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Statt auf Dragon Age oder Baldur’s Gate 4 zu warten, spielt besser heute schon Skald: Against the Black Priory

… wenn ihr die Nerven für C64-Optik habt.

Es ist eigentlich viel zu gutes Wetter für ein Rollenspiel wie Skald: Against the Black Priory. Im Grunde müsste man sich die warmen Slipper überstreifen, eine Kerze anzünden, während Wind und Regen übers dunkle Dach peitschen und eine Flasche vom Gift seiner Wahl aufreißen – das ist das Szenenbild, in das Skald am besten passt.

Okay, eigentlich gehört noch ein Röhrenmonitor dazu, denn die minimal animierte C64-Optik sähe darauf am besten aus. Habt ihr nicht? Schon in Ordnung, der CRT-Filter, den das Solo-Projekt einsetzt, macht samt Bildschirmkrümmung durchaus solide Arbeit.

Wie viele Farben braucht ein Spiel?

Skald an sich erinnerte mich vom Setup her durchaus ein wenig an das erste Dragon Age, insofern, als dass es klassische Fantasy-CRPs mit einem guten Schuss Horror mischt. Nur, dass es hier nicht in Richtung Quasi-Zombies, sondern eher Richtung Lovecraft’schem Grusel aus der Tiefe geht. Das passt bestens zur Optik, vor allem, wenn das Spiel aus der grobschlächtigen, aber atmosphärischen Draufsicht auf stimmungsvoll handgepixelte Landschaftsansichten oder großformatige Charakter- oder Monsterporträts umschaltet. Da steckt viel Liebe drin, die es von mir umgehend zurückbekommt.

Nach der Charaktererstellung, bei der ihr nicht nur die Klasse, sondern auch noch einen Hintergrund beziehungsweise Werdegang für eure Spielfigur wählt, werdet ihr engagiert, in den Outer Isles eine verlorene Monarchentochter zu finden. Auf dem Hinweg erleidet ihr allerdings Schiffbruch in einer wundervoll intensiven Tutorial-Szene, die viel Lust darauf macht, auch den kompletten Rest der 15 bis 20 Stunden Spiel zu sehen. Ich bin zwar noch nicht durch – deshalb ist das hier auch kein Test –, liebe aber nach etwa acht Stunden bisher, was hier los ist.

Skald: Against the Black Priory in Bildern

Ein gutes Zeichen ist, dass ich wirklich jede Nebenquest bisher angenommen und auch direkt angegangen habe. Fast immer sind sie in ein gutes Geheimnis verpackt, Begebenheiten, die man gern verstehen möchte. Der Weg dorthin wirkt immer offen genug, dass man das Gefühl hat, selbst auf die Lösung gekommen zu sein – selbst, wenn das Spiel an sich gar nicht so viele Wege bietet (sofern ich das bisher sagen kann).

Wie ein guter Roman

Skald wirft euch sowohl in der Haupt-Story als auch in den vielen kleinen Nebengeschichten wieder und wieder in unangenehme Situationen. Etwa, wenn ihr in einer überfluteten Höhle vor der Wahl steht, in ein unscheinbares, dann aber überraschend verzweigtes Tunnelsystem zu tauchen. Auf jedem neuen Bildschirm entscheidet ihr euch aufs Neue, durch welchen von zwei, drei Gängen es weitergeht, während euch langsam die Luft ausgeht.

Eine andere Situation betraf einen unfreiwilligen Totengräber, der im Zuge der unheiligen Katastrophe ein paar Körper unter die Erde bringen muss, während zugleich der Angriff einer unheimlichen Kreatur droht. Ich bot ihm an, den Job zu übernehmen und wurde dann in Versuchung geführt, mir die Leichen mal genauer anzuschauen. Mit schauderhaften Folgen.

