Strange Brigade: 'Ein Studio entwickelt sich allein dann, wenn es Risiken eingeht.'
Im Gespräch mit Rebellions Senior Designer Tom Rigby.
"Ein Studio entwickelt sich allein dann, wenn es Risiken eingeht", sagt Rebellions Senior Designer Tom Rigby. Das britische Entwicklerstudio scheut sich nicht davor, genau das zu tun. Derzeit werkelt das für seine Sniper-Elite-Reihe bekannte Team unter anderem an Evil Genius 2 und veröffentlichte zuletzt den kooperativen Third-Person-Shooter Strange Brigade. Kooperativer Third-Person-Shooter? Das hatte Rebellion nicht lange zuvor mit der Zombie Army Trilogy auf ähnliche Art und Weise im Programm.
Anstatt auf dieser etablierten Marke aufzubauen, ging das Studio mit Strange Brigade jedoch einmal mehr einen neuen Weg. "Für uns ist es wichtig, ständig neue Dinge zu versuchen und neue Marken zu veröffentlichen", verrät Rigby im Gespräch mit Eurogamer.de. "Es ist toll, einen Katalog voller fantastischer Titel zu haben, aus denen du wählen kannst. Und wir haben echt eine Menge. Gleichzeitig ist es für uns als Studio aufregend, brandneue Sachen zu erschaffen."
"Die Kingsley-Brüder besitzen und führen Rebellion und sind immer begierig darauf, Neues auszuprobieren", erzählt er. "Für uns als Team ist das eine tolle Angelegenheit. Es ist ein Vergnügen, eine Sache von Grund auf neu zu erschaffen, wenn auch ein wenig einschüchternd. Wir alle widmen uns lieber neuen Dingen und gehen diese Risiken ein, anstatt uns auf unseren Lorbeeren auszuruhen."
Die Idee für Strange Brigade entsprang ursprünglich aus den "Boys' Own"-Abenteuerbüchern und den Werken des britischen Schriftstellers H. Rider Haggard. Geschichten über wagemutige Abenteuer an exotischen Orten schien sich gut für ein Videospiel zu eignen, dachte sich das Studio. Ebenso einflussreich seien schwarz-weiße Abenteuerfilme gewesen - "Saturday Matinees" genannt, vor allem deren kitschige und unterhaltsame Natur. Oder dass der Erzähler dem Publikum bei jeder Gelegenheit mitteilt, was die Abenteurer gerade erleben. All diese Dinge flossen in die Idee mit ein und so entstand am Ende Strange Brigade.
Die Mumien-Filme mit Brendan Fraser dienten anfänglich nicht als Inspirationsquelle. Wie Rigby angibt, dachte das Team später an sie, als es um die Gestaltung bestimmter Fallen, Rätsel oder Level ging. Wenn Strange Brigade und die Mumien-Filme eine Gemeinsamkeit haben, dann seien es die genannten Vorfahren.
Das grundlegende Konzept - Abenteurer besuchen exotische Orte und bekämpfen ebenso exotische Monster - stand nach Angaben von Rigby schnell fest. Durch Tests, Anpassungen und Feinschliff näherte sich das Studio Stück für Stück dem, wie die Strange Brigade und ihre Abenteuer jetzt aussehen. "Dieser aus Abenteuer und Spaß bestehende Kern zog sich durch die gesamte Entwicklung und wir hielten uns eng daran", sagt er. "Es ging immer darum, eine interessante Geschichte abzuliefern, egal wie albern das Ursprungsmaterial ist. Wir machten ernst und heuerten den bekannten 2000-AD-Autor Gordon Rennie an, um die Story auszuarbeiten. Ansonsten bewegt sich das Spiel dicht an unserer ursprünglichen Vision."
Neben der eigenen Zombie-Army-Reihe dienten viele andere Koop-Spiele als Inspiration. Rigby ist überzeugt, dass Strange Brigade inmitten dessen einen eigenen Charme versprüht. In solchen Spiele gehe es ums Überleben und darum, die Gegnerhorden zurückzuhalten. Ähnliche Elemente finden sich in Strange Brigade, aber das Abenteuer stehe mehr im Vordergrund. "Wir erlauben dir und deinen Freunden, diese tollen Orte gemeinsam zu erkunden", erläutert er. "Und sich wie eine Gruppe von draufgängerischen Actionhelden zu fühlen." Für die Wahl zwischen First- und Third-Person-Perspektive brauchte Rebellion nicht lange. Dieser Gedanke drängt sich auf, weil das Unternehmen hauptsächlich auf den Schulterblick setzt. Zur Diskussion stand es dennoch. Da die Charaktere mit ihren einzigartigen Looks eine zentrale Rolle einnehmen, war es den Machern wichtig, dass ihr sie ständig im Blick habt.
