Star Trek: Bridge Crew - Test
Gestern wieder zu viel romulanisches Ale getrunken, Steuermann?
Der Traum diverser Trekkies ist es zweifellos, selbst mal auf der Brücke eines Raumschiffs zu stehen. Und so treffen sie sich auf Conventions, ziehen sich die diversen Uniformen des inzwischen wahnwitzig umfangreich gewordenen Star-Trek-Universums an und lassen sich auf dem Stuhl von Jean-Luc Picard fotografieren. J. J. Abrams hat die Star-Trek-Welt mit seinen Filmen so ein bisschen revolutioniert, aber damit nichts von ihrer Faszination zerstört. Wir haben Jahrhunderte an Geschichten, wir haben Zeitreisen, wir hatten ohnehin schon Paralleluniversen und jetzt haben wir eben noch eins mehr. In dieser fantastischen Erzählung dürft ihr euch nun endlich in ein eigenes Raumschiff setzen: die U.S.S. Aegis. Sieht aus wie die Enterprise, ist aber technologisch ein bisschen fortgeschrittener, daher das NX in NX-1787, der Schiffkennung. Die Aegis ist ein experimentelles Schiff mit jeder Menge Waffen an Bord und es ist an euch, einen bislang unbekannten Bereich des Universums zu erkunden: The Trench.
Ich möchte gleich eins vorwegnehmen: Ja, man sollte für dieses Spiel Star-Trek-Fan sein oder zumindest Sympathie für die diversen Serien und Filme haben. Ist das nicht der Fall, wird man Bridge Crew für ein gänzlich doofes Spiel halten, in dem man wirr auf Knöpfe drücken muss. Ich aber hatte höllischen Spaß, was daran lag, dass ich eine ganz tolle Crew hatte: ein anderer Spielredakteur, ein Freund und ein Fremder, dessen Frau im Hintergrund ihn häufig etwas lautstark gebeten hat, von seinem Bridge-Crew-Erlebnis doch jetzt Abstand zu nehmen und sich um wichtigere Dinge zu kümmern. Sehr oft hörte ich daher ein "Ja, ich mach schon" im Ohr. Gleichzeitig gab sich mein Captain, seinerseits großer Star-Trek-Fan, sehr viel Mühe, das Flair der Serie rüberzubringen. Hat Lieutenant Grundmann wohl wieder zu viel romulanisches Ale getrunken? Mag Lieutenant Grundmann jetzt mal kurz aufwachen und die Klingonen beschießen? Ich sag euch, es fühlt sich super an, im Star-Trek-Universum Befehle auszuführen - ganz im Gegensatz zur echten Welt.
Warum es überhaupt Befehle geben muss? Naja, weil es Rollen gibt auf der Brücke eines Raumschiffs. Neben dem obligatorischen Captain haben wir da den Steuermann, den taktischen Offizier und den Chefingenieur. Und wie das bei Star Trek eben so ist, hat jeder sein Pult voller bunter Lichter vor sich, auf die er drückt, um damit einen gewissen Teil des Schiffs zu steuern. Der taktische Offizier visiert also beispielsweise ein fremdes Raumschiff an, wenn der Captain das will, und wenn das eigene Schiff in Reichweite ist, feuert er auch die Photonentorpedos ab. Das funktioniert mit den diversen Bewegungs-Controllern auf der PlayStation 4 und auf dem PC übrigens hervorragend. Wer möchte, kann auch zu einer zwar weniger immersiven, aber deutlich genaueren Tastensteuerung wechseln.
Die sehr klare und eindeutige Grafik kommt der Steuerung sehr zugute. Das Spiel verwendet die Unity-Engine und ist wohl auch deshalb kein optisches Wunderwerk. Aber verständlich ist die Grafik allemal. Ich konnte das Spiel auf der PlayStation-VR-Brille testen und selbst die aktuell schwächste unter den VR-Brillen präsentierte alles in allem gut lesbare Anzeigen. Manchmal braucht ihr zwar gerade am Anfang eine Weile, bis ihr den richtigen Knopf findet, das liegt aber eher am manchmal etwas kryptischen Design der Star-Trek-Raumschiffe und weniger an der Grafik. Auf der PS4 Pro unterscheidet sich das Spiel optisch nicht merklich von der Erfahrung auf der normalen PS4. Lediglich die Ladezeiten sind auf der PS4 Pro ein wenig kürzer. Ob es hier noch einen Patch geben wird, der auch die Grafik verbessert, ist aktuell unklar. Schon jetzt bietet Bridge Crew aber etwas, das andere Spiele oft vermissen lassen: Cross-Plattform-Gaming. Im Test funktionierte das mit zwei Playstation-VR-Brillen und einer Oculus auf dem PC tadellos. Um eine Mission zu laden, braucht das Spiel grob zwischen 20 und 40 Sekunden - nicht Spitzenklasse, aber im Rahmen.
