken und Kanten abzufeilen. Hier und da steht einem ein KI-Partner im Weg - wenn man sich gerade auf der Flucht vor einer Granate befindet, ist das schon Mal ärgerlich. Zudem sieht man dem Spiel stellenweise die Entwicklungsdauer an, was sich vor in etwas groben Charaktermodellen und den etwas steifen Animationen niederschlägt. Die sind zwar in der Mehrzahl kompetent, einzelne Dinge, wie etwa Walkers Befehlsgesten, könnten aber weniger hampelig sein. Und gerade die Gesichter haben wir schon vielfach belebter gesehen.

Doch das ist nicht die Sorte Dinge, die darüber entscheiden, welche Wirkung Spec Ops: The Line letzten Endes erzielen wird. Als Titel, der in seinen Spielmechaniken schon lange nicht mehr alleine ist und dessen Entstehung sich vor allem auch wegen der Entwicklung und Einbindung der Geschichte so sehr verzögerte, steht und fällt seine Anziehungskraft unterm Strich mit der Auflösung der Handlung. Ich bin mir nicht sicher, ob The Line diese eine große Aussage zum Thema Krieg treffen kann oder überhaupt will. In einem Genre - und wenn man ehrlich ist, sogar dem Medium als Ganzes -, das davon lebt, seinen Konsumenten als ultimative Waffe in jede noch so ausweglose Situation zu werfen und dabei keinen Fail-State kennt oder akzeptiert, ist aber allein schon die Erkenntnis beachtenswert, dass ein Krieg weder Helden noch Gewinner kennt.

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