Rebellion bewirbt Strange Brigade vor allem als Koop-Shooter. Einzelspieler bleiben dabei nicht außen vor. Das alles alleine zu erleben, sei immer ein wichtiger Eckpfeiler des Spiels gewesen. "Bisweilen haben deine Freunde keine Zeit zu spielen oder du möchtest einfach alleine sein", erklärt er. "Wir mussten sicherstellen, diese Spieler ebenso zu unterstützen. Jason Kingsley bevorzugt zum Beispiel Singleplayer-Spiele. Er beharrte darauf, dass es alleine genauso viel Spaß macht." Daher finden Tests regelmäßig mit ein bis vier Spielern statt, um sicherzustellen, dass keine Gruppe Vor- oder Nachteile hat. "Es ist einfach, in die Falle zu tappen und sich alleine über den Koop Gedanken zu machen, während du die große Zahl an Solo-Spielern vergisst. Daher testen wir häufig, damit Einzelspieler nicht den Kürzeren ziehen."
Von zentraler Bedeutung war, den Spielern ein Gefühl von Entdeckung und Abenteuer zu vermitteln - und zwar mit jedem einzelnen Level. "Wir brauchten dramatische Panoramen, versteckte Höhlen und Schätze sowie all die anderen Dinge, die du von einem klassischen Pulp-Adventure aus den 30ern erwartest", erzählt Rigby. "Die Erkundung ist der Schlüssel als Ausgleich zu den Momenten, in denen du gegen Horden von Untoten kämpfst."
"Ab und an schaffen es manche Dinge nicht ins Spiel, zum Beispiel ein schwer zu verstehendes Rätsel oder ein Feind, der ein wenig zu herausfordernd ist und keinen Spaß bereitet", führt er aus. "Im Allgemeinen verwerfen wir keine Ideen. Wenn es eine Idee nicht ins Spiel schafft, inspiriert sie uns, wenn wir was anderes machen. Es ist wichtig, Sachen nicht einfach wegzuwerfen. Wichtig ist, sich darüber Gedanken zu machen, warum es nicht funktionierte. Und daraus lernst du als Studio."
"Wir brauchten dramatische Panoramen, versteckte Höhlen und Schätze."
Tom Rigby
Rigby hofft, dass versteckte Geheimnisse, der von der Zombie-Army-Reihe übernommene und erweiterte Horde-Modus sowie der Score-Attack-Modus dafür sorgen, dass sich die Spieler langfristig mit Strange Brigade befassen. Hinzu kommen neue Inhalte - kostenlos und kostenpflichtig -, die das Studio geplant hat.
Da das Spiel nicht stark von der ursprünglichen Idee abwich, hatte Rebellion diesbezüglich wenig Probleme während der Entwicklungsarbeiten. "Bei der Optimierung gingen wir vorsichtig vor, erklärt Rigby. "Unser Ziel war, die Zahl der Feinde auf dem Bildschirm zu maximieren, ohne dabei die flüssige Framerate zu opfern. In diesem Spiel ist es wichtig, dass du nicht zwei oder drei Feinde gleichzeitig bekämpfst, sondern ganze Horden! Ganz zu schweigen davon, dass Strange Brigade ein intensives Erlebnis mit vielen Effekten ist. Es war eine Herausforderung, das alles ins Spiel zu stopfen und den Spielern das actionreiche Abenteuer zu geben, das sie verdienen."
Die unterhaltsame und alberne Natur des Ursprungsmaterials habe ihren Teil zur guten Stimmung im Team beigetragen. "Wir arbeiteten nicht an einem düsteren, ernsthaften Spiel", ergänzt er. "Es ging um die Erschaffung unterhaltsamer, einprägsamer Momente. Das unterstützte den kreativen Prozess. Ich erinnere mich daran, als wir erstmals einen Erzähler einbauten. Einer aus unserem Team sprach ihn und machte einen ganz guten Job. Das hielt uns nicht davon ab, ihm deswegen ein wenig das Leben schwer zu machen."
Im Gegensatz zu vielen anderen Multiplayer- und Koop-fokussierten Spielen verzichtete Rebellion bei Strange Brigade auf eine externe Beta und griff auf interne Prozesse zurück. Rigby bezeichnet es als interne Betatests. Hinzu komme, dass das Studio mittlerweile über eine Menge Multiplayer-Erfahrung verfüge und ausreichend Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten habe, um für einen reibungslosen Start zu sorgen. Ebenso seien größere Betas für Spiele wie dieses, das auf drei Plattformen erscheint, kein einfaches Vorhaben für unabhängige Studios. Über solche Sachen müsse sich das Team viele Gedanken machen und abwägen, ob es sinnvoll ist. Ob Strange Brigade indes auf der Switch machbar ist, verriet Rigby nicht. Bislang habe das Studio keine Switch-Version angekündigt, prüfe aber immer die Möglichkeit, Spiele auf weitere Plattformen zu bringen.
Und wie sieht die Zukunft aus? Genügend Mythologien sind mit Sicherheit vorhanden, um aus Strange Brigade eine Serie zu machen: "Das Tolle an der Strange Brigade ist, dass sie in jede Situation und an jeden Ort passt", meint er. "Wir haben uns bereits großzügig bei verschiedenen Mythologien bedient, aber da draußen gibt es so viele mythische Orte und Leute. Bei den alten Schwarz-Weiß-Sendungen machten sie sich nicht viele Gedanken um die historische Genauigkeit und wir sind mit unserer Inspiration ähnlich freizügig. Wenn ein Ort nach Spaß aussieht, exotisch und faszinierend ist, dann schicken wir die Brigade hin!"