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Spellforce 2: Faith in Destiny – Test

Rollenspiel, Echtzeitstrategie, Story - Spellforce 2 war vor sechs Jahren eine eierlegende Wollmilchsau. Die Erweiterung wird diesem Anspruch leider kaum gerecht.

Seit ein paar Tagen werfe ich regelmäßig einen misstrauischen Blick unter meinen Schreibtisch und klopfe ans PC-Gehäuse. Es ist einfach viel zu ruhig. Kein Lüfter kommt auf Touren, keine Festplatte rattert. Ich könnte sogar schwören, dass mein Prozessor ab und zu gelangweilt gähnt. Das war 2006 anders, als SpellForce 2 meinen damaligen Rechenknecht zum Stottern brachte. Damals fand ich die Optik noch grandios, den Mix aus Echtzeitstrategie und RPG wegweisend und die Story war sowieso der Hammer.

Jetzt, sechs Jahre später, erscheint nun die Stand-Alone-Erweiterung "Faith in Destiny". Gewettet hätte ich nicht darauf. Mehrfach wurde der Erscheinungstermin nach hinten verschoben und viele Köche hatten in diesem Brei ihre Löffel drin. Namentlich der österreichische Entwickler JoWooD und sein kanadisches Studio DreamCatcher Interactive. Beide gingen 2011 spektakulär pleite. Der dritte Küchenchef im Bunde, EA Phenomic, verlegte sich danach auf Browserspiele und brachte Lord of Ultima ins Netz. In der Zwischenzeit hat Nordic Games aus Schweden JoWooD und DreamCatcher mitsamt ihrer Markenrechte gekauft - und zaubert jetzt mit Hilfe des Entwicklerstudios Mind Over Matter die lange totgeglaubte Erweiterung zu Spellforce 2 aus dem Hut. 20 Euro kostet der Spaß aktuell. Die Aktivierung erfolgt über Steam. Eine dauerhafte Onlineverbindung ist zum Spielen nicht nötig.

Die Grafik als "nicht mehr zeitgemäß" zu bezeichnen, wäre frech untertrieben. In Zeiten von Browserspielen wie Drakensang Online und Konsorten kratzt man sich da schon ein wenig am Kopf. Hätten die Entwickler die Engine nicht wenigstens ein bisschen aufpolieren können? Wenn ihr keine Hardcore-Fans der Reihe oder abgehärtete Nostalgie-Junkies seid, riskiert ihr allein beim durchklicken der Screenshots tränende Augen. So viele Kanten! Schwammige Texturen! Clipping-Fehler! Und dann dieser typische Warcraft 3 Cartoon-Look. Allein die ordentlich gemachten Lichteffekte und stimmungsvollen Tag-Nacht-Wechsel spenden dem verwöhnten Optik-Gourmet Trost. Das stärkt den begründeten Verdacht, dass Nordic Games nicht einen Cent in die Weiterentwicklung der Grafik stecken wollte.

Spielerisch hat sich genauso wenig getan. Wobei man Spellforce 2 zugestehen muss, dass es fast ein Sakrileg gewesen wäre, am gelungenen Genre-Mix von RPG- und RTS-Elementen herum zu pfuschen. Die meiste Zeit dirigiert ihr euren ausschließlich männlichen Avatar in der isometrischen Perspektive. Die Kamera ist frei drehbar und bietet stufenlosen Zoom. Ihr schlüpft in die Rolle des heldenhaften Shaikan, den man zuletzt in der Erweiterung Dragon Storm begleitete.

Ganz wie in einem RPG der alten BioWare-Schule hangelt ihr euch mit dem Recken von Mission zu Mission und Nebenquest zu Nebenquest, knackt Rätsel, verbessert eure Fähigkeiten in drei Skill-Bäumen mit den Ausrichtungen Krieger oder Zauberer und sammelt tonnenweise Ausrüstung und Schätze in eurem riesigen Inventar. Nebenbei kontrolliert ihr eine Handvoll Helden, jeder mit eigenem Fertigkeitsbaum und spezieller Ausrüstung, aber einem gemeinsamen Rucksack. Die Untergebenen folgen eurem Charakter brav und können von diesem aus der Ferne herbei teleportiert werden. Im späteren Verlauf des Spiels schwingt ihr euch sogar in den Sattel eines kleinen Drachen und dürft mit diesem über Gebirge fliegen. Wer möchte, kann den RPG-Teil übrigens aus einer MMO-typischen Verfolgerperspektive bestreiten, was mangels Übersicht aber eher ein zweckfreies Gimmick denn ein sinnvolles Feature darstellt.

