Spore
Schön vs. Schade
Und dass Spore recht unfair, fast schon bissig sein kann, zeigt sich bei der Wanderung gen Landesmitte ebenfalls. Es mag zwar zunächst ungemein spannend sein, hinter jedem Hügel, zwischen jedem Grasbüschel Gefahr zu laufen, zum schnellen Happen einer stärkeren Gattung zu werden. Da Spore allerdings keinerlei Kollisionsabfrage an den Tag legt und Blätter- und Buschwerk jegliche Form von Transparenz vermissen lassen, ist ein tödliches Zusammentreffen in den bewaldeten Gebieten beinahe so etwas wie ein Regelfall und die Flucht vor dem Ableben mehr ein Ausdauer- und Glücksspurt als ein taktisches Ausweich-Manöver. Was, zu allem Überfluss, noch durch eine ungemein gewöhnungsbedürftige Kamera erschwert wird. Freies Drehen und Schwenken ist erlaubt, die Handhabung dafür mitunter störrisch und in einigen Situationen sehr hinderlich.
Irgendwann ist dann auch diese Etappe beendet und die dritte, die mit einem gänzlich neuen Ansatz aufwartet, öffnet seine Pforten – die Stammesphase. Das Leben in einer Herde weicht dem in einem Stamm, der Fokus auf ein Individuum mit Anhang verschiebt sich auf den Umgang mit einem Dutzend Mannen und die Third- oder First-Person-Ansicht wechselt in die Draufsicht des Strategie-Genres. Und Strategie, beziehungsweise (Aufbau)-Strategie Super-Ultra-Light Extreme, ist der Pfad, den man in diesem Abschnitt beschreitet und der, verglichen mit dem Gebotenen der vorherigen Phasen, so viel Spaß bringt wie gegen sich selber Fussball zu spielen.
Denn anstatt die Entfaltungsmöglichkeiten weiter voranzutreiben, sie richtig auszureizen, begeht Spore den Fehler, stur auf der Stelle zu verweilen und in mancher Hinsicht einige Schritte zurück zu gehen. Zu einem Gameplay, das einen mehr begrenzt als es Freiheiten gewährt.
Man kann Nahrung sammeln. Fisch und Fleisch. Man kann seine bislang liebevoll gehegten Figuren durch unpassende Kleidung und Accessoires wie Röckchen, Masken und Goldringe verunstalten, die, ähnlich den Körperteilen im Kreaturen-Teil, einen bestimmten Bonus bieten. Etwa Sozial, Kampf, Sammeln. Und man kann sein Mini-Dorf durch eine enttäuschend kleine Palette bereits vorhandener und neu zu ergatternder Gebäude aufwerten. Ein Ausbildungsstätte für Angler hier, eine für Hornbläser dort. Den Hütten einen eigenen Anstrich verpassen, der Kreatur noch ein neues Auge, Bein oder Ohr anzueignen, ist verpönt. Ebenso, sich selbst den Ort für die Platzierung der Bauten auszusuchen. Vorgegebenen Stellen a la Herr der Ringe: Die Schlacht um Mittelerde sei Dank.
Das Ziel dieser Phase: Die alleinige Herrschaft über alle Stämme. Die Werkzeuge, die einem Will und sein Team dafür in die Hand drücken: Wie gehabt. Krieg, Bündnisse, Mixtur aus beidem. Die Option Krieg ist hierbei so simpel und idiotensicher geraten, dass ein Versagen nur dann in Kraft tritt, wenn man sich beide Augen verbindet und die Hände auf den Rücken schnallt. Mittels Rush-Technik überfällt man schnellstmöglich Stamm Orange, Blau, Gelb – oder welche Farbe der Stamm im Namen tragen mag –, setzt alle Gegner schachmatt und reißt anschließend die Häuptlingshütte ein. Neues Werkzeug freigeschaltet, weiter mit der Methode. Große Gegenwehr muss man kaum befürchten, da die Gegner-KI weder im leichten, mittleren noch schweren Schwierigkeitsgrad ein Recht darauf hat, diesen Namen zu tragen. Etwas mehr Anspruch und weniger Liebe für die Casual'isten hätte es schon sein dürfen.
Die friedliche Variante ist ansprechender, setzt einen Hauch mehr Arbeit und Management voraus und präsentiert sich obendrein noch ungemein humorvoll. Erst lockert man die getrübte Miene des Stammes mit einem fleischigen Geschenk auf, dann zückt man die vorhandenen Instrumente und schmeißt eine Party. Der Trick ist getreu der Anfreunden-Technik aus Phase 2: Man bedient stets das Instrument – Maracas, Holzhörner, Didgeridoos –, das die zu beeindruckenden Figuren auf einem Schild hoch halten. Wenn machbar, sogar die genaue Anzahl, um das Bündnis schneller zum Erblühen zu bringen.
Sprich: Drei Maracas werden angezeigt, drei Untergebene zücken die Rasseln. Fünf Holzhörner werden erbeten, fünf Untertanen pusten los. Freunde fürs Leben. Die Hütten-Palette schaltet ein weiteres Gebäude von insgesamt neun frei. Sind alle Stämme vereinnahmt beziehungsweise vom Erdboden getilgt, steht die nächste Etappe auf dem Programm.
Phase 4, die Zivilisationsphase, richtet sich in den Anfängen sehr stark nach dem Verhaltensmuster, mit dem man aus der letzten Stufe hervorging. Mauserte man sich zu einem „friedlichen“ Stamm, darf man die anderen Städte mit religiösen Reden bekehren. War man „arbeitsam“ eingestellt, – die Mischform aus gut und böse –, sind es Handelsrouten und Städtekauf, die den Weg zum Ziel ebnen. Als „aggressives“ Völkchen bleibt der militärische Zweig übrig, der einen mit Düsenjets versorgt und die „alles drauf und gut“-Methode an die Hand gibt.