Splinter Cell: Blacklist folgt alten Multiplayer-Tugenden
Söldner und Spione kloppen sich im Mehrspielermodus, Koop-Missionen lockern die Story auf und Creative Director Maxime Beland macht Sam Fisher zum Teamplayer.
Der Strahl meiner Taschenlampe huscht an der Decke entlang, beleuchtet Mauervorsprünge, Lüftungsschächte, Rohre ... nichts. Keine Spur vom Feind. Oder? "Hinter Dir!" höre ich den Kollegen noch, da liegt mein Söldner schon mit durchtrennter Kehle am Boden. Mein Teamkamerad feuert sein Magazin leer, doch der Spion entkommt in einer Rauchwolke, zieht sich an einem Geländer nach oben und verschwindet im Schatten. Ich beobachte alles mit den Überwachungskameras, während ich auf meinen Respawn warte. Da: Eine Detonation. Einer unserer Gegenspieler ist in die Mine getreten, die ich zuvor neben einem Computerterminal platziert hatte. Hat wohl beim Hacken nicht aufgepasst. Sein Pech: wäre ich schon wieder im Spiel gewesen, wären die Sprengfallen verschwunden und ich hätte neue auslegen müssen. So konnte ich den letzten Schritt meines Widersachers live verfolgen. War der gleiche Typ, der mich eben hinterrücks niedergestochen hatte. Die Retourkutsche gibt Extrapunkte.
"Spies vs. Mercs" macht mit den richtigen Leuten unheimlich viel Spaß. Soviel steht nach den ausgiebigen Mehrspieler-Sessions in Splinter Cell: Blacklist fest, zu denen Ubisoft uns Pressevertreter nach Toronto eingeladen hatte. Gespielt wurde auf PCs mit angeschlossenem Gamepad. Dementsprechend gut sah der Titel aus und glänzte durch flüssige Frameraten (Screenshots durften wir leider keine machen - die Bilder hier stammen von Ubisoft). Wie es performance- und grafiktechnisch um die Konsolenfassungen steht, konnte ich nicht beurteilen. Neben den Koop-Missionen im Duo standen schnelle Gefechte zwischen Spionen und Söldnern auf dem Programm. Nach 'Conviction' haben sich die Macher nämlich wieder auf alte Mehrspieler-Tugenden besonnen: Ähnlich wie in den Vorgängern Pandora Tomorrow, Chaos Theory oder Double Agent müssen "Mercs" (in Egoperspektive) drei Computerterminals gegen die Hackversuche der "Spies" (in Schulterperspektive) verteidigen.
"Spies vs. Mercs" macht unheimlich viel Spaß. Soviel steht nach den ausgiebigen Mehrspieler-Sessions fest, zu denen Ubisoft uns Pressevertreter eingeladen hatte.
Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel erster Güte, bei dem das Adrenalinbrünnlein auf beiden Seiten munter sprudelt. Sobald ein Spion den Hack beginnt (nur ein Terminal zur gleichen Zeit), schrillen alle Alarmglocken los, die Söldner rennen zum Ort des Geschehens und versuchen den Feind zu finden. Erst wenn der Hacker erledigt ist, wird der (langsame) Prozess der Terminal-Übernahme gestoppt. In der Zwischenzeit haben die anderen Spione alle Hände voll zu tun, ihrem Kollegen die Soldaten vom Hals zu halten - gar nicht so einfach, angesichts der überlegenen Feuerkraft der Gegenseite. Da hilft nur hinterhältiges Anschleichen, Zuschlagen und Abhauen. Ist die Runde nach einer vorgegebenen Zeit rum, werden die Seiten gewechselt. Wer mehr Ziele (oder gar alle drei) in kürzerer Zeit hackt, hat gewonnen. Das haben die beiden Mehrspieler-Modi gemeinsam: Classic und - nagelneu - Blacklist.
Klassisch oder anpassungsfreudig
Der Unterschied liegt in der Spielerzahl und den Anpassungsoptionen. In "Classic" stehen zwei Spione zwei Söldnern gegenüber. Beide Seiten gehen mit fixer Ausrüstung an den Start. Die Hacker tragen Bögen mit Elektro-Tasern und diverse Schleich-Gadgets, verlassen sich auf ihre Agilität und schnelle Nahkampf-Takedowns per Kampfmesser. Die Mercs ballern hingegen mit schwerem Geschütz, tragen Körperpanzer, nutzen ein Aliens-artiges Bewegungsradar und fuchteln mit Taschenlampen herum, dank derer sie die Spione im Schatten aufspüren können. Ansonsten sind die Geheimagenten nämlich völlig unsichtbar im Dunkeln. Der Hintergrund dieser "perfekten" Tarnung ist laut Ubisofts Producer Sébastien Ebacher übrigens, dass die Spieler einfach nur die Bildschirmhelligkeit nach oben gestellt hätten, um Feinde auch in finsteren Ecken zu erspähen. Leuchtet ein. Buchstäblich.
