Dark Messiah - Das Experiment
Übermächtiger Mage oder schwacher Robenträger?
In den vergangenen Wochen und Monaten konnte man zu Ubisofts Action-Titel Dark Messiah of Might & Magic an allen Ecken und Enden zahlreiche Vorschau-Artikel lesen. Wer immer schön die Berichterstattung verfolgte, die Demo zockte und sich auch das ein oder andere Kill-Kevin-Video einverleibte, weiß: Es sieht klasse aus und es gibt unzählige Arten, seine Gegner ins Jenseits zu befördern. Man kann sie in spitze Pfähle rammen, ins Feuer treten, mit dem Schwert beschnippeln, ihnen etwaige Zaubersprüche um die Ohren donnern, sie in Abgründe stürzen lassen, ein Gerüst mitsamt einem Stoß Fässern und Kisten über ihnen zum Einsturz bringen, sie mittels Fallen aus dem Weg räumen, und, und, und. Im Grunde reicht eine Aufzählung aller Tötungsarten aus, um eine ganze Seite zu füllen. Dieses Schmankerl heben wir uns allerdings für die nächste Woche auf – zusätzlich zum Test.
Abseits der massiven Infos bleibt bislang eine Frage offen: Wie unterschiedlich gestaltet sich der Spielverlauf in Dark Messiah, wenn man die Fähigkeiten nur auf eine bestimmte Klasse begrenzt? Sprich: Magier aus der Distanz mit allen Zaubersprüchen, Krieger im Nahkampf mit Schild, Schwert und sonstigem Waffenarsenal, Assassine agierend aus dem Hintergrund mit Dolchen und Bogen. Und überhaupt: Gibt es klare Unterschiede? Was ist durch die Wahl einfacher, was schwerer? Wie ist die Vorgehensweise in den jeweiligen Situationen? Ist ein reiner Charakter wirklich stärker oder bringt es ein Mischtyp mehr? Was macht eigentlich besonders Spaß an der entsprechenden Ausrichtung?
Um all diese Fragen zu beantworten und somit einen näheren Einblick in die Spielmechanik zu geben, ließen wir uns von Ubisoft kurzerhand drei Versionen von Dark Messiah of Might & Magic schicken. Ab heute und bis einschließlich Donnerstag könnt Ihr bei uns täglich einen Bericht zu den drei Klassen lesen. Am Freitag vergleichen Herbert (Krieger), Ahmet (Assassine) und ich (Magier) die Eindrücke anhand einer heiklen Situation, diskutieren im Team die verschiedenen Aspekte der Klassen und formen den ultimativen Charakter aufgrund unserer bisherigen Erfahrungen. Um nicht zu viel vom Spiel preis zugeben, beschränken wir das Special auf die ersten Kapitel. Aber selbst damit ist man schon etliche Stunden beschäftigt. Viel Vergnügen!
Der Magier
Erlaubte Fähigkeiten: Alertness, Magic Affinity, Mana Regeneration, Stamina, Endurance, Vitality, Dark Vision, Telekinese, Flame Arrow, Fire Trap, Heal, Charm, Weaken, Fireball, Lightning Bolt, Sanctuary, Freeze, Inferno
Als sich Herbert und Ahmet binnen einer Sekunde auf Krieger und Assassine stürzten, dachte ich, "Na toll, Magier – da hast ja mal wieder die Arschkarte gezogen“. Bitte nicht falsch verstehen, ich liebe Zauberer. Nichtsdestotrotz ist es allgemein bekannt, dass man in dieser Zunft gerade in den ersten Stunden jedes Spieles den absoluten Schwächling mimt. Und bei einem so actionlastigen Titel wie Dark Messiah of Might & Magic, wo hinter jeder Ecke eine Truppe Gegner wartet, könnte sich die Schmalbrüstigkeit als äußerst schwierig erweisen. Überraschenderweise ist dem hier nicht so. Zumindest nicht, solange alle Feinde schön dicht beieinander stehen und die eigenen Fähigkeiten stimmen. Eine kleine Feuerfalle in die Nähe setzen, mit dem Feuerpfeil auslösen und kawummm, die Show ist beendet. Bei vielen einzelnen Kontrahenten, die mal hier und mal da durch den Raum huschen, sieht die Sache aber wieder ganz anders aus. Kaum betritt man die Szene, fühlt man sich wie in einem Piranha-Becken. Einer prescht von links an, zwei von rechts, ein vierter und fünfter werden durch die Kampflaute aufmerksam. Und ehe man sich versieht, knabbert einem der Dolch eines bislang unentdeckten Schurken am Rückrat und ein Bogenschütze durchlöchert die kostbare Robe im Stakkato-Takt.
