Street Fighter 6 und seine World Tour: Fausttanz durch Metro City
Mein Kung Fu ist besser als deins.
Mächtiges Drive-System, Live-Kommentatoren, modernisierte Optik, schicke Effekte und Animationen dank Einsatz der Reach for the Moon Engine aus Resident Evil 7: Biohazard, Village oder Monster Hunter Rise und einsteigerfreundliche Steuerungsoptionen: Ich kann Benjamin nur zustimmen, der in seiner Vorschau zu Street Fighter 6 vor gut einem Jahr geradezu ins Schwelgen geraten ist: Der kommende Serienableger scheint auf Anhieb deutlich mehr zu bieten als der verunglückte Vorgänger, der erst im Laufe der Jahre zu einem ordentlichen Prügler reifte.
Rund vier Wochen vor dem Release hatte ich die Gelegenheit einige Stunden selber Prügel auszuteilen und natürlich auch nicht zu knapp einzustecken. Neben einigen Runden im Arcade Modus mit altbekannten Recken wie Chun-Li, Ryu, Blanka oder Dhalsim sowie den Neuzugängen Marisa und Manon, konnte ich auch die ersten beiden Kapitel der World-Tour spielen. Gerade auf die neue Einzelspielererfahrung, in der ihr einen eigenen Straßenkämpfer kreiert und euch auf den langen und beschwerlichen Weg zum Kampfkunstmeister macht, war ich besonders gespannt.
Zuerst aber waren einige Runden Fighting Ground angesagt, bei denen ich mir die 18 Kämpfer und 16 Stages anschauen und mich schon mal warm spielen konnte. Und ich habe schnell gemerkt, dass ich doch mehr als nur ein wenig eingerostet war und bekam in den ersten Matches kräftig auf die Mütze. Abhilfe aus dem Dilemma schaffen die neuen Steuerungslayouts, die den Frust durch einen schnellen K.O. minimieren und besonders für Prügelspiel-Frischlinge einen leichten Einsteig möglich machen.
So könnt ihr neben der klassischen Steuerung die moderne Variante wählen, bei der Special Moves mit nur einer Taste ausgeführt werden. Gegen Street Fighter-Profis, die jede noch so komplexe Kombination aus Richtungs- und Aktionstasten im Schlaf herunterbeten können, seht ihr immer noch keine Schnitte, aber die Reduzierung der benötigten Tasten für optisch opulent in Szene gesetzte Spezialattacken, hilft enorm. Es geht sogar noch einfacher, wenn ihr das dynamische Steuerungslayout nutzt, bei dem auch Kombos KI-unterstützt mit nur einer Taste vom Stapel gelassen werden.
Zumindest in der Theorie reicht dann ein Knopfdruck für beeindruckende Angriffe, Blocks und Konter. In der Praxis funktionierte das aber nur so mittelprächtig: Mal habe ich meinen Gegner Dank KI mit ein paar halbwegs gut getimten Eingaben auf den Boden geschickt, mal hat meine Unterstützung komplett versagt. Vielleicht lernt die Künstliche Intelligenz ja noch dazu, dann ist diese Steuerung eine echte Option für alle, die einfach nur mal ein paar Runden bestreiten möchten, ohne einen Masterkurs Tastenbelegung zu absolvieren.
Wenn ihr eure eigenen Regeln für einen Fight aufstellen möchtet, habt ihr die Möglichkeit ein Special Match zu gestalten. Zuerst legt ihr die Bedingungen fest, beispielsweise, ob fünf Niederschläge bereits für den Sieg reichen, nur eine Gesundheitsanzeige für beide Spieler gilt und diese sich bei Treffern in die eine oder andere Richtung verschiebt oder zufällig Boni und Malusse verteilt werden. So kann es sein, dass zwar der Angriff erhöht wird, dafür aber Special Moves oder Dashs deaktiviert sind. Lasst euch einfach überraschen. Zusätzlich lassen sich noch Gimmicks hinzufügen, bei denen dann zufällig ein Stier durch die Arena läuft und die Kämpfer auf die Hörner nimmt, wenn sie nicht rechtzeitig ausweichen oder Drohnen und Bomben auftauchen, um die ihr euch zeitnah kümmern sollt.
Optisch gefällt mir die Präsentation der Kämpfer, die nach der Auswahl unter Rap-Musik-Untermalung mit martialischen Gesten in die Arena einziehen und die detaillierten und animierten Stages wie Thunderfoot Settlement, der überarbeitete Carrier Byron Taylor oder die nebelverhangene King Street inklusive Doppeldeckerbus und britischem Telefonhäuschen. Auf Wunsch lassen sich die Fights auch von in der Street Fighter-Szene bekannten Personen wie Jeremey Lopez, Steve Scott, Kosuke Hiraiwa, Hikaru Takahashi oder der Wrestlerin Thea Trinidad in Echtzeit kommentieren. Die Sprachausgabe ist englisch oder japanisch, deutsche Untertitel können eingeblendet werden, was mich aber eher vom Bildschirmgeschehen abgelenkt hat.
