Star Ocean: The Last Hope
Deep Blue Hero Stuff
Wenn man an ein Spiel eines bestimmten Genres herangeht, dann muss man einfach ein paar Sachen als gegeben betrachten. Für einen Shooter sollte man bessere Reflexe als griechische Landschildkröte mitbringen. In einer deutschen Wirtschaftssimulation muss man damit rechnen, den Beweis anzutreten, dass Langeweile doch tödlich sein kann. Und für ein echtes J-RPG braucht man eine hohe Toleranzschwelle, was ausufernde, mitunter auch mal ins Nichts führende Dialoge und kindhafte, androgyne, in fragwürdige Gewänder gehüllte Gestalten angeht. Wenn Letzteres nicht so Eures sein sollte, dann geht jetzt schon mal auf Abstand. Star Ocean: The Last Hope wurde ein 110prozentiges Japanrolli mit den viele guten und auch den paar schlechten Eigenschaften, die dazu gehören.
Zu den weniger Erfreulichen gehören sicher die eben erwähnten, garantiert nie zu kurz geratenen Dialoge. Einige davon driften hier geradezu ins Surreale ab. Relativ früh im Spiel will man offensichtlich für ein wenig Chemie zwischen den Figuren sorgen, als sie von einer an einer Festung hängende Fahne herunterrutschen müssen, um zu entkommen. Sicher, nicht ganz ungefährlich so eine Aktion, aber es sind verdammt noch eins Helden. Sie sollten nicht 10 Minuten darüber reden, wer zuerst geht und wer denn jetzt bitte nicht sein Leben riskieren darf und wer stattdessen sich opfern soll und … an diesem Punkt schaltete mein Hirn kurzfristig in den Autopilot und erwachte erst wieder, als sie natürlich und ohne Zwischenfälle alle unten ankamen.
Das ist das Extrembeispiel, es ist auch in Star Ocean nicht die Norm, aber es kommt vor. Und in diesen raren Momenten werdet Ihr sehr dankbar sein, dass Ihr nicht nur alle Cutscenes abbrechen dürft, sondern dass Euch dabei anschließend eine kurze Zusammenfassung erzählt, was Ihr inhaltlich gerade verpasst habt. Das ist schlicht eine brillantes, fantastisches Super-Feature. Und ein völlig simples noch dazu.
In vielen Fällen werdet Ihr die Sequenzen aber gar nicht abbrechen wollen. Star Ocean fährt einen sicherlich stereotypen, aber sympathischen Cast an Figuren auf, der ausnahmsweise mal nicht Emo-wolkig durch die Gegend grummelt. Hier geht es um die erste bemannte Mission zu neuen Planeten, alle sind mit ganzem Herzen dabei. Owen Wilson brachte es in Armageddon perfekt auf den Punkt: „Guys, this is deep blue hero stuff! Of course I'm in.” Und das sind die Helden von Star Ocean mit Herz und Seele. Es macht nach all der Depression vieler Vertreter des Genres einfach Spaß!
Dazu gehört natürlich viel, teilweise ein wenig über die Grenze geschossene, positive Attitüde. Der Held heißt Edge Maverick. Und der Name passt perfekt. Muss ich weiter reden? Die englischen Stimmen – Deutsch nur als gute Untertitel, kein Japanisch – sitzen nicht unbedingt immer auf den Punkt und reichen von meistens ganz ok über ungewohnt aber nicht schlecht, bis zu seltenen Anflügen von „Oh mein Gott, lass sie bitte einfach die Klappe halten“. Die letzte Kategorie stellt zum Glück die Ausnahme dar und der grandiose, der Epik des Settings gemäß cineastisch wertvolle Soundtrack federt solche Ausfälle deutlich ab.
Episch wird es dann auch, daran besteht kein Zweifel. Innerhalb der zwei Minuten des Intros fackelt die Erde im dritten Weltkrieg ab, die Überlenden raufen sich zusammen, bauen eine riesige Raumstation und starten die Erkundung des Weltraums, um einen weniger demolierten Planeten zu finden. Hier kommt Ihr zum Zug und ab diesem Punkt stimmt das Timing. In den ersten Stunden erledigt Ihr eine kleine Mission, lernt alles kennen, und bevor Ihr es Euch verseht, ist Euer leicht minderjährig wirkender Held der Captain des heißesten Raumschiffs in diesem Spiralarm der Galaxis. Dessen Ende – natürlich – nur Ihr aufhalten könnt. Handlung und Figuren entwickeln sich in einem für J-RPG Verhältnisse guten, spannenden und geschicktem Tempo, so dass im Wechseln von Dungeontrips, Erkundungen bei fremden Zivilisationen und Weltraumausflügen nur selten Langeweile aufkommt.