Spore
Schön vs. Schade
Dann trifft man auf die ersten Kolonien, die ebenfalls über die Raumfahrt-Technologie verfügen und das Chaos bricht richtig los. Handeln, Aufgaben bewältigen, diplomatische Akte vollziehen. Das Questlog füllt sich, farbige Linien erscheinen überall auf der Weltkarte, die Übersicht geht flöten. Man erhält Plaketten und Erweiterungen für das Raumschiff, verfügt über größeren Lagerraum, besseren Antrieb, steigt vom Kapitän zum Admiral auf. Mehr und mehr Anzeichen für eine ominöse Alien-Rasse kommen in Greifweite, ebenso Terraforming-Werkzeuge, um unfruchtbare Planeten zu kolonisieren. Meteroitenhagel, um eisige Temperaturen weichen zu lassen. Frostige Winde, damit die heiße Steppe nicht der Kolonie die Füße verbrennt. Eine Sauerstoffmaschine hier, ein Atmosphären-Generator dort. Massenhaft Zeugs, massenhaft zu tun. Eine überwältigende Palette.
Und je mehr die Gegebenheiten auf einen einprasseln, je mehr man sich damit beschäftigt, immer weiter in die Mitte des Universums vorzudringen, umso mehr merkt man, dass trotz der schieren Fülle gehörig Potential verschenkt wurde. Denn auch wenn alles so unglaublich riesig und endlos erscheint, die Aufgabenstellungen und Handlungsmöglichkeiten in der ersten Hälfte sehr motivierend sind, leiden sie im späteren Verlauf an der selben repetitiven Krankheit, die sich durch das ganze Spiel zieht. „Vernichte X kranke Kreaturen auf Planet XYZ“, „Beschaffe Y Artefakte und befördere sie zu Planet F“, „Entführe diese und jene Kreatur“, „Bringe uns L Proben von Planet I“. In größerem Umfang, in einer Tour, ohne Unterlass.
Hinzu kommt, dass man irgendwann in einem hektischen Strudel aus „einem Bündnis-Partner aus der Patsche helfen“, „Angriffe von Piraten auf die eigenen Planeten abwehren“ und „Planeten kolonisieren“ gefangen ist. Fast im Minutentakt klingelt ein Verbündeter an, weil ihn ein anderer mit Waffengewalt bedrängt oder überfällt. Fast im Minutentakt wollen sich fiese Alien-Piraten die kostbaren Gewürz-Vorkommen unter den Nagel reißen, die die eigenen Kolonien überall verstreut abbauen. Und fast im Minutentakt bereut man eine Entscheidung, die man an anderer Stelle getroffen hat, weil sie jetzt das Voranschreiten gehörig kompliziert.
Stattete man anfangs sein Raumschiff mit zu vielen teueren Erweiterungen aus, reicht das vorhandene Geld plötzlich nicht mehr, um eine angebotene Galaxie zu kaufen. Das verbrüderte Reich zeigt nur für eine Weile Geduld, dann ist die Freundschaft wieder auf dem Nullpunkt angelangt und man muss abermals zig Aufträge ausführen. Oder man hat jemanden verärgert, verliert seinen Planeten während des Kampfes und kann ihn selbst mit den Schiffen seiner Bündnispartner nicht zurück erlangen. Das System hinter dem Hauptquest interessiert sich nicht für dieses Problem und fordert weiterhin, dass man auf exakt diesem Planeten sein Terraforming betreibt.
Kurzum: In dieser Phase geben sich Sammelfreude, Erkundungsdrang und der Spaß am Gestalten stetig die Klinke mit vielen kleinen und großen Motivationskillern in die Hand. Erst ist man stolz, dass man einen neuen Erfolg freigeschaltet hat, eine neue Kolonie das Licht des Lebens erblickt oder eine Handelsroute zustande kam. Im nächsten Augenblick ärgert man sich während einer Schiffsschlacht über das umständliche Erfassungssystem, das einen dazu nötigt, mit viel Links- (Bewegung) und Rechtsgeklicke (Schießen) seine Kontrahenten vom Erdball zu pusten. Hier macht es Freude, mehr und mehr Artefakte aufzustöbern oder nur noch wenige Planeten von der Mitte des Universums entfernt zu sein. An anderer Stelle versteht man die Welt nicht mehr, weil man trotz aller Mühe, mit jedem lieb und nett umzugehen, kurzerhand wieder in einem Krieg landet.
Auf und ab, von umständlich bis übersimpel, zwischen leuchtenden Augen und verärgerten Mienen, in einem Wechsel von unglaublich faszinierend und mittelmäßig – das ist Spore.
Und das ist auch das große Problem. So fidel Spore durch die Genres wechselt, so unbeständig ist die qualitative Linie, die es fährt. Es macht Spaß, es langweilt. Es zaubert einem ein Lächeln ins Gesicht, es verdüstert das Anlitz durch dunkle Wolken der Enttäuschung. Man weiß eigentlich nie so recht, was man empfinden soll, ob eine Phase nun brilliant oder vielleicht doch einen Tick zu seicht war. Für sich alleine genommen ist definitiv jeder Evolutionsabschnitt zu wenig, um einen satt zu machen. Als Ganzes bleibt die Frage bestehen, für wen Spore gedacht ist. Casual-Spieler? Sicherlich, aber selbige könnten sich in der letzten Phase gehörig überfordert fühlen. Hardcore-Gamer? Zum Teil, weil eben abseits der Weltraumepoche kaum bis gar keine Spieltiefe geboten wird und die Herausforderung sich bis dato doch sehr in Grenzen halten. Wiederspielwert? Das kommt auf die Motivation an. Was ist Spore also jetzt? Ein gutes, mittelmäßiges oder schlechtes Spiel? Ich würde sagen: Alles.
Bei einer Sache hat Maxis allerdings den richtigen Riecher offenbart: Bei der Sporepädie und dem Onlinebereich. Erfolge a la Xbox Live. Die Möglichkeit, die Planeten mit User-Content zu beleben. Die Kreationen anderer Spiele via Sporecasts abonnieren zu können, einfach einen Kommentar zu hinterlassen und zu sagen, „Hey, deine Kreatur ist echt super“, seine Sammlungen zu vervollständigen. Wenn es etwas an Spore gibt, das mich von der Zehenspitze bis zum Haarschopf hellauf begeistern konnte, dann das.
Spore ist bereits im Handel erhältlich. Die Systemanforderungen sind sehr moderat, es läuft selbst auf älteren Rechnern flüssig. Warnung am Rande: Es ist zuzüglich zur CD-Erkennung eine Online-Aktivierung von Nöten, die sich lediglich dreimal aktivieren lässt.