Spider-Man 3: The Game
Die freundliche Spinne von nebenan
Ich hatte mal zwei Kollegen, deren Büro glich einem Showroom für Superhelden-Merchandising. Am feinen Spalt zwischen den Tischen, quasi der Grenzlinie, standen sich Actionfiguren gegenüber: Batman gegen Spider-Man. Zugegeben, ich weiß nicht, ob beide überhaupt dem gleichen Comic-Universum entspringen. Und selbst wenn ich es jetzt nachschauen würde, hätte ich es ziemlich sicher in drei Wochen wieder vergessen. Die Kollegen konnten sich aber stundenlang darüber ereifern, wer von beiden cooler ist. Dabei wurde mit allerlei Devotionalien gewedelt. Von spektakulär (Batman-Gürtelschnalle, die zugegebenermaßen wirklich gut aussah) bis gewöhnlich (Spider-Man-Tassen). Einen Gewinner gab es aber nie, sondern sie vertieften sich mit einem simultanen „Du hast doch keine Ahnung“ wieder in ihre Arbeit.
Solche Fans sind in Deutschland eher die Seltenheit. Während gerade das englisch-sprachige Ausland in Hysterie verfällt, wenn auch nur das Gerücht über einen neuen Superhelden-Film im Umlauf ist, hält sich die Euphorie hierzulande in Grenzen. Zugegeben, die ersten beiden Spider-Man-Streifen waren sehr erfolgreich. Aber ob die Einspielergebnisse auch ohne die Kitsch-Romantik zwischen Tobey Maguire und Kirsten Dunst erreicht worden wären, wird von vielen bezweifelt.
Am 1. Mai kommt jetzt der dritte Kinofilm in die Lichtspielhäuser und nur zwei Tage später fackelt Activision das volle Lizenz-Programm ab: PC, PS2, PS3, PSP, DS, GBA, Wii, 360. Wer Spider-Man will, soll ihn auch bekommen.
Im Rahmen einer Premieren-Veranstaltung im Müchener Mathäser-Kino präsentierte Blake Hennon, Producer bei Activision USA, ca. 100 geladenen Gästen die 360-Version. Auf der PS3 soll das Spiel natürlich genauso aussehen, aber den Sixaxis-Controller nutzen. Über das „Wie“ schwieg er sich jedoch noch aus aus.
Blake erklärte kurz die Hintergründe und die prinzipielle Spielweise: Wie schon der zweite Teil, so fühlt sich auch der dritte ein wenig an wie GTA an Spinnenfäden. Will heißen, die New Yorker Innenstadt ist in Sektoren eingeteilt, in denen Aufträge bzw. Bösewichte erledigt werden müssen. Dabei ist man ziemlich frei in der Entscheidung, was man als nächstes tun möchte. Man kann zum Beispiel eine der zehn Storylines verfolgen, die ulimativ zu diversen Boss-Gegnern führen. Das Spiel ist dabei nicht auf diejenigen limitiert, die auch im Film ihr Unwesen treiben – auch Gegenspieler wie Scorpion sind mit von der Partie.
Auf der anderen Seite lassen sich die drei bestimmenden Gangs auf’s Korn nehmen: Die Apocalypse Punks, die Dragon Tail oder die Arsenic Candy. Und ja, sie sehen so aus und verhalten sich auch so, wie die Namen vermuten lassen.
Erste Szene. Spider-Man steht auf einem Wolkenkratzer. Blake schaut nach links und nach rechts, die überraschend hohe Sichtweite erlaubt einen Blick über den Big Apple. Sehr nett. Dann schwenkt er die Kamera nach unten. Woah, alter Schwede. Ich weiß nicht, vielleicht hat das mit meiner Höhenangst zu tun, vielleicht auch damit, dass ich in der vierten Reihe des Saals saß – aber ich hatte ein flaues Gefühl im Magen. So ähnlich wie auf einem Fernsehturm. Wir haben hierzulande ja sonst kaum Gebäude dieser Dimension. Und dann ging’s plötzlich abwärts. Sekundenlang befindet sich Spidey im Sturzflug, Schweiß bildet sich auf meinen Handflächen (ich hab das auch bei Filmen) und kurz vor dem Aufprall, schleudert Blake ein Spinnennetz, schwingt über eine dicht befahrene Straße, noch ein Schwinger links, einer rechts – und landet mit einem Salto auf dem Boden. Ich hätte fast applaudiert – und da war ich vermutlich noch nicht einmal der einzige. Das war nicht nur atemberaubend, sondern schürte auch das Verlangen, eine „Wir wollen selbst spielen“-Revolte im Kino anzuzetteln.