Hin und wieder übernehmt ihr eine Basis auf der Karte und baut eure Streitmacht auf, um eines oder mehrere feindliche Lager samt den dort stationierten Monster-Armeen dem Erdboden gleich zu machen. Dieser Echtzeitstrategie-Part ist relativ simpel zu bedienen und überfordert selbst chronische RTS-Verächter nicht. Eure Arbeiter sind hinter drei Ressourcen her: Stein, Silber und Lenya (Nahrung). Damit zieht ihr Produktionsgebäude und Erweiterungen hoch und baut eine Vielzahl von Nah- und Fernkampf- sowie Zauber- und Flugeinheiten. Wer das Hauptspiel kennt, erlebt hier keinerlei Überraschungen. Meist sind es Einheiten des Bunds, die ihr lenkt. Also Menschen, Elfen und Zwerge. Allerdings kommt es auch vor, dass ihr auf die Einheiten des Clans (Orks, Barbaren, Trolle) oder des Pakts (Dunkelelfen, Gargoyles, Schatten) zugreifen dürft, denn alle drei Fraktionen werden gleichermaßen von den mysteriösen "Namenlosen" bedroht.

Leider hält sich das Spiel nicht groß mit Erklärungen auf. Weder im umfangreichen Tutorial noch in den Questtexten oder in den Zwischensequenzen werden Neueinsteiger in die Geschichte der Vorgänger eingeweiht. Mehr als ein schwammiges "Dunkle Mächte greifen an" muss man zwar nicht wissen, trotzdem wäre es nach so langer Zeit selbst für Veteranen schön gewesen, die Story und die Charaktere mit ihren vielen Einzelheiten nochmals wiederholt zu bekommen.

Man merkt Faith in Destiny die zurückliegende Odyssee deutlich an. Die Erweiterung wirkt nicht nur grafisch veraltet, sondern spielerisch unfertig. Ich fange jetzt nicht von fehlenden Features wie einem schnellen Vorlauf oder dergleichen an, das bei der Konkurrenz mittlerweile zum Standard gehört. Die etwas hakelige Kamerasteuerung, fehlende Lippensynchronität während der Zwischensequenzen oder Frisuren die wegen Grafikfehlern durch Helme hindurchwachsen sind ebenfalls nur kleinere Macken. Allesamt ärgerlich, aber noch zu verschmerzen.

Richtig gestört hat mich hingegen der ständig wechselnde Schwierigkeitsgrad der Hauptkampagne. Immer wieder kommt es während des Echtzeitstrategie-Parts zu unfairen Momenten, die euch sämtliche Einheiten und zahlreiche Gebäude kosten können, wodurch die Ressourcen auf der Karte manchmal gefährlich knapp werden. Da trifft man einen Feind mit "hohem Level" und muss ihn nur anhusten, damit er ins Gras beißt, während vermeintliche "Weichkeks-Monster" plötzlich eure ganze Armee einäschern. Einmal plätscherten die Story und die Kämpfe stundenlang harmlos vor sich hin, als plötzlich zwanzig hochstufige Bösewichte in meine zwei Minuten alte Basis stürmten, alle Arbeiter töteten und mein Haupthaus niederbrannten, bevor ich auch nur einen Krieger produzieren konnte. Da blieb nur die Rückkehr zum letzten Speicherpunkt.

Im konkreten Beispiel wurde es aber auch in den nächsten sechs Durchgängen nicht besser. Was ich auch versuchte - der offenbar geskriptete Überfall kostete meine Basis. Der einzige Ausweg aus diesem unfairen Gemetzel war schließlich, meine Arbeiter irgendwo weitab im Gebüsch zu verstecken und abzuwarten, bis die Bösewichte meine Gebäude geplättet hatten. Dann zog ich in mühevoller Kleinarbeit eine frische Siedlung in sicherer Entfernung hoch, allerdings ohne Haupthaus, das die Feinde erneut angelockt hätte. Wäre die Gegner-KI etwas mehr auf Zack gewesen, hätte mir dieser Trick freilich auch nichts genützt und ich wäre zwangsläufig in einer taktischen Sackgasse versauert.

Die restlichen Quests sind relativ problemlos zu meistern. Die Areale sind nicht allzu groß und die Laufwege erträglich. Maximal zehn bis 15 Stunden braucht man, um die Hauptkampagne mit mageren vier Schauplätzen hinter sich zu bringen. Und ohne jetzt zu viel zu verraten: Das abrupte Ende hat mich enttäuscht. Soll das etwa ein Cliffhanger für eine kommende Erweiterung werden?

