Spiele mit weiblichen Hauptcharakteren haben wegen mangelnder Unterstützung durch Publisher wenig Erfolg
'In der Industrie herrscht der Eindruck, dass Spiele mit weiblichen Heldinnen sich nicht gut verkaufen.'
Spiele mit weiblichen Hauptcharakteren haben meist wenig Erfolg, weil sie von den Publishern nicht ausreichend unterstützt werden und weil man in der Industrie glaubt, dass sich entsprechende Titel nicht gut verkaufen.
So heißt es zumindest im aktuellen Penny Arcade Report, in dem man dieses Thema auch anhand von Daten des amerikanischen Marktforschungsinstituts Electronic Entertainment Design and Research (EEDAR) untersucht.
„Was wir herausgefunden haben, ist, dass fast keine Spiele mit ausschließlich weiblichen Heldinnen existieren“, heißt es. „Und diejenigen, bei denen das der Fall ist, werden nahezu immer aufgrund von begrenzten Marketingbudgets in den sicheren Tod geschickt.“
„Wir haben uns viele Genres angeschaut, aber nicht viele Genres machen es so offensichtlich, welchen Protagonisten man spielt. In einem Rennspiel kann man üblicherweise nicht das Geschlecht erkennen, weil man das Fahrzeug spielt. Wir haben uns mit unseren Daten also auf Actionspiele, Shooter und RPGs beschränkt“, sagt Geoffrey Zatkin, Chief Operating Officer von EEDAR.
Als Grundlage dienten Daten von vor rund einem Jahr mit 669 Spielen aus den betreffenden Genres. Von diesen 669 Titeln hatten gerade mal 24 Stück eine ausschließlich weibliche Heldin. Im Action-Bereich gab es die meisten, bei den Shootern weniger und bei den Rollenspielen nur eines mit einem ausschließlich weiblichen Protagonisten. In etwas unter 300 Spielen hatte man zumindest optional die Möglichkeit, einen weiblichen Charakter zu wählen oder zu erstellen.
Was die Verkaufszahlen betrifft, verkauften sich in den ersten drei Monaten nach Release Spiele mit einem männlichen Helden rund 25 Prozent besser als Spiele mit einer optional weiblichen Heldin. Spiele mit ausschließlich männlichen Protagonisten wanderten gar 75 Prozent öfter über die Ladentheke als Spiele, in denen man nur eine Frau spielen kann.
Wenn man sich dieses Ergebnis anschaue, erkläre sich auch die Denkweise hinter solchen Entscheidungen. Spiele, in denen man die Wahl des Geschlechts hat, würden zwar durchschnittlich etwas besser bewertet als Titel mit lediglich männlichen Helden, aber die bestverkauften Spiele verfügen praktisch alle über einen männlichen Protagonisten.
„Wenn man ein Spiel mit großem Budget finanziert und diese Zahlen sieht, erkennt man, dass man Umsätze verliert, wenn man die Möglichkeit bietet, einen weiblichen Protagonisten zu wählen. Und man hat deutliche Umsatzrückgänge, wenn man ein Spiel mit einem weiblichen Charakter veröffentlicht“, heißt es in dem Bericht weiter.
Einen Teil dazu trage sicherlich auch das Marketing bei, durch das man durchaus schon mal eher negative Tests ausgleichen könne. Aber auch hier wieder ein Nachteil: „Im Vergleich zu einem Spiel mit einem männlichen Helden bekommen Spiele mit ausschließlich weiblichen Heldinnen nur die Hälfte des Marketingbudgets.“ Dementsprechend würde sich das auch auf die Verkaufszahlen auswirken.
„Ich denke, es könnte daran liegen, dass man diese Spiele in manchen Fällen - obwohl das jetzt nur eine Vermutung ist - als Nischenprodukt betrachtet. Und in Werbung für Nischenspiele wird weniger investiert“, so Zatkin.
Gleichzeitig sei es aber auch schwierig, wirklich konkrete Schlüsse zu ziehen, da es so wenig Spiele mit einer weiblichen Protagonistin gebe, die zugleich ein großes Budget hatten und stark beworben wurden.
„Nach wir vor haben wir nur 24 Spiele in dieser Gruppe. Wir können sagen, dass fast niemand Spiele mit nur einem weiblichen Hauptcharakter macht. Sie sind selten zu finden. Es passiert einfach nicht so oft. Daher ist es auch bemerkenswert, wenn das der Fall ist. Es wird hervorgehoben, von Testern und der Presse erwähnt - und das bewusst.“
„In der Industrie herrscht der Eindruck, dass Spiele mit weiblichen Heldinnen sich nicht gut verkaufen“, so der Bericht.
„Ich denke, im Allgemeinen glaubt man beim Marketing, dass es schwierig ist, einen Titel für den Massenmarkt zu verkaufen, wenn der Hauptcharakter eine Frau ist“, so Zatkin. „Mit dem Mobile- und Social-Markt könnte sich das ändern, indem man die Zielgruppe erweitert. Aber wenn es um den Core-Markt geht, herrscht nun mal der Eindruck, dass es schwierig ist, ein Spiel mit einer weiblichen Heldin in einem Core-Genre zu verkaufen.“
Im Jahr 2010 gab es übrigens bereits in dieser Richtung Vorwürfe gegen Publisher Activision, der ein Spiel von Treyarch eingestellt haben soll, weil man der Ansicht war, mit einem weiblichen Hauptcharakter würde es sich nicht verkaufen.
Das bestritt man aber damals: "Das Unternehmen schreibt seinen Studios nicht vor, welche Spielinhalte sie entwickeln können. Ebenso hat das Unternehmen keinem seiner Studios vorgeschrieben, dass sie keine Spiele mit weiblichen Charakteren entwickeln können."
Bei dem Spiel handelte es sich demnach um einen Titel namens Black Lotus, in dem man eine an Lucy Lius Rollen in den Filmen Drei Engel für Charlie und Kill Bill erinnernde Attentäterin spielen sollte.
"Wir allen waren sehr stolz auf das, was wir erreichen wollten und das Team war begeistert. Wir machten großartige Fortschritte", hieß es.