Die Hacker tragen Bögen mit Elektro-Tasern und diverse Schleich-Gadgets, verlassen sich auf ihre Agilität und schnelle Nahkampf-Takedowns per Kampfmesser.
"Blacklist" baut auf diesem asymmetrischen Konzept auf, wurde jedoch erweitert. Hier treten vier Spieler pro Team gegeneinander an und ihr dürft eure Ausrüstung selbst zusammenstellen, sofern ihr zuvor genügend In-Game-Währung verdient habt. Das schließt tödliche Waffen für Spione mit ein.
Damit Neulinge gegenüber Veteranen nicht im Regen stehen, haben sich die Entwickler pro Seite drei vorgefertigte Klassen mit unterschiedlichen Spezialmanövern ausgedacht. Spione gibt es als 'Intel Scout' (spürt alle Feinde in der näheren Umgebung auf), 'Predator' (Tarnanzug für völlige Unsichtbarkeit) und als 'Saboteur' (stört per EMP die HUDs und technischen Gadgets der Mercs). Die Söldner gibt es in den Geschmacksrichtungen 'Disruptor' (deaktiviert die Ausrüstung der Gegenseite), 'Peacemaker' (Adrenalinboost macht schnell und langlebig), sowie 'Hunter' (steuert eine fliegende Kameradrone mit Sprengstoff an Bord). Später bastelt ihr euch euren eigenen Superkrieger mit diversen Granaten, Sichtmodi, Gadgets, Klamotten (Boni) und anpassbaren Waffen zusammen. Für die individuelle Note färbt ihr die Klamotten mit einer kleinen Auswahl von Tarnmustern.
Wie gesagt: mit den richtigen Leuten ist der Mehrspielermodus ne Mords-Gaudi. Man ruft sich übers Headset Warnungen zu, koordiniert den Einsatz von Minen, Fähigkeiten und Gadgets, gibt sich als Söldner Feuerschutz oder lockt als Spion die Wachen vom aktuell hackenden Kollegen weg. Bei einem eingespielten Team und guter Kommunikation verfliegen die Stunden wie nix. Aber kann das auch im Matchmaking-Alltag funktionieren, in dem man mit Fremden in eine Partie geworfen wird?
Wer reden kann, ist klar im Vorteil
Sébastien Ebacher ist da zuversichtlich: "Ich glaube, dass die Leute am Ende immer die beste Strategie finden, um zu gewinnen - und Kommunikation ist die beste Strategie. Darum auch die Idee mit den Überwachungskameras. Zunächst hatten wir nur eine einzige - quasi als Platzhalter für die Zeit zwischen den Respawns. Unsere Tester nutzten das aus und gaben als Söldner einander Tipps. Ein paar Spieler hielten es für einen Cheat und waren unsicher. Aber wir sahen, dass es eine zusätzlichen Spaß bringt, weil es die Kommunikation belohnt und auf beiden Seiten ein strategisches Element bietet - Spione können die Kameras nämlich abschießen. Also blieb es drin und wir bauten das Feature sogar aus. Jetzt kann man zwischen mehreren Kameras durchschalten."
Ob es noch andere Mehrspieler-Modi gibt, Was die weiteren Karten bereithalten, und wie es in Zukunft mit neuen Maps per DLC aussieht? Dazu sagten weder Ebacher noch Geoff Ellenor einen Piep.
Ob es noch andere Mehrspieler-Modi gibt, Was die weiteren Karten bereithalten (sechs sind es insgesamt, drei durften wir testen), und wie es in Zukunft mit neuen Maps per DLC aussieht? Dazu sagten weder Ebacher noch Geoff Ellenor (Level-Designer) einen Piep. Auch als ich zufällig im Einstellungsmenü für die Matches lande und dort die ausgegraute Option "Pandora Gameplay" erspähe (Zitat: "Einstellungen für ein klassisches Feeling"), bleiben die Lippen der Entwickler versiegelt. Jedenfalls kann man in den Match-Einstellungen neben der Karte und der Rundendauer auch Nettigkeiten wie Friendly Fire aktivieren oder eine Reihenfolge zum Hacken der Terminals vorgeben.
Der Koop-Modus ist ein ganz anderes Biest. Zu zweit kämpft ihr euch als Sam Fisher mit einem weiteren Teammitglied durch eigens dafür geschriebene Missionen, helft einander an vorgegebenen Stellen durch Räuberleitern, schaltet Feinde mit Nahkampf-Kombos aus oder stemmt gemeinsam Türen auf. Schleichen ist im Koop absolute Pflicht - in manchen Einsätzen muss das Team sogar neu am letzten Checkpoint starten, wenn einer von beiden entdeckt wird. Obwohl man einige dieser Missionen auch alleine schaffen soll, ist es ziemlich praktisch, im Team unterwegs zu sein. Da schaltet ein Agent Wachhunde aus, während sich der andere um ein paar Sniper kümmert, oder man schließt Laser-Anlagen kurz, damit der Kollege durch einen Tunnel kommt. Sinnig ist auch Ziele zu markieren, die der Kamerad dann per Exekutionsmanöver in einem Rutsch ausschaltet.
