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Speedball 2: Brutal Deluxe

Ice Cream, Ice Cream!

Es muss schwer gewesen sein, der Versuchung zu widerstehen. So viele Jahre sind vergangen. Soviel mehr an Hardwareleistung steht plötzlich zur Verfügung. Der Sprung vom Amiga auf die Xbox 360 muss ein Gefühl bieten, dass man sonst nur beim Umstieg von einem alten VW-Käfer in einen Touareg erhält. Und trotzdem haben sie es geschafft zu widerstehen. Das alte Spieldesign blieb unangetastet. Speedball 2 ist immer noch Speedball 2.

Danke.

Nach der letzten Aneinanderreihung von Katastrophen in Form des verhunzten Wing Commander Arena bis hin zum gegen jeden Sinn verstoßenden Tetris mit Fischen, ging man bei dem XBLA-Remake des 1990er Amiga-Klassikers Speedball 2 keine Experimente ein. Man bietet also allen, die wie ich auch bei der Nennung des Namens diesen Ausdruck nostalgischer Verklärung in den Augen haben, das Original. Leicht angepasst, ein wenig auf HD poliert, aber spielerisch unverwässert.

Wer damals dabei war, braucht eigentlich nichts mehr zu wissen. Los, was verschwendet Ihr Eure Zeit damit, ein Review zu lesen, bei dem Ihr wisst, was kommt? 800 Punkte und Ihr seid für ein paar Abende 17 Jahre jünger. Go, go, shoo, shoo.

So, nun zu Euch, die Ihr damals wahrscheinlich zu jung oder gar erst bei Euren Eltern ein dick markierter Tag im Kalender wart. Sammelt Euch um das Feuer und Gevatter Martin wird Euch eine Geschichte aus der guten, alten Zeit erzählen, als alles noch neu und jung war, als Männer noch Männer, Frauen noch Frauen und kleine grüne Wesen von Andromeda noch kleine grüne Wesen von Andromeda waren...

Jap, so billig sieht das aus. Na und? Innere Werte zählen auch.

Heutzutage kennt man das unsägliche Genre des Futuresport zum Glück fast kaum noch, damals erfreute sich die Verschlimmbesserung bekannter Sportarten mit SciFi-Elementen reger Begeisterung. Speedball 2, des seinerzeit wohl hippesten Programmierteams auf dieser schönen Erde, den Bitmap Brothers, kann getrost als die goldene Ausnahme dieser schlichten „Futuresports sucks!“-Regel betrachtet werden.

Zwei Teams mit je neun Spielern, allesamt wohlgepanzert, betreten die stählerne Arena von der Größe eines Hallenfußballfelds. Ein stählerner Ball landet nach dem Anpfiff in der Mitte, ein Spieler schnappt ihn sich. Danach findet eine Mischung aus Handball und Terminator-Pelota statt, die mit absolut nötiger und gelegentlich auch unnötiger Härte ausgetragen wird. Der mutige Spieler behält den Ball und beginnt zu laufen, der Schlaue wird es eher mit einem schnellen Passspiel versuchen. Das Ziel ist für die meisten das gegnerische Tor, für manche auch nur ein verletzter Gegner.

Speedball 2 trägt nicht ohne Grund den Beinamen Brutal Deluxe. Fouls gibt es nicht. Alles ist erlaubt, ein Tackle gilt als harmlos, ein schwerverletzter Spieler hatte Glück im Unglück, ein toter einfach nur Unglück. Wer nach einem solchen Missgeschick keine neuen Recken auf den Platz schicken kann, weil seine Kabine den Charme eines geschlossenen Bahnhofs versprüht, ist draußen.

Nur zwei Fouls auf dem Screen, eine ruhige Runde.

180 Sekunden, gerade mal drei Minuten, dauert die Schlacht, aufgeteilt in 2 Hälften. Das klingt kurz, kann aber sehr lang werden, wenn keine Spieler mehr in der Reserve warten und die auf dem Feld schon ein wenig wanken. In solchen Situationen hängt es nicht nur vom Glück ab, sondern auch vom Können im Umgang mit dem Punktezählsystem und einigen Extras.

Gepunktet wird nämlich nicht nur durch Tore, sondern auch durch zwei Zählwände an der Seitenbande und der Mittelsäule. Zusammen mit gelegentlichen Teleportern, Power-Ups und Stromstößen für gegnerische Spieler, können Profis eine ganze Menge Taktik in die schnellen Partien mit einbringen.

Diese werden sich dann aber auch an dem einzigen Manko der Umsetzung stoßen. Dies ist keineswegs die leichte und optionale Grafikpolitur, die anständig gelang, aber andererseits ziemlich nutzlos daherkommt. Vielmehr scheint es einen Bug zu geben, der dafür sorgt, dass der menschliche Spieler beim Start gelegentlich für eine Sekunde den eigenen Spieler nicht bewegen kann. Es passiert nicht häufig, aber wenn sich aufgrund dessen die KI den Ball schnappt und früh in Führung geht, heißt es schnell „180 Puls“.

Gezieltes Passen ist wichtiger als Tacklen...richtig, als ob!

Trotzdem sorgt ein netter Liga- und Turniermodus für Freude und so richtig für die Samstagsparty mitten in der Woche sorgt natürlich Xbox LIVE. Vor dem Amiga musste immer jemand eingeladen werden und wenn mal keiner der anderen Süchtigen Zeit hatte, herrschte Trauer. Obwohl die Zeit zu zweit vor dem Screen immer noch den meisten Spaß bietet, beruhigt doch das Gefühl, das der nächste Spieler immer nur eine LIVE-Monatszahlung entfernt ist...

Wenn es um gnadenlose Action im Drei-Minuten-Takt geht, macht auch nach all den Jahren dem Klassiker der Bitmap Brothers kaum ein anderes Spiel etwas vor. Die richtige Mischung aus Taktik, Reflexen und Aggressionspotential unterhält Runde um Runde, wenn es sein muss durch die ganze Nacht. Und für gerade mal 800 Punkte bietet sich hier eine grandiose Chance für einen Ausflug in eine Zeit, als Spiele einfacher waren. Aber nicht schlechter.

Für 800 Punkte Ligagebühr auf dem Xbox Marketplace geht es ab sofort los, Internetzugang natürlich vorausgesetzt.

8 / 10

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