Spielt ihr allein, werdet ihr vermutlich zunächst einige Zeit beschäftigt sein, die Steuerung der verschiedenen Posten zu lernen. In diesem Fall könnt ihr euch per Tastendruck in die verschiedenen Offiziere hineinversetzen und direkt den Befehl geben. Wirklich reizvoll ist das aber nicht. Star Trek: Bridge Crew entfaltet sein Potenzial im Multiplayer-Modus. Ihr braucht also zwei bis drei Mitspieler, die ebenfalls gewillt sind, sich ein VR-Headset auf den Kopf zu setzen und in die unendlichen Weiten des Weltalls abzutauchen. Habt ihr die aber einmal gefunden, vergesst ihr Zeit und Raum. Meine erste längere Multiplayer-Partie dauerte über vier Stunden. Währenddessen wurde es draußen dunkel und eine Taube hat sich durch ein offenes Schlafzimmerfenster in meine Wohnung verirrt, nur um kurz danach wieder hinauszufliegen. Ich spüre jetzt noch den Druck der PSVR-Brille und fühle mich, als würde mir irgendein Körperteil fehlen.
Meine Lieblingsrolle war der taktische Offizier. Allzu gern habe ich immer dann, wenn wir in der Nähe eines Raumschiffs waren, fleißig gescannt, Schilde hochgefahren, im Zweifelsfall mal einen Torpedo abgeschossen und die Phaser abgefeuert. Als Kind habe ich sämtliche Star-Trek-Folgen von Next Generation und Deep Space Nine auf Videokassette aufgenommen, wenn sie im Fernsehen liefen. Das war vor Netflix. Und jetzt sitze ich selbst auf der Brücke. Ich kann nicht anders, als zu sagen: Das fühlt sich absolut großartig an, das macht Spaß, das ist ein erfüllter Kindheitstraum. Das Spiel erzählt ganz wunderbar kleine Geschichten. Der taktische Offizier hat gepennt, der Steuermann hat gerade sein Headset abgenommen und deshalb hängen wir zwischen zwei klingonischen Kampfschiffen fest und machen nichts. Der Captain tobt vor Wut, aber irgendwie finden schlussendlich doch alle die Situation lustig.
In manchen Momenten entfaltet gerade eine längere Partie Bridge Crew das Flair einer Pen-and-Paper-Rollenspielrunde. Ein wenig schlüpft jeder Mitspieler in seine Rolle hinein. Und tatsächlich macht ein eigentlich simples mechanisches Spiel mit ein bisschen Rollenspiel einfach mehr Spaß. Und wie bei vielen Pen-and-Paper-Rollenspielen kommt es auch bei Bridge Crew zu einem guten Teil auf die richtige Zusammenarbeit an. Der Chefingenieur verteilt die Energie, die der Steuermann wieder benötigt, um auf Warp zu gehen, und die der taktische Offizier für die Phaser braucht. Damit das funktioniert, müsst ihr miteinander reden. Wer schweigt, bringt die ganze Mission in Gefahr, denn jede Rolle ist unverzichtbar. So entsteht ein ganz eigenes Zusammengehörigkeitsgefühl.
Das ist auch deshalb wichtig, weil es schon einmal vorkommen kann, dass man als taktischer Offizier nicht besonders viel zu tun hat. Ebendann lohnt es sich aber, sich auf der Brücker der Aegis umzusehen, wo man ganz genau beobachtet, was die Kollegen gerade machen. In beschränktem Maß lässt sich so sogar ein bisschen von ihrer Körpersprache lesen - wenn der Steuermann beispielsweise aufgeregt auf seinen Tasten herumfuchtelt. Bislang ist das eine recht einzigartige Erfahrung. Allerdings: Kennen solltet ihr die Leute, mit denen ihr da zusammenspielt, am besten schon, denn das Matchmaking ist nicht gerade ideal gelöst. Sucht ihr in Europa nach einer Brückencrew, kann es euch schon mal passieren, dass ihr zusammen mit einem Franzosen, einem Ungarn und einem Portugiesen in einer Mannschaft landet. Und wenn dann nicht alle fließend Englisch sprechen, gerät die Mission zu einem Turmbau zu Babel, an dessen Ende oft ein explodierendes Raumschiff steht.