Die nächste Situation bezeichnete Blake als wahres „Next-Gen“. Er schoss ein Spinnennetz auf einen Gegner, sprang auf eine Straßenlaterne und wieder herunter. Fragezeichen im Kino. Als er sich umdrehte hing der arme Tropf kopfüber und versuchte, sich frei zu zappeln. Blake verschoss noch ein Netz, sprang zur nächsten Laterne. Der Bösewicht schwebte mitten über der Straße, quasi als menschliche Pinata. Wenn man jetzt einige Zeit wartet, so wurde uns später verraten, kommt die NYPD und nimmt den Übeltäter fest. Natürlich ist es unwahrscheinlich, dass man sich so durch das gesamte Spiel schlägt. Aber solche Möglichkeiten zur kreativen Ablenkung sind immer stets willkommen.
Für gewöhnlich kämpft man gegen kleinere Gruppen von fünf bis sechs Gegnern, die man mit Faustschlägen und Kicks bearbeitet. Treyarch setzt auch hier auf Hochgeschwindigkeit, vermutlich um Spideys Überlegenheit auch visuell zu demonstrieren. Er ist gefühlt gut drei bis vier Mal so schnell wie seine menschlichen Widersacher. Aber dies geht zum Teil zu Lasten der Animationen, die noch ein wenig zu abgehackt wirken. Vielleicht fällt das weniger auf, wenn man selbst spielt – als Beobachter bleibt einem das aber leider kaum verborgen.
Die Straßen von New York sehen durchweg lebendig aus. Es lümmelt also nicht nur mal hier und da ein Passant herum, sondern es herrscht geschäftiges Treiben, Autos fahren bzw. rollen mit dem dichten Verkehr. Sehr authentisch und stimmungsvoll. Allein deshalb wird das Feature der „Spider Senses“ notwendig. Spidey kann damit Freund von Feind unterscheiden und auch Gegner hinter Mauern und sonstigen Sichtbarrieren wahrnehmen.
Peter Parkers dunkle Seite, die Blake als „Black Suit Spider-Man“ bezeichnet, darf natürlich auch gespielt werden. Sie ist wesentlicher Bestandteil des dritten Kinofilms. Im Spiel verfügt man in seiner Gestalt über aggressivere Moves. Und man kann mit einem Special sogar alle herumstehenden Widersacher mit einen Schlag ausknocken.
Ein echtes Highlight gab es zum Schluss der gut 20-minütigen Präsentation: Die „Move Events“. Wie bei Shenmue oder Resident Evil 4 laufen Zwischensequenzen interaktiv ab, indem zum richtigen Zeitpunkt die richtige Taste gedrückt wird. Ich muss zugeben, bei der ersten Szene, die gezeigt wurde, war mir das viel zu Dragon’s Lair-ish. Spider-Man kämpfte mit dem Goblin auf seinem fliegenden Untersatz. Trotz oder gerade aufgrund der furiosen Kamerafahrten hätte ich mir die Auseinandersetzung lieber ohne Einblendung von Joypad-Kommandos angesehen. Um ganz ehrlich zu sein, dachte ich mir: Was für ein Schmarrn. Doch das änderte sich als Blake zum nächsten Boss-Gegner sprang: Der Sandman. Dieses Aufeinandertreffen spielte im New Yorker Subway. Und die „Events“ ergänzten diesmal den normalen Kampf. So konnte Spidey den Sandman in eine fahrende U-Bahn drücken oder seine Spinnennetze so anbringen, dass er selbst zum lebenden Geschoss wurde. Da war zum Abschluss noch einmal ordentlich Pfeffer drin.
Spider-Man 3 kann alle Erwartungen erfüllen, wenn nicht gar übertreffen. Sei es, wie elegant man sich an Spinnenfäden durch New York schwingen oder seine Widersacher mit kreativen Gemeinheiten außer Gefecht setzen kann. Es ist der Abwechslungsreichtum, der Spider-Man 3 zu einem Superhelden-Erlebnis erster Güte werden lässt. Dazu gehört auch, dass Treyarch auf die Resonanz der Spieler gehört hat und die albernen Pizzadienst-Aufträge des Vorgängers nun der Vergangenheit angehören. In Spider-Man 3 wird gehauen, getreten, mit High-Speed an Wänden entlang gelaufen und in epischen Auseinandersetzungen gegen die Erzfeinde gekämpft. Genauso hatte ich mir das immer vorgestellt.
Spidey in Bewegung seht Ihr im Trailer und in einem Subway-Video.