Je öfter ich mich mit solchen Situationen konfrontiert sehe - und die gibt’s am laufenden Band -, desto schneller wird eines klar: Es bringt für einen Magier rein gar nichts, sich mit Karacho in die Gegner zu stürzen. Zum einen kommt der Manavorrat am Anfang sehr mickrig daher und jeder größere Spruch leert die ganze Leiste. Zum anderen fehlt es schlichtweg am nötigen Schutz. Wo kein Schild ist, da kann man auch nicht die Angriffe blocken und somit den Schaden schmälern. Und ohne die entsprechende Schwertfähigkeit ist es mit dem Parieren auch nicht so einfach. Wer also hier nicht das Hirn anstrengt, die Gegend auskundschaftet und diverse Hilfsmittel einbezieht, durchlebt einen klaren Leidensweg. Aber, und das ist gerade das Gute, man muss sich nicht zwangsläufig auf das Schmeißen von Gegenständen beschränken. Oder gar irgendwelche Seile zersäbeln. Jeder Strick, an dem eine fiese Falle oder ein größeres Objekt (Kronleuchter, Haken, etc.) baumelt, lässt sich auch aus der sicheren Entfernung durchbrennen - vorausgesetzt, man zielt gut. Ebenso einfallsreich: Steht ein Feind neben einem Fass, reicht ein Feuerpfeil aus und die Kleidung des Opfers fängt ebenfalls Flammen. Das spart kostbares Mana und Zeit. Und wenn gar nichts mehr hinhaut, bleiben ja noch die Spruchrollen, die in so manchen Kisten und Schränken zu finden sind.
Mit jedem absolvierten Abschnitt in den einzelnen Kapiteln – je nach Kapitel ist die Anzahl unterschiedlich – rieseln ein paar Pünktchen aufs Fähigkeitenkonto und die Gegner werden scheinbar fieser. Stolzieren sie anfänglich leichtsinnig durch die Gegend und segnen nach genau vier Feuerpfeilen das Zeitliche, dodgen sie später ohne große Probleme aus der Schussbahn und sind resistenter. Auch der Gang durch etwaige Gebäude oder Höhlensysteme gestaltet sich herausfordernder. Hinter jeder Biegung lauern ein paar bis an die Zähne bewaffnete Schergen. Schon ein zu lauter Tapser der Sohlen reicht aus und die Jungs werden hellhörig und strömen an. Es bleibt nur schleichen, vorsichtig um die Ecken schielen und gegebenenfalls eine Feuerfalle platzieren – aber immer schön weit entfernt vom eigenen Leib, sonst büßt man selber Gesundheit ein. Und die ist aufgrund selten gestreuter Heiltränke, die man allzu oft leichtfertig vergeudet, nicht weniger kostbar als das schwindende Mana.
Obwohl ich mich explizit auf die vorher von mir ausgewählten Fähigkeiten beschränke, juckt es förmlich in den Fingern, einmal die anderen Fertigkeiten auszuprobieren. Beispielsweise den Schwertkampf. Schließlich hantiert Gandalf ja auch vor dem Balrog mit seiner Klinge rum und es würde die Nahkämpfe ungemein vereinfachen. Das Problem ist nur: Was ist, wenn einem dadurch ein wichtiges Talent flöten geht? Dark Messiah of Might & Magic ist selbst in den ersten Kapiteln streckenweise so anspruchsvoll, dass ein leichtfertiges Rumgeklicke im Skilltree zu späteren Problemen führen kann. Man besitzt zwar alle möglichen offensiven Sprüche und klatscht die Feinde im Handumdrehen, aber ohne erhöhte Manaregeneration ist nach zwei bis drei Kerlen Schluss. Und wer dann nicht schnell den Stab mittels Schnelltasten auspackt oder Fässer und Kisten zur Hand nimmt, steckt in der Bredouille. Kurzum: Wer einen Magier spielt, muss Köpfchen haben.
Fazit: Als Magier ist es in Dark Messiah of Might & Magic sicherlich nicht einfach. Dafür aber umso unterhaltsamer und fordernder. Oftmals steht man einer Situation gegenüber, der man sich nicht gewachsen fühlt, diese aber durch List und Schläue durchsteht. Wer nicht nur wild um sich kloppen, sondern auch ein wenig grübeln möchte, der ist hier definitiv gut bedient.