Strider - Test
Die höchste Form des Kampfes ist es, nicