Spider-Man 2 ist so vertraut und doch so anders – 3 Features, die verändern, wie ihr Spidey spielt
Hui, Spinne!
Ich muss schon sagen: Die ersten Minuten in Spider-Man 2 waren hart für mich. Sony hatte auf einem Event in London gut eineinhalb Stunden des neuen Insomniac-Spiels bereitgestellt, die irgendwo im ersten Drittel, nicht aber direkt am Anfang angesiedelt waren. Und so stellte ich mir in den ersten Kämpfen die Frage, ob die Spideys schon immer so überladen waren.
Es ist einfach eine Menge los, wenn Spider-Man die Bösen langmacht, Venom- und Symbiont-Aktionen an Gegnern mit gut gemischten Talenten austeilt. Und wenn man dann im Menü von separaten Skilltrees und Movesets für zwei Spider-Männer, Gadgets und Anzugmodifikation erschlagen wird, muss man sich erst mal sortieren. Ich bin froh, dass ich für den Test nicht genauso ins kalte Wasser geworfen werde, aber als Erinnerung daran, was in diesem Spiel alles geht, war das schon ein wenig erhellend.
Die gute Nachricht: Es dauerte nur gut 20 Minuten, dann war ich wieder drin und mir fiel das Spielen wieder so leicht wie gegen Ende von Miles Morales, vor mittlerweile drei Jahren. Denn Insomniac weiß einfach, wie man auch ein komplexeres Set an Bewegungen dem Spieler in Fleisch und Blut übergehen lässt. Umso besser, denn Spider-Man 2 erweitert das Repertoire von Peter Parker und Miles Morales, zwischen denen man so gut wie jederzeit fast unmittelbar wechseln kann – noch einmal substanziell.
Zwei Dinge haben mir dabei wegen ihrer spielerischen Auswirkungen besonders gefallen. Dazu sollte ich vielleicht sagen: Ich bin nicht unbedingt ein Fan davon, wie Open-World-Spiele wie diese das Power-Gefälle zwischen Protagonisten und dem Schergen-Fallobst mit schierer Menge ausgleichen. Oft zieht das für mich die weniger bedeutsamen Kämpfe nur unnötig in die Länge. Zwei Dinge könnten im finalen Spiel diesbezüglich eine große Hilfe sein:
Zum einen können die Spideys jetzt Kontern und Parieren, was mit entsprechendem Timing nicht nur die Reihen der Feinde schneller lichtet, es lockert auch den bekannten Rhythmus schon “Schlag, Schlag, Schlag, Ausweichen” auf, bei dem man so oft von einem beinahe erledigten Feind noch wegrollt. Mit dem Block muss man nur noch bei drohendem Beschuss wegkullern, wie es aussieht. Und allgemein mag ich die zusätzliche Option. Tatsächlich fühlt sich ein Spider-Man Miles Morales, das ich im Nachgang des Events noch einmal angefangen habe, ohne Block ein wenig seltsam an. Ich bin wirklich froh über diese Änderung.
Die andere Sache, die mich ein wenig vom Kampf-Ballast abschütteln ließ, war die extrem coole neue Webline. Ihr könnt nun gezielt Seile verschießen, die im Level kleben bleiben und auf denen ihr balancieren könnt. Dadurch wird Stealth sowohl in den Missionen als auch auf der Straße, bei den zufälligen Verbrechen, eine wertvollere Option. In einer Mission in einer großen Lagerhalle konnte ich (nach zwei, drei Versuchen), alle Wachen kampflos ausschalten. Anschließend freute ich mich über all die eingesponnenen Schläger, die zappelnd unter der hoffnungslos mit Netzen zugekleisterten Hallendecke baumelten. Noch eine tolle neue Mechanik, die ich jetzt in Miles Morales bitterlich vermisse.
Und trotzdem ist es wohl ein anderes Feature, über das die meisten Leute reden werden, wenn Spider-Man 2 am 20. Oktober erscheint: Sowohl Peter als auch Miles sind nun im verkappten Wingsuit unterwegs und können wegen der Netzflügel unter ihren Armen gewissermaßen fliegen. Von der Mechanik ist das vergleichbar mit dem Gleiten in den Batman-Spielen. Perfekt, um Strecken zurückzulegen, die sich weniger für die Webshooter eignen, oder einfach, weil es wahnsinnig viel Spaß macht, den normalen Schaukelmodus durch ein paar halsbrecherische Flugeinlagen aufzulockern.
Nett ist, dass schon von Weitem gut sichtbare Windströme geradezu dazu verleiten, den Klebedraht stecken zu lassen und die Spinnenjungs ein gutes Stück weiter tragen, als ihr Schwung und ihre Netzflügel allein erlauben würden. Lustigerweise funktionieren diese Ströme in beide Richtungen. Unter einer Brücke über den Hudson pustete mich etwa ein Wind von Manhattan nach Queens. Als ich kurz vor Erreichen des Festlands unter der Brücke heraus und nach oben zog, mich oben mit den Webshootern auf die andere Seite schwang, nur um in Richtung Manhattan wieder unter die Brücke zu tauchen, musste ich ganz schön schmunzeln. Der Wind blies mich jetzt in die Gegenrichtung – physikalisch natürlich unmöglich, aber aus Spieldesign-Sicht sinnig und spaßfördernd.
Was die spielerische Seite angeht, ist demnach genug Neues zu entdecken, von der Erweiterung der Karte von Manhattan nach Queens und Brooklyn gar nicht angefangen. Das wird der Spinne guttun und optisch sowie spielerisch für Varianz sorgen, auch wenn ich noch nicht ganz sicher bin, was die fehlenden Wolkenkratzer in diesen Bereichen mit der Fortbewegung machen werden. Spannend in jedem Fall.
In den Missionen, die ich spielen durfte, war ebenfalls für Variantenreichtum gesorgt: In einer Szene musste man als Miles’ Spinnenbot einen Einbruch in einem Museum vereiteln und lenkte die Eindringlinge durch das gezielte Erzeugen von Geräuschen an Musikinstrumenten oder einer Toilettenspülung umlenken. Nette Auflockerung, die das übliche Geschehen auflockerte. Eine Szene mit Peter im Symbiontenanzug war sogar richtiggehend gruslig, als man einem dezent veränderten Dr. Conners nachgeht. Die Tonalität schwankte da schon ordentlich und da Sony betont, dass Spider-Man 2 das erste Spider-Man sei, das ab 16 freigegeben ist, darf man sich auf eine insgesamt finsterere Gangart einstellen.
Viel davon ist natürlich auch auf Peters Wandlung durch den außerirdischen Parasiten zurückzuführen, der auf seinem Anzug wohnt. Nach einer wirklich fulminanten Spektakelsequenz auf den Fersen des riesigen Lizard rettet der originale Spider-Man einen Zivilisten davor, von Trümmern zerquetscht zu werden, wirft ihn aber beiseite, als hätte er gerade eine Kiste Äpfel vor der Existenz als Mus bewahrt. Ein nettes kleines Detail, das bei mir fast noch mehr hängen blieb, als die deutlicheren, vordergründigen Anzeichen von Peters Wandlung.
Als ich nach der Demo-Session mit Insomniacs Senior Narrative Director Jon Paquette spreche, will ich als Erstes von ihm wissen, ob es Spaß gemacht hat, Peter so langsam böse zu machen. Hat es Spaß gemacht, Peter langsam böse zu machen. “Oh ja”, entgegnet Paquette mit einem Grinsen. “Die ersten beiden Szenen, in denen Yuri [Lowenthal, Sprecher von Peter Parker] die dunkle Seite von Peter zeigen darf, war ich überrascht, denn ich hatte gar keine Ahnung, dass Yuri so etwas in sich hatte. Er ist einfach solch eine liebenswerte Person, aber eben auch ein großartiger Schauspieler.”
“Ich weiß nicht, an welchen Ort er sich begeben musste, um diese Dunkelheit zu finden, aber er war dort und förderte sie zutage.” Paquette fährt fort: “Das liebe ich an ihm. Es fühlt sich authentisch an. Wenn du mich fragst, wenn ich sehe, was mit Peters Verhältnis zu Miles und MJ passiert, das finde ich herzzerreißend, weil man einfach weiß, was für ein guter Mensch er eigentlich ist.”
Angesprochen auf den achtlos weggestellten Passanten, funkeln Paquettes Augen. “Das ist ein Beispiel! Und mal nebenher gesagt: Ich bin nicht sicher, dass das im Drehbuch stand. Ich sage immer gern: Jeder bei Insomniac ist ein Geschichtenerzähler. Was wir als Autorenteam machen, ist, allen anderen den Tisch zu decken, ihnen zu sagen, ‘das ist die Geschichte, die wir erzählen wollen’. Und dann kommen alle anderen aus dem Team hinzu und leisten ihren Beitrag. Dieser kleine Moment, den du erwähnt hast, war etwas, das ein Animator eingebaut hat, weil er sich dachte, ‘ich glaube, Pete würde das in dieser Situation auf diese Weise machen’. Und Mann – kleine Details wie dieses machen wirklich einen Unterschied.”
Bleibt noch die Frage, wie man bei Insomniac die aktuell grassierende Marvel-Müdigkeit wahrnimmt. Ein Problem für das neue Spider-Man sieht Paquette in der Lawine an Filmen und Serien nicht. “Ich glaube, was Spider-Man einzigartig macht, ist, dass wir ihn nicht nur als Helden sehen, sondern als Menschen. Wir konzentrieren uns auf die persönlichen Geschichten. Und ich finde, das ist zeitlos. Es wird die Leute immer interessieren, anderen menschliche Wesen, wie man selbst eines ist, dabei zuzuschauen, wie sie sich mit ihren menschlichen Problemen auseinandersetzen. Darauf stützen wir uns und schaffen so eine größere Identifikation mit diesen Figuren. Das ermöglicht es, dass man sich selbst in ihnen sieht. Ich denke, das ist einer der Gründe, warum Spider-Man einer der beliebtesten Charaktere überhaupt ist.
Eine weitere Sache, die im Gedächtnis blieb, ist das Vermengen der jeweiligen Umfelder der beiden Helden. Dieser Zusammenführung habe Paquette schon länger entgegengesehnt. “Ich glaube, im Story-Trailer sieht man schon, wie Miles in Gankes Beisein Harry trifft und auch MJ ist da”, erzählt Paquette. “Darauf habe ich mich schon lange gefreut, alle zusammenzuhaben. Es ist natürlich auch eine Herausforderung, alle diese Figuren zu einem lebendigen Teil der Geschichte zu machen. Aber ja, das ist großartig, ihre Dynamiken zu beobachten. Denn Miles und Ganke haben eine großartige Freundschaft, aber ihr Verhältnis ist ein anderes als das von Miles und Pete oder Miles und MJ. Das macht einfach großen Spaß. Es ist ein großes Privileg, sich auf diesem Spielplatz austoben zu dürfen.”
Spider-Man 2 erscheint am 20. Oktober 2023 für PlayStation 5