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Star Trek Online - Artikel

Neuer Publisher, neues Geschäftsmodell, neue Features und endlich komplett deutsche Bildschirmtexte. Leider fehlt es dem Science-Fiction-MMO vor allem an Inhalten.

Wenn es um eine ausgefeilte Hintergrundstory geht, sollte eigentlich kein MMO mit Star Trek Online mithalten können. Seit über 46 Jahren zücken TV-Serienhelden in Sternenflotten-Uniform ihre Phaser, um die Galaxie zu retten. Sechs Fernsehserien! Über 700 Episoden! Dazu kommen elf Kinofilme, Zeichentricks, Comics, Bücher, Fan-Conventions ... Hätte ich vor zwei Jahren auf das einflussreichste SciFi-MMO der Zukunft gewettet, ich hätte mein Geld auf Spock und Co. gesetzt. Star Wars? Pffft. Was sind schon Sturmtruppler gegen Klingonen, Borg und Jem'hadar?

Tja, nun schreiben wir April 2012 und es kam irgendwie anders. Atari verkaufte letztes Jahr das Entwicklerstudio Cryptic an den Publisher Perfect World. Vor ein paar Wochen ging der offizielle europäische Relaunch von Star Trek Online über die Bühne und das MMO wurde auf free-to-play gebürstet. Zu Abo-Zeiten dümpelte der Pott mit halbem Impulsantrieb vor sich hin. Die Nutzerzahlen waren nicht gerade rosig, Inhalte fürs Endgame blieben Mangelware und selbst die umtriebige Community konnte dieses gähnende schwarze Loch nicht füllen. Da halfen weder Missionseditor noch leidenschaftliches Rollenspiel. Von Inhalten für die Klingonen-Fraktion fang ich gar nicht erst an. Die Krieger mit den Stirnwulsten lechzen schon seit der Beta nach mehr Aufmerksamkeit und sind dankbar für jeden Brotkrumen.

Wie die meisten MMOs ist auch der Weltraumschinken mit den Jahren gereift - nicht zuletzt dank der Fans, die sich im Forum rege Diskussionen mit den Entwicklern lieferten. Ohne die Community wäre Star Trek Online vermutlich noch immer eine reine Ballerorgie und diplomatische Missionen oder Dialog-Quests ein Fremdwort. Mit ihrer Beharrlichkeit haben die Spieler dafür gesorgt, dass man in neueren Einsätzen oft den Phaser stecken lassen darf. Auch sind die jüngsten Feature-Episoden erfreulich storylastig. Trotzdem waren zuletzt Neukunden so selten anzutreffen wie Clowns auf dem Planeten Vulkan.

Vielleicht gelingt es jetzt mit frischem Geschäftsmodell und Publisher, das Schiff auf Warp zu bringen. Zwei Jahre nach Release ist beispielsweise die deutsche Übersetzung endlich auf erträglichem Niveau angekommen. Trotzdem bleiben Schnitzer nicht aus. Haarsträubende Stilblüten wie "Tiefenraum 9" statt "Deep Space Nine" hat man zwar getilgt. Unfreiwillig komisch wird es dennoch, wenn ein Treffen verschiedener Völker anlässlich der Bedrohung durch die Borg stattfindet und der Missionstext lautet: "Nehmen Sie an der Konferenz der Borg teil". Die englische Vertonung blieb außerdem unangetastet. Es gibt also noch viel zu tun für die Lokalisierungs-Teams.

Die beiden wichtigsten Neuerungen sind das überarbeitete Wirtschafts- und Shopsystem und die diensthabenden Offiziere. Noch immer gibt es ein Premium-Modell auf Abo-Basis, das man sich jedoch getrost sparen kann. Gratisspieler haben Zugang zu allen Inhalten und müssen nur mit kleineren Einschränkungen in Sachen Inventar und Charakterslots leben. Merkwürdigerweise ist der Missionseditor nur zahlenden Mitgliedern voll zugänglich. Wirklich plausibel finde ich das nicht. Soll ich wirklich dafür zahlen, Quests für andere Spieler zu erstellen?

Die zig Marken und Sub-Währungen haben die Entwickler durch Energie-Credits und Dilithiumkristalle ersetzt. Letztere werden aus Dilithiumerz raffiniert (maximal 8.000 Einheiten am Tag) und lassen sich sogar mit anderen Spielern in Cashshop-Währung umtauschen. Erz und Dilithium verdient ihr durch Missionen und regelmäßige Events, deren Zeitplan ihr dem erweiterten Missionslogbuch-Fenster entnehmt. Außerdem könnt ihr seit kurzem im Raumanzug über einen Asteroiden nahe Deep Space Nine spazieren und in einem Mini-Spiel nach zusätzlichem Erz schürfen. Besagter Raumanzug kommt erfreulicherweise später auch in Missionen zum Einsatz. Das beweist, dass noch so manche gute Idee in den unendlichen Weiten schlummert. Bitte mehr davon, Cryptic!