Jetzt wird es Zeit für einen Ausflug nach Metro City, dem Schauplatz der Einzelspielerkampagne, in der ihr mit einem selbst kreierten Kämpfer oder Kämpferin dem Namen Street Fighter alle Ehre macht und euch wirklich auf den Straßen kloppt. Bevor ihr aber einen Fuß in die Stadt setzen könnt, gilt es in der üppigen Charakterstellung akribisch den kommenden Meister aller Klassen zu erstellen. Dazu stehen euch Dutzende von Avatar-Einstellungen zur Verfügung, die so manches RPG alt aussehen lassen: Identität, Körpertyp, Proportionen, Muskelausprägung, Hautfarbe, Behaarung oder Bemalung bis hin zu Details wie Iris, Wimpern und Augenbrauen bastelt ihr genau die Figur, mit der ihr die nächsten Tage und Wochen verbringen möchtet.
Alleine mit der Erstellung hätte ich schon meine ganze Anspielzeit verbringen können, habe mich dann aber aus Zeitgründen für eine weitgehend aus Vorlagen zusammengebastelte Tiger-Lady entschieden. Klasse: Ihr könnt eure Auswahl als Rezept speichern und auch der Street Fighter-Community als Vorlage zur Verfügung stellen. Habt ihr eure Wahl getroffen, geht es gleich zu Luke, der als Coach den Neuankömmling in die Grundlagen einweist. Habt ihr euch als würdig erwiesen, entlässt euch Luke in die weite Welt, um auf der Straße Erfahrung zu sammeln. Die weite Welt stellt dabei die fiktive Stadt Metro City dar, in der sich allerlei Gesindel herumtreibt.
Ausgerüstet mit einem Smartphone, über das ihr Informationen und Aufträge bekommt, macht ihr euch daran, die Spielwelt zu erkunden. Völlig offen ist Metro City dabei nicht, sondern in weitläufige Gebiete aufgeteilt, zwischen denen ihr reist. Die belebte Stadt bietet euch dabei wirklich an jeder Ecke eine Möglichkeit, eure Kampfkünste zu verbessern. Das fängt mit den Einwohnern an, die einem schnellen Fight nie abgeneigt sind. Nähert euch einfach einem Passanten, fordert ihn zum Duell und los geht’s mit der 2D-Prügelei. Ob es sich dabei um einen zufällig herumstehenden Imbissverkäufer oder eine ältere Dame handelt, ist egal. Wenn ihr wollt, fliegen die Fäuste.
Dabei solltet ihr aber auf das angezeigte Level der Person achten, selbst die nette Oma kann euch kräftig den Hintern versohlen, wenn ihr Level deutlich über eurem ist. Also nehmt ihr euch erst einmal die Zeit und sammelt bei einfachen Aufträgen und Straßenkämpfen gegen friedliche Passanten genügend Erfahrungspunkte, um stärker und besser zu werden. Vergesst nicht, euch mit Getränken und Essen bei den Händlern einzudecken, eure Gesundheitsleiste erneuert sich nicht automatisch nach Kämpfen. Das nötige Kleingeld für den Lebensunterhalt verschafft ihr euch bei den abwechslungsreichen Missionen und spaßigen Minispielen. So könnt ihr in Old-School-Pixeloptik Fahrzeuge zertrümmern, während die Zeit abläuft oder in einem Minispiel in der Optik eines 1970er-Jahre Kung Fu-Films Bretter zertrümmern.
Euer Ziel ist es, im Lauf der anscheinend sehr umfangreichen Kampagne alle 18 Kämpfer aus Street Fighter 6 zu finden und als Meister zu gewinnen. Der Lohn für die Mühe: Ihr erlernt deren Techniken, wenn ihr euch würdig erweist. Ausgestattet mit mächtigen Super Arts von Luke, Chun-Li und Co. könnt ihr es dann mit immer stärkeren Gegner aufnehmen, zu denen zum Beispiel die schrägen Karton-Banditen gehören, die euch in Gruppen auflauern. Ich konnte bis zum Ende von Kapitel 2 der World-Tour spielen und verfügte bereits über Spezialattacken von zwei Meistern, was bei den Bossfights für einen erheblichen Vorteil gesorgt hat.
Als Yakuza-Fan macht mir die Erkundung von Metro City gehörig Spaß. Die Stadt wirkt lebendig, an jeder Ecke gibt es was zu entdecken und wenn man es will, kann man jeden Bewohner zum Kampf herausfordern. Zusätzliche Rollenspielelemente, wie das Erlernen und Verbessern von Fähigkeiten, der Kauf von Accessoires, die ebenfalls eine Auswirkung auf das eigene Stehvermögen haben und die Kämpfe gegen die irgendwie drollig aussehenden Banditen mit Kartons auf dem Kopf machen richtig Laune. Ich werde auf jeden Fall im Juni meinen Razer Panthera Evo Arcade Stick abstauben, meine Kampfkünste auf die Probe stellen und Metro City weiter erkunden. Es ist lange her, aber ich freue mich wirklich auf ein neues Street Fighter.