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Star Citizen: Chris Roberts' Kreuzzug gegen Konsolen

Der Wing-Commander-Schöpfer will PC-Spielen zu neuem Glanz verhelfen und dabei mitmachen sollt ihr auch noch.

Wir starten zu Fuß im Hangar eines riesigen Trägerschiffs. Auf den ersten Blick offenbart sich nichts, was man nicht schon anderswo gesehen hätte. Ich bin fast ein bisschen enttäuscht, nach den großen Visionen, die Roberts zuvor geschildert hat. Dann schaltet er aus der Ego- in die Verfolgerperspektive und zeigt den Piloten, dessen Anzug wirklich bis ins Detail ausgearbeitet wurde. Die verwendeten Materialien, Elemente wie Lichter, Schläuche und Nähte - alles wirkt sehr plastisch und definitiv auf hohem Niveau gerendert, obwohl das Gesicht noch etwas hölzern aussieht. Man merkt trotzdem sofort, dass hier eine potente Engine im Hintergrund ihren Dienst tut.

Als nächstes geht Roberts mit dem Piloten zu einem geparkten Raumjäger, besteigt die Leiter zum Cockpit und schwingt sich hinter den Steuerknüppel. Neben solchen Einsitzern werde es auch Schiffe für mehrere Spieler geben, erzählt er währenddessen. Diese wären dem Millenium Falcon aus Star Wars nicht unähnlich, bei dem ein Pilot von zwei Bordschützen unterstützt wird. Es gäbe auch weitaus größere Schiffe zu fliegen, mit zusätzlichen Jägern im Hangar, die bei Bedarf Geleitschutz geben können. Auf Planeten werde man zwar nicht herumlaufen, aber an Bord der großen Pötte sei genug Platz, um sich frei zu bewegen und miteinander zwischen den Einsätzen zu quatschen. Angesichts des Trägerschiffs kann ich mir das gut vorstellen. Das Teil ist über einen Kilometer lang.

Der Einstieg ins Cockpit wird wunderschön und bis ins kleinste Detail in der Ich-Perspektive animiert. Transparente Bildschirme schieben sich ins Sichtfeld, der Pilot bedient ein paar Schalter, greift zum Steuerknüppel und schließt das Dach. Nicht nur die Animationen beeindrucken bereits in dieser frühen Phase, auch der Detailgrad der Schiffsmodelle ist immens. Als sich die Schleuse des Trägerschiffs öffnet, kann man zum Beispiel sogar einzelne Zahnräder ausmachen. Man habe großen Wert auf Authentizität gelegt, betont Roberts. Dies sei etwas, das er aus seiner Zeit beim Film gelernt habe. Auf einer unterbewussten Ebene würden die Leute selbst die kleinsten Details bemerken, weshalb es sehr wichtig für die Immersion sei, auch bei scheinbaren Nebensächlichkeiten im Hintergrund präzise zu arbeiten.

Chris Roberts spricht über Star Citizen

Er beschleunigt den Jäger und Sekunden später lassen wir den Hangar hinter uns. Asteroiden fliegen vorbei. In ein paar hundert Metern Entfernung zum Trägerschiff schaltet Roberts auf die Außenansicht und demonstriert die Feinheiten des Schiffsmodells. Blau lodernde und in alle Richtungen schwenkende Steuer-Düsen, sprühende Funken beim Raketenstart, flirrende Abgase, unzählige Lichter und Reflexionen auf den metallischen Oberflächen, zig bewegliche Teile - vom Flügel bis zur Gattling-Gun. So ziemlich alles wird hier simuliert. Sogar der Pilot hinter der Scheibe bewegt sich entsprechend der Befehle, die man in die Tasten drückt. Das Gewicht eures Schiffes spielt beim Physikmodell durch die simulierte Trägheit ebenso eine Rolle wie eventuelle Schäden, die ihr unterwegs einstecken müsst. Jedes zusätzliche Teil kann eure Manövrierfähigkeit beeinträchtigen oder verbessern. Alles lässt sich nach euren Wünschen und finanziellen Möglichkeiten anpassen. Doch erlaubt nicht auch die Konkurrenz derart ausgefeilte Modifikationen an den Schiffen? Wie denkt Roberts eigentlich über EVE Online? Und was sagt er zu dem plötzlichen Ende von Black Prophecy?