Aber zurück zum Shop-System. Um mit dem Free-to-play-Modell Geld zu verdienen, setzen Perfect World und Cryptic wie ehedem auf Schiffe, Pets, Völker, Outfits, Booster, Module und Waffen. Ganz neu sind Cardassianische Kisten, die ihr im Spiel erbeuten könnt und die sich nur mittels kostenpflichtigen Schlüsseln aus dem C-Store öffnen lassen. Mit etwas Glück winken dabei ein Cardassianischer Kreuzer der Galor-Klasse, einzigartige Konsolen für eurer Raumschiff, Haustiere, Erfahrungspunkte-Boni und andere Schätze. Auch ein Paket mit frischen Offizieren könnt ihr abstauben.

Solche diensthabenden Offiziere sind seit kurzem allgegenwärtig in Star Trek Online. Wie in einem Sammelkartenspiel erhaltet ihr zufällige Crewmitglieder und Zivilisten in sogenannten Dienstoffizierspaketen. Als nächstes teilt ihr die Rekruten einem Bereich eures Schiffes zu. Dadurch erhaltet ihr unterschiedliche Boni am Boden und im All. So verkürzt ein taktischer Offizier vielleicht die Wiederaufladungsrate eurer Fähigkeiten, während Spezialisten für Schildverteidigung die Regenerationsrate eurer Schutzschirme erhöhen. Wer nicht zum aktiven Dienst eingeteilt wird, macht sich auf Missionen im aktuellen Sektor nützlich. Auch wenn diese Idee seit ihrem exzessiven Gebrauch in Star Wars: The Old Republic ein alter Hut sein mag, passt das Konzept viel besser zu Star Trek Online und die Arbeitsteilung auf einem Sternenflotten-Schiff. Schließlich sah man seine Helden auch im Fernsehen regelmäßig über Dienstpläne brüten und Aufgaben delegieren.

"Leider krankt Star Trek Online noch immer an der allgegenwärtigen Fensteritis und den verschachtelten Reitern."

Star Trek Online - Trailer

Dabei hängt die Erfolgsrate der Quests von den Eigenschaften der eingesetzten Crewmitglieder ab. Ein taktvoller und schlauer Quartiermeister oder Händler kann gemeinsam mit seinem Kollegen zum Beispiel eine lokale Forschungsstation mit wichtigen Waren versorgen und dabei wertvolles Dilithiumerz und andere nützliche Güter verdienen. Solche Einsätze dauern zwischen wenigen Minuten und mehreren Stunden und können über ein Menüfenster oder auf eurem Schiff auf der jeweiligen Station in Auftrag gegeben werden (jawohl, endlich bringt es etwas, auf dem eigenen Schiff herumzulaufen).

Leider krankt Star Trek Online noch immer an der allgegenwärtigen Fensteritis und den verschachtelten Reitern. Futuristischer LCARS-Look hin oder her: Wirklich intuitiv war das Benutzerinterface noch nie. Das fiel mir besonders auf, nachdem ich eine Weile abstinent war und erst mal den Staub von meinem Vize-Admiral pusten musste. Es dauerte ein paar Stunden, bis ich mich wieder souverän durch die Menüs klickte, aber wirklich komfortabel ist was anderes. Schön sind die neuen Icons über den NPCs und auf der Übersichtskarte und auch der optionale Shooter-Modus ist ein nettes Gimmick. Einsteiger werden die überarbeitete Tutorial-Mission zu schätzen wissen, die von einem stimmungsvollem Film eingeleitet wird (stilecht mit der Erzählstimme von Leonard Nimoy persönlich). Trotzdem ist Star Trek Online noch immer ein MMO mit Ecken und Kanten, die erst einmal umschifft werden wollen. Man gewöhnt sich irgendwann ans Interface und die vielen Statistiken. Spieler ohne Trek-Hintergrund werden jedoch vielleicht nicht unbedingt die nötige Geduld dafür aufbringen.

Trotzdem lohnt es sich nicht nur für Fans, dem Spiel anlässlich des Free-to-Play-Relaunchs einen Besuch abzustatten. Wer die englische Zunge scheut, freut sich über die fast komplette Lokalisierung der Bildschirmtexte. Die Community ist noch immer sehr aktiv und hängt mit viel Herzblut an der Marke, was man nicht unterschätzen sollte. Die bislang erschienenen Inhalte reichen Anfängern für Monate und fanatische Sparfüchse können sich über kurz oder lang durch Dilithium-Farmen genügend Cryptic-Points für den C-Store verdienen. Ganz oben auf der To-do-Liste sollten die Entwickler aber weiterhin die Themen Endgame-Content und Benutzer-Interface behalten. Neueinsteiger mit dem Etikett "Gratis" zu locken ist gut und schön, aber irgendwann haben auch diese Spieler alles gesehen. Und selbst genügsame Trek-Veteranen wollen bei der Stange gehalten werden. Das Offizierssystem, die Events und neuen Einsätze im Raumanzug sind jedenfalls ein guter Start. Es könnte wieder aufwärts gehen.

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