Vom Einzelspielermodus bekamen wir nur wenig zu Gesicht. Koop-Missionen beginnen am zentralen Missionsterminal in der fliegenden Einsatzzentrale von 4th Echelon, gefolgt von einer Zwischensequenz mit dem jeweiligen Teammitglied. So wechselten wir ein paar Worte mit Grünschnabel Briggs oder der altbekannten Anna Grimsdottir. Mehr von Sams Team war nicht zu sehen.
Wozu braucht Sam Fisher ein Team?
Ein kurzer Plausch mit Ubisofts Creative Director Maxime Beland war gegen Ende der Veranstaltung noch drin. Von ihm wollte ich wissen, wie er zu der Aussage von Ubisoft-Toronto-Chefin Jade Raymond steht, die im Interview mit den Kollegen von Eurogamer.net sagte, dass Splinter Cell in den letzten Jahren wegen seiner Komplexität und des hohen Schwierigkeitsgrads ins Hintertreffen geraten sei, dass man mit Blacklist mehr Lösungsansätze für die Missionen bieten wolle, und das Gameplay durch Automatisierung bestimmter Abläufe zugänglicher gemacht habe.
Beland möchte sich nicht direkt zu Jades Zitat äußern, erinnert aber - wie die Chefin - an die vier Schwierigkeitsgrade von Blacklist. Mit "Perfectionist" würden alle Hilfen abgeschaltet, die Gegner extrem stark und somit Schleichen und genaue Planung zur einzigen Option. Die Automatisierung von Aktionen sei hingegen nur logisch, findet der Entwickler: "Wir wollen, dass sich der Spieler wie Sam Fisher fühlt und Spaß hat. Sam ist der beste Agent der Welt - da sollten auch seine Bewegungen routiniert und flüssig ablaufen, ohne dass man ständig hängen bleibt. Das erreichen wir durch die intuitive Steuerung. Wir automatisieren also nicht, wir machen die Dinge nur so einfach, wie sie für einen Sam Fisher wären. Der muss nicht nachdenken, wenn er sprintet, über ein Hindernis springt und einen Feind im Nahkampf ausschaltet, genauso wenig wie ich, wenn ich durch eine Tür gehe, ohne gegen den Rahmen zu laufen - was übrigens in einem Spiel ebenfalls nur durch Designtricks wie unsichtbare Schrägen möglich ist. Diese Dinge natürlich wirken zu lassen, ist Magie hinter den Kulissen."
Wird es für den Superagent nicht zur Bürde, sich mit Gefährten herumschlagen zu müssen? In der Einzelspielerkampagne ist Sam Fisher schließlich jetzt Teamführer und Ausbilder in Personalunion - ein harter Schnitt für die schleichende Ein-Mann-Armee. Maxim Beland sieht in der Gruppendynamik hingegen ein Instrument, um spannende Geschichten zu erzählen: "Anfangs sind die Mitglieder von 4th Echelon kein Team. Es sind drei Typen und eine Frau (Grimsdottir, Anm. d. Red.). Wie die Gruppe im Verlauf der Handlung zusammenwächst - das wird ein wichtiger Teil der Story von Blacklist."
Besonders gefalle Beland außerdem die fliegende Einsatzzentrale "Paladin" (erinnert an die "Normandy" aus Mass Effect), in der man frei herumlaufen darf und an deren Missionsterminal Einzel- und Mehrspielermodus flüssig ineinander übergehen. "Sam kommt vom Kampagnen-Einsatz zurück, startet eine Koop-Mission mit Briggs, danach gibt es eine Runde Spies vs. Mercs, und so weiter. Man bleibt stets im Flow." Das sei der richtige Weg für die Reihe - und auch vergleichbare Titel: Statt drei separater Spielbestandteile, die einander nicht beeinflussen, greife in Blacklist alles ineinander. "Ich würde vor der Kampagne darum ausgiebig den Mehrspielermodus nutzen, um Geld für die Ausrüstung des Einzel- und Koop-Modus zu verdienen", rät Beland. Das sei kein Muss, mache die Einsätze aber leichter. Mich erinnert das an die Nebenmissionen in Conviction, nur dass man diese jetzt aus dem Spiel heraus startet. Wie es in der Praxis aussieht, erfahren wir am 20. August, wenn Splinter Cell: Blacklist planmäßig erscheinen soll.