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Stray – Test: Hunde hassen dieses Spiel

Und warum ich Assassin’s-Creed-Vibes spürte.

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Elegantes und bestechend schönes Erkundungsspiel in spannender Welt. Die seichten Action-Elemente stören immer nur kurz.

Endlich Stray! Bei dieser Sorte Spiel sollte man sich als Tester kurzfassen. In dem Sinne, dass Stray exakt das ist, was es vorgibt, zu sein. Ein typischer, moderner Indie, der gut daran tut, spielmechanische Substanz hintenan zu stellen, um als Spiel der Marke "Erkunden und Erleben" ein paar kontrastierende Emotionen aus euch herauszukitzeln. Was auch immer ich euch im Detail über Stray erzähle, ist also zu viel und könnte eurem Spaß aktiv entgegenwirken. Deshalb: Etwaige Essays über Strays Motive und Bedeutung vertagen wir auf ein andermal. In Ordnung?

Aber wo anfangen? Nun, vorn, am besten: Ich finde, ihr solltet Stray spielen! Zumindest, wenn ihr ein Faible für überwiegend entspannte Erkundungsspiele mitbringt, bei denen ihr über mehr nachdenkt, als darüber, mit welcher Kombination an Inventargegenständen oder Antworten an NPCs, das Problem zu lösen ist, das aktuell den weiteren Fortschritt blockiert. Wie gesagt, ist Stray exakt das, wonach es aussieht. Ihr erkundet als Katze eine von Menschen befreite Welt, in der es nur noch (erstaunlich menschelnde) Roboter zu geben scheint.

Wer die Platinen runtergeschmissen hat? Ich bestimmt nicht! Nein, auf keinen Fall habe ich absichtlich die Dreiecktaste gedrückt, damit sie herunterfallen.

Eine stille Trauer hängt zusammen mit dem artifiziellen Firmament über der lädierten Barrackensiedlung. Zusammen mit einer künstlich intelligenten Drohne, die als Interface zwischen eurem hier verschollenen Pelzträger und der Maschinenzivilisation fungiert, findet ihr Stück für Stück heraus, was es mit dieser Welt auf sich hat. Stray dauert zwischen fünf und acht Stunden, je nachdem, ob ihr nur den einfachen primären Weg durch die Story nehmt, oder ein bisschen tiefer buddeln wollt und den Bewohnern mit ihren optionalen Anliegen helfen möchtet. Dann wird es schon ein wenig anspruchsvoller.

Es gibt ein paar verhältnismäßig wichtige Sammelgegenstände, die so gut versteckt sind, dass ich auf gerader Linie durch die Handlung nicht einen einzigen davon entdeckte. Stray belohnt in seinen kleinen offenen Bereichen auf diese Weise ebenso gezielt wie elegant, dass ihr euren Schnurrhaar-gesäumten Riecher wirklich in jede Ecke steckt. Bei einer derart detailverliebt ausgestalteten und beleuchteten Spielumgebung, ist das durchaus eine Freude.

Ich kann nicht so weit zählen, wie oft ich einen Screenshot machen wollte.

Überhaupt ist "elegant" ein gutes Stichwort. Wie man als titelspendender Streuner Satz um Satz über Fensterbänke, Klimaanlagen und Dachrinnen auf Dächer gelangt, nur durch Umschauen und Drücken der A-Taste für einen beherzten Sprung, das erinnerte mich in seiner Leichtfüßigkeit an den Effekt, den die frühen Assassin’s-Creed-Spiele auf mich hatten. Meine Hauptfigur ist einfach sehr, sehr gut im Klettern, seine körperliche Geschicklichkeit nimmt mir die Arbeit ab und ich kann mich aufs Wesentliche konzentrieren, die Suche nach dem richtigen Weg – oder nach was auch immer mir gerade interessant erscheint. Nicht selten kam ich mir wirklich wie eine Katze vor, sooft wie ich vergaß, was ich eigentlich vorhatte, nur weil ein verlockender Sprung in eine andere Richtung meine Neugierde geweckt hatte.

Diese Neugierde zahlt sich fast immer aus, nicht nur, weil man so häufig die versteckten Erinnerungen für unseren robotischen Sidekick B-12 findet, sondern weil die Entwickler von BlueTwelve die Umgebung meisterhaft als Leinwand für ihre Geschichte nutzen. Und manchmal verursacht man einfach nur Chaos, weil man einen Eimer Lack von einer Dachkante bugsierte oder zwei Domino-spielenden Robotern auf den Spieltisch sprang. Katzenmenschen können noch so sehr beteuern, dass das nicht aus Bosheit geschieht, Stray beweist zumindest, dass so etwas oft genug volle Absicht ist.

Und dann sprach Marie erstmal nicht mehr mit mir. Viele der Katz-a-strophen, die ihr anrichten werdet, erzeugen witzige Reaktionen der Bewohner.

Hier und da gibt es auch einige Action-Elemente, deren Natur ich nicht spoilern will. Belassen wir es dabei, dass man gelegentlich unter Druck gerät, weil man vor etwas weglaufen muss. Scheitert man, spielt man die Szene noch einmal. Das ist für diese Sorte Spiel ungewöhnlich und durchaus auch gefährlich, immerhin kann so etwas auch schon mal in Trial-and-Error ausarten. Hier nervte es aber nur ein oder zwei Male kurz. Es enttäuscht eher, dass es spielerisch so simpel ist: Etwas ziellos Schlangenlinien zu laufen reicht häufig aus. Aber es ist okay gemacht – auch weil die Steuerung der Katze ziemlich ordentlich gelöst ist – und als "Hallo-wach-Moment" oft genug sehr effizient.

Gleichzeitig sollte man wohl die Warnung geben, dass Stray hier und da trügerisch niedlich ist. In dieser Welt steckt eine Menge Finsternis und nicht jede Szene ist geeignet, um sie etwa mit Kindern von unter zehn Jahren zu erleben. Also Obacht!

Stray Test – Fazit:

Wenn man Stray so spielt, kommt man durchaus ins Grübeln, warum wir nicht häufiger Spielewelten aus Tiersicht erleben dürfen (oh Gott, erinnert sich noch einer an David Braben’s A Dog’s Life?). Die Verschiebung auf Kniehöhe entfremdet die Umgebung auf spannende Weise und lässt jede Herausforderung noch größer und gefährlicher wirken. Wenn dann in einem Szenario so viele gestalterische und erzählerische Kniffe stecken, wie in der von Stray, wirkt der Blick von unten wie ein Verstärker und intensiviert das Erlebnis beachtlich. Viel davon liegt natürlich im Charme der feingliedrigen Hauptfigur, die sich an Beinen reibt, die Krallen an Tapeten oder Teppichen wetzt oder einfach nur verdammt beruhigend aussieht, wenn sie sich auf Knopfdruck auf etwas Weichem bettet. Insgesamt sind Stray sechs relaxte, ab und an aber auch spannende Stunden in einem der ausgefalleneren Abenteuer der letzten Zeit. Lohnt sich!

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