"Black Prophecy war in Ordnung, aber es gab Mängel in den Details. Das plötzliche Aus fand ich schade. EVE ist hingegen eine völlig andere Art von Weltraum-Simulation als unser geplantes Spiel. In Star Citizen geht es actionreicher und direkter zu, wobei wir ebenfalls großen Wert auf ein rein von Spielern getragenes Wirtschaftssystem legen. So etwas wollte ich schon früher in Freelancer verwirklichen, zusätzlich zum MMO-Aspekt. Das habe ich damals schon in diversen Interviews erzählt. Auch deshalb wollte ich wieder Computerspiele machen - ich möchte diese Vision einer komplett freien Wirtschaft im Weltraum endlich umsetzen, auch wenn mir EVE mittlerweile zuvorgekommen ist."

"Dazu gehören für mich aber auch andere Aspekte, wie zum Beispiel Zölle und Steuern. In den sicheren Zonen von Star Citizen kostet der Handel zum Beispiel Abgaben, weil die Regierung darüber die Sicherheitskräfte bezahlt. Außerhalb dieser geschützten Zonen kann man zwar höhere Profite erzielen, wird aber auch schnell Opfer von Piraten. Solche Elemente wollen wir simulieren, weil es in unserer realen Welt nicht anders läuft."

Also eine freie Wirtschaft, die von den Spielern kontrolliert wird. So weit, so gut. Doch wie sieht es mit der Story aus? Wie viel Einfluss haben die Spieler auf die Geschichte und die persistente Welt insgesamt? Roberts wird ganz aufgeregt, als er die Frage beantwortet.

"Das ist ein weiterer Grund, aus dem ich eine Rückkehr in die Spieleindustrie gerade jetzt spannend finde. Früher haben wir die Spiele zwei Jahre entwickelt, brachten sie dann auf den Markt, die Leute haben sie gekauft, ein paar Wochen gespielt und wir begannen wieder von vorne. Heute ist das anders. Jetzt können wir konstant Inhalte erschaffen, direkt im Dialog mit der Community. Man fühlt sich dabei als Designer fast ein bisschen wie ein Dungeon Master oder ein Schauspieler beim Improvisationstheater. Während die Leute deine Story erleben, entwickelst du sie weiter. Das wird bei uns wie mit einer Fernsehserie laufen, bei der die Autoren jede Woche etwas Neues bringen und dabei auf das Feedback der Fans reagieren, indem sie die Geschichte in eine bestimmte Richtung ändern oder sogar Figuren streichen, die den Leuten nicht gefallen. Darum entwickeln wir die Geschichte nicht vorab, sondern während des laufenden Spiels. Wir wollen regelmäßig kleine Updates mit solchen Inhalten liefern."

"Außerdem sollen die Spieler auch direkten Einfluss auf die Gestalt des Universums haben. Zum Beispiel kann ein forschender Spieler per Scanner nach Sprungpunkten suchen, um neue Systeme aufzuspüren, die wir unangekündigt einbinden. Der erste Sprung durch so einen Punkt ist unglaublich gefährlich, als ob man als Surfer eine halsbrecherische Welle reitet. Doch wenn man den Sprung schafft, ohne zu sterben, zeichnet der Computer an Bord eures Schiffes die Route auf, die man dann für einiges Geld an die Konzerne im Spiel verkaufen kann. Zudem darf dieser Spieler dann dem System seinen Namen geben."