Eigentlich ungewöhnlich für Star Trek: Das Spiel lässt die Diplomatie mit fremden Alien-Rassen weitgehend außen vor. Meist erschöpft sich das Zusammentreffen in ein paar Dialogzeilen, wirklich viel Optionen darüber hinaus habt ihr nicht. Manchmal fühlt sich das Spiel zudem an, als wäre die Brückencrew kurz davor, sich auf eine Außenmission zu begeben. Etwa wenn ihr einen Planeten scannt und dort Anomalien entdeckt. In der Serie wird in diesen Momenten für gewöhnlich das Außenteam gebildet. Bei Bridge Crew bleibt es bei der Feststellung, dass wir es hier eben mit einer Anomalie zu tun haben. Bridge Crew spielt wirklich lediglich auf der namensgebenden Brücke. Nur geballert wird zum Glück aber auch nicht. Manchmal müsst ihr ein paar Geiseln retten, dann einem fremden Schiff zur Hilfe eilen, das einen Notruf abgesetzt hat. Wobei es gerade im letztgenannten Fall gut passieren kann, dass sich alles dann doch wieder als ein Hinterhalt der Klingonen herausstellt. Die Geschichte ist definitiv nicht das Highlight des Spiels - Entdeckungen fremder Lebensformen bleiben zugunsten grantiger Klingonen leider aus.
Bridge Crew wird euch eine gute Zeit beschäftigen: Allein für die Kampagne könnt ihr etwa sieben bis neun Stunden einrechnen. Dazu kommt ein freier Modus, der euch mit einem zufallsgenerierten Universum konfrontiert. Der ist viel herausfordernder als die Kampagne und daher insbesondere für alle geeignet, die Letztere schon beendet haben. Hier spielt ihr in einer Art Endlosmodus einfach eine prozedural generierte Mission nach der anderen weg. Und für Fans gibt's hier noch ein besonderes Leckerli: Ihr könnt darin die Original-Enterprise spielen, NCC-1701. Das wirkt erst absolut bizarr, denn in diesem Modus habt ihr nur ein paar bunte Quader vor euch, die erst mal keine Bedeutung haben, die ihr aber trotzdem drücken müsst, um dem Schiff eine Bewegung abzutrotzen. Per Knopfdruck gibt's zumindest eine Beschreibung, aber wirklich: Dieser Modus ist für die ganz Harten. Ich habe ihn ein paar Mal gespielt, aber sogar mit einem erfahrenen Captain oft nicht viel länger als fünf Minuten überlebt.
Als Star-Trek-Liebhaber finde ich Bridge Crew absolut großartig. Wie eine Crew aus vier zufällig zusammengewürfelten Leuten in VR auf einmal agiert, wie fließend bekannte Befehle wie "Energie" auf einmal fallen, wie oft ich als taktischer Offizier gesagt habe, dass die Schilde zwar oben, wir aber nicht in Schussreichweite sind, woraufhin der Steuermann einen neuen Befehl bekommen hat... ich kann nicht anders, als dieses Spiel zu mögen. Es will die Brücke eines Star-Trek-Raumschiffs simulieren, und das macht es nahezu perfekt. Ja, mit den Move-Controllern trefft ihr manchmal nicht den Knopf, den ihr wollt. Ja, ihr könnt nicht auf Planeten runterbeamen und dort Abenteuer erleben, eigentlich ein zentraler Punkt in jeder Star-Trek-Erfahrung. Und auch die Diplomatie ist ausbaufähig. Aber ihr fühlt euch endlich wie jemand, der wirklich auf einer Raumschiffbrücke sitzt, und diese Atmosphäre ist in der Form bislang einzigartig. Freunde von Star Trek: Energie!
Entwickler/Publisher: Ubisoft/Ubisoft - Erscheint für: PS VR, HTC Vive, Oculus Rift - Preis: rund 50 Euro - Erscheint am: erhältlich - Getestete Version: PS VR - Sprache: deutsch - Mikrotransaktionen: Nein