Geek'sche Welt der Wunder
Steampunk ist nicht tot
Lasst uns heute doch mal einen kleinen Ausflug in ein Paralleluniversum machen: Schließt die Augen und stellt Euch vor, dass nicht der Mikrochip, der Elektro- und der Verbrennungsmotor, sondern die archaische Dampfmaschine das Rennen gemacht hätte. Eine düstere, Dampfwolken erfüllte Welt viktorianischen Charmes, in der riesige Maschinen nur durch die Kraft des Dampfes betrieben und immer weiter verfeinert werden. Willkommen im Steampunk.
In all den zahlreichen Nischen des Science Fiction hält das Genre des Steampunks für seine Fans den besonderen Reiz des Lowtech parat. Hier gibt es keine Teleporter, 'High-End Strahlen Metöt Deluxe'-Waffen unbekannter Chipdesigner, stattdessen dominieren Messing, Stahl, Holz und Mechanik aller Größenordnungen das Geschehen.
Der Anziehungskraft kommt aus der Mischung dieser Elemente in Verbindung mit archaischen Mindsets, die die förmliche Zeit des britischen Empires für eine richtig gute Sache hielten. Vom korrekt sitzenden, doppelten Windsor bis zum kupfernen Ende des Gehstocks, dieser bevorzugt mit verstecktem Dolch. Und wäre es nicht cool, ein wenig dieses Charmes auf aktuellen Haus-Hightech in die eigene, langweilig moderne Hütte zu übertragen? Geht alles, nur eine Frage des Geldes oder Eures eigenen Handwerksgeschicks...
Das Herz des Empires: Der PC
Die erste Lektion beim Abtauchen in diese Bastler- und Designer-Subkultur dürfte darin bestehen: Ihr könnt für nichts davon in einen Laden gehen und es einfach fertig kaufen. Vielleicht irgendwann mal, ist aber eher unwahrscheinlich. Stattdessen müsst Ihr jemanden finden, der handwerklich begabt ist und Eure Vorstellungen umsetzen kann – teuer, sei es in Geld oder in Freundschaftsdiensten – oder Ihr legt selbst Hand an und geht nicht zuerst in den PC-Modding-Shop, sondern in den Bastel- und Baumarkt.
Dann steht beispielsweise einer solchen Konstruktion, wie Ihr auf dem Bild erblickt, nichts mehr im Wege: Das wunderschöne Teakholzgehäuse – ein wenig Edelholz muss sein, wir leben hier in der Kolonialzeit – enthält einen wassergekühlten High-End PC. Holz allein reicht aber noch nicht. Damit Captain Nemo neidisch auf Euch wird, müssen als erstes mindestens eine halbe Sanitärinstallation an Schläuchen, Rohren und Dampfreglern daran verbaut werden. Wie sonst sollte der Dampfbetrieb funktionieren?
Dieser will überwacht sein und so müssen ein paar analoge Messinstrumente an die Vorderseite. Je nach Geschick zeigen diese die Temperatur der CPU, die Voltspannung der selbigen oder einfach nur als Dekor irgendetwas an. Eurer Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Sollten die Messwerte mal dramatisch schwanken, muss der Maschinist natürlich einen Blick in das Innenleben werfen können und dieses bietet ihm ein mit kupfernen Schrauben befestigtes, stabiles Bullauge, hinter dem sich die Zahlräder fröhlich drehen. Oder auch einfach nur angeklebt sind.
Für die Operation der Maschine unter ungünstigen Sichtbedingungen, Lan-Parties, Observationsaufgaben oder einfach nur Nacht, ist es wichtig, alles im Überblick zu behalten. Wer wirklich Hardcore ist, wählt selbstredend Gaslaternen und zwar innen wie außen. Normale und vor allem vorsichtige Zeitgenossen vertrauen auf Elektrizität und bleiben bei simplen LEDs. Diese lassen sich hübsch und je nach Vorliebe für verschiedene Funktionen installieren oder in Schlauchform durch Bioshock-mäßige Zuleitungen ziehen. Nutzlos vielleicht, stylisch auf jeden Fall. Hier seht Ihr einen solchen Rechner übrigens im Detail.
Die äußere Peripherie: Monitor, Tastatur, Maus, Ticker
Das Herz schlägt oder vielmehr dampft und raucht, Zeit sich um die Peripherie zu kümmern. Fangen wir mit dem Monitor an. So ein modernes, geradezu futuristisches Gehäuse in silber oder auch schwarz passt nun sicher nicht zu einem echten Anachronismus, also muss ein wenig gemodded werden.
Hier gilt auch wieder selbst Hand anlegen, kaufen könnt Ihr nur die Einzelteile. Eine marmorne Bodenplatte, die Halterungen einer alten Gaslampe, Messingtaster statt Plastikknöpfen und natürlich ein handgefertigter Rahmen aus Messing geben dem Ganzen den richtigen Look.
Damit danach auch das Feeling beim Eintippen stimmt, zerlegt Ihr zunächst eine gute, alte Tastatur. Kein High-End mit billigen Knöpfen, bevorzugt ist eine dieser untotbaren aus den späten 80er von Cherry oder IBM. Ihr zerlegt sie bis an das Innerste, indem Ihr all die hässlichen Plastikknöpfe entfernt. Jetzt kommt wieder Arbeit auf Euch zu, wenn Ihr einen polierten Messing-Rahmen anfertigt, eine Holzplatte unterlegt und die Knopftasten einer alten Schreibmaschine den perfekten Neo-Viktorianischen Look abrunden.