"Ein weiterer wichtiger Punkt ist für mich, dass wir sehr offen für Kreative sein wollen. Mich hat immer schon beeindruckt, wie selbst heute noch Spieler modifizierte Versionen von Freelancer und Wing Commander programmieren. Mit Star Citizen wollen wir den Spielern deshalb erlauben, ihre eigenen Server mit einer eingeschränkten Version des Spiels zu betreiben, die sie in jeglicher Hinsicht modifizieren dürfen. Die gleichen Werkzeuge kann man außerdem benutzen, um eigene Schiffe zu erschaffen und so weiter. Natürlich können wir die Spieler nicht einfach Inhalte in die persistente Welt werfen lassen, aber wir planen eine Art App Store, bei dem die Spieler uns eigene Inhalte schicken, die wir dann bewerten und online stellen, wenn sie entsprechende Qualität besitzen. Auf diese Weise sollen kreative Fans richtiges Geld verdienen können - wir wollen das ähnlich wie Apple mit ihren Apps machen."

Auch das klingt toll. Bleibt allerdings die Frage, wie Roberts seine vielversprechenden Visionen realisieren will? Der Urvater der Wing Commander-Reihe nickt. Ja, dazu habe er sich einige Gedanken gemacht. Wie sich zeigt, ist dieses Statement die Untertreibung des Jahrzehnts. Es gibt kaum ein Modell, das Roberts hier nicht heranzieht, um sein Traumprojekt zu verwirklichen.

Natürlich hätte er den traditionellen Weg über einen Publisher gehen können, diese aber seien im Moment viel zu sehr auf Konsolen und mobile Inhalte fixiert, konstatiert Roberts. Daher habe er die erste Entwicklungsphase mit ein paar Investoren selbst finanziert. Als nächstes werde er über Crowdfunding Geld sammeln. Zwischen zwei und vier Millionen Dollar seien zusätzlich auf diesem Weg nötig, um die Finanzierung des Spiels abzuschließen. Daher auch die offizielle Ankündigung von Star Citizen am 10.Oktober. Er möchte die Fans mobilisieren.

Dafür sollen spendable Unterstützer sogar mit einem realen Modell ihres Schiffes für den Schreibtisch und anderen Schmankerln belohnt werden. Zusätzlich werde man verschiedene Ausstattungsvarianten von Ingame-Schiffen vorab kaufen können, die man ansonsten erst im Spiel verdienen müsse. Eine Teilnahme an der Alpha und Beta sei natürlich ebenfalls mit dabei (angepeilt bereits ein Jahr vor dem Start des eigentlichen Spiels). Zu guter Letzt werde Star Citizen auf diesem Wege weit weniger kosten, als wenn man es erst im Handel kaufe.

"Mit der Ankündigung möchte ich die Fans um ihre Unterstützung bitten, die wie ich an die PC-Plattform und das Genre glauben. Das ist meine Vision. Das ist das Spiel, das ich selbst gerne spielen würde und bei dessen Realisierung ihr mir helfen könnt," sagt Roberts zum Abschluss.

Hätte ich mit einem anderen Entwickler gesprochen, wäre ich mit einigen Zweifeln nach Hause gefahren. Doch selbst wenn Roberts' Pläne extrem ambitioniert wirken, traue ich diesem Urgestein des Genres durchaus zu, dass er ein solches Projekt tatsächlich zum Erfolg führen kann. Der Prototyp, den ich vor der eigentlichen Vorstellung am 10. Oktober zu sehen bekam, zeigte bestenfalls einen Bruchteil dessen, was Roberts verspricht. Doch ich glaube ihm, dass er noch einiges in der Hinterhand hat, dass er erst bei offiziellen Präsentationen vom Stapel lässt. Ich bin jedenfalls gespannt und ziemlich sicher, dass es etliche Fans da draußen gibt, die dem Mann gerne ihr Geld in die Hand drücken würden, wenn er nur die Hälfte von dem umsetzt, was er da geplant hat. Vermutlich bin ich sogar einer davon. Wer sich auf der offiziellen Homepage registriert, soll übrigens zusätzliche Boni im Spiel erhalten, sobald es erscheint. Ein Besuch auf robertsspaceindustries.com kann also nicht schaden.

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