Viel von Skalds Sogwirkung liegt in der wundervollen (leider nur englischen) Schreibe, da ist schon tolle Prosa dabei, die im Kopf Bilder malt, die auch eine höhere Auflösung als die hier gewählte nicht zu erzeugen imstande wäre. Wie ein gutes Buch eben, sofern ihr Lust habt, ein wenig zu lesen. Keine Sorge: Zu ausufernd ist es nie. Das weiß ich, weil ich selbst sonst recht ungeduldig bin, aber hier alles aufmerksam geradezu verschlinge.

Rundenkämpfe und Komfortfunktionen

Der Kampf verläuft strikt rundenweise unter Berücksichtigung des Initiativwerts eurer bis zu sechs Party-Mitglieder. Anfangs bekam ich schlimm auf die Mütze und zwischen Sieg und Niederlage liegt oft schon die gute Positionierung in der Vorbereitungsphase vor der Schlacht. Gerade, wenn ihr in Unterzahl seid, sind Engpässe und Angriffe von Hinten eure besten Freunde.

Hier und da musste ich einen Kampf mehrmals angehen, da half dann die freundliche Quick-Save-Funktion. Schön ist auch, dass ihr “leere” Söldner anheuern dürft, die ihr dann selbst gewissermaßen erstellt, um bisher offen gelassene Rollen in eurem Team zu füllen! Ich fand das Kampfsystem nach etwas Eingewöhnung dann doch überraschend eingängig und gut lesbar, auch wenn die Statusmeldungen bei Angriffen gerne etwas länger eingeblendet bleiben dürften.

Ansonsten spielt sich Skald: Against the Black Priory abseits der selbstbewusst überalterten Grafik auch heute noch recht fluffig. Für Diebesaktionen, riskante Manöver und Entscheidungen kommen bisweilen Würfel zum Einsatz. Vor einem Wurf bestimmt ihr, welches Partymitglied es versuchen soll und so oldschool das ist, so schön nahtlos ist es hier integriert. Es fühlt sich wirklich an, als hätte man selbst große Kontrolle über das Abenteuer.

Große Kontrolle habt ihr auch über den Schwierigkeitsgrad und Komfort des Spiels: Vom Hunger bis zum Inventartragelimit oder Zufallsbegegnungen auf der Oberwelt und Rerolls für diverse Aktionen kann man fast alles einstellen, was die Rückkehr in diese Pionierzeit des CRPG vereinfacht. Ein paar Dinge waren weniger gut: Schön wäre es, das Schlachtfeld frei scrollen zu können, an den Rändern wird das bisweilen etwas unübersichtlich. Auch wird die Topografie der Karten nicht immer ganz klar signalisiert.

Auch das Mausrad wird nicht so unterstützt, wie ich es gerne hätte. Aber dafür gibt es reichlich Tool-Tipps und auch ansonsten eine ordentliche Bedienung, die euch nicht allzu weit in die Vergangenheit schleift. Spielt sich gut.

Eine schön-schreckliche Rollenspiel-Überraschung

Skald: Against the Black Priory ist eine wundervolle Überraschung (sofern man nicht die Demo auf dem letzten Steam Next Fest gespielt hatte, wo sich schon Großes ankündigte), sofern man sich noch an die Zeit erinnert, in der Spiele so ausgesehen haben. Es ist ein exzellent geschriebenes, spielerisch überaus solides CRPG, das sich nicht zu sehr in die Länge zieht und auf jedem Meter eure Zeit mit gut geschriebenen Quests respektiert, die man einfach gerne angeht. Die Grafik und Musik sind wahnsinnig stilsicher und stützen die schöne Retro-Stimmung optimal.

Ich gebe zu, dass ich die Hauptstory deshalb hier und da vergaß, da das eigentliche Mysterium aber wohl ohnehin die Geschehnisse auf Idra sind und sich die Nebengeschichten offensichtlich dort mit hineinspielen: Geschenkt! Schaut euch das hier unbedingt an, wenn ihr mit klassischen Rollenspielen, die auch so aussehen, etwas anfangen könnt. Skald ist so wunderbar räudig, wie es RPGs seit dem ersten Dragon Age nicht mehr waren.

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