Ein paar Schalter-Knobeleien oder Umgebungsrätsel bringen sporadisch Würze in euer Abenteuer. Außerdem habt ihr während mancher Dialogsequenzen verschiedene Antwortmöglichkeiten zur Verfügung, die eure Belohnung beeinflussen. Trotzdem fand ich die Aufträge ziemlich unspektakulär. Es fehlten mir die großen Momente, intelligenter Wortwitz und überraschende Wendungen. Die deutsche Synchronfassung macht einen ganz ordentlichen Eindruck (man hört diverse Sprecher aus Pro7-Dokumentationen und den Simpsons raus). Etwas peinlich fand ich jedoch die unbeholfenen Charakteranimationen während der Zwischensequenzen. Die Figuren zappeln herum, als hätte sich ein Amateur ins Ensemble der Augsburger Puppenkiste geschmuggelt und würde jetzt wild die Fäden zupfen.

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Abseits der Story-Kampagne könnt ihr euch auf zwölf Gefechtskarten im klassischen Zweikampf gegen den Computer oder gegen andere Spieler im Netz beziehungsweise LAN austoben. Hierfür stehen diverse vorgefertigte Avatare bereit. Außerdem dürft ihr aus fünf Fraktionen wählen. Neben dem Bund, dem Pakt und dem Clan sind noch die Shaikan und sogar die Namenlosen spielbar. Ganz neu ist der Domination-Modus (acht Karten). Hier sollt ihr mit eurer Armee verschiedene Punkte auf der Map einnehmen und halten. Alternativ bietet sich ein freies Koop-Spiel auf der großen Questkarte "Westwehr" an. Die Missionen wurden hier leider nicht vertont. Ein Reiter für Community-Karten ist bereits in das Spiel integriert, dort herrscht aber bislang noch gähnende Leere. Um Abhilfe zu schaffen, liegt dem Paket ein ausgesprochen mächtiger Level-Editor bei.

Spellforce 2 - Faith in Destiny zu spielen fühlt sich an, wie eine DVD mit Serien aus den Achtzigern zu gucken. Vorher sind da diese großartigen Erinnerungen an die Helden aus der Kindheit. Hinterher schüttelt man nur noch den Kopf und fühlt sich eine ganze Ecke älter. Die Welt hat sich weiter gedreht. Für 20 Euro darf man heute erheblich mehr erwarten. Dabei ist die altbackene Grafik nur das kleinste Problem. Vom Umfang her hätte die Erweiterung dreimal so viel Content bieten müssen. Einen besseren Schluss hätte ich mir ebenfalls gewünscht. Der Schwierigkeitsgrad ist stellenweise grottig ausbalanciert und die vielen kleinen Macken müssten angesichts einer derart langen Entwicklungszeit nicht sein. Das haben die ausgezeichneten Vorgänger nicht verdient.

Das ist der größte Frustfaktor für mich: Eigentlich ist das Spiel trotz allem relativ solide und man spürt das brachliegende Potenzial. Doch die Erweiterung wirkt im Vergleich zu den alten Teilen einfach nur dürftig. Anfangs machte mir Faith in Destiny richtig Spaß, doch mit der Zeit überwog der Ärger über die verpasste Chance. Vielleicht ist es aber auch ein Stück weit die verklärte Erinnerung meinerseits, die mich so empfinden lässt. Wer die Reihe nicht kennt, weiß jedenfalls nichts mit den ganzen Namen und Anspielungen anzufangen - was bei einem Stand-Alone-Paket eigentlich nicht sein darf.

Neueinsteiger sollten daher komplett die Finger davon lassen oder stattdessen zum Hauptspiel greifen. Das ist in Sachen Umfang wesentlich opulenter bestückt und als Gold Edition für weniger Geld zu haben. Unerschütterliche Liebhaber der Reihe können trotzdem zugreifen, wenn es sein muss. Man sollte allerdings nicht allzu viel erwarten. Mehr als ein nostalgisches Wochenende springt dabei nicht heraus. Sobald sich die Modding-Community des Titels annimmt, könnte sich das natürlich ändern. Außerdem bin ich gespannt, wohin Nordic Games noch mit der Reihe will. Ohne Frage schlummern viele Möglichkeiten in der Lizenz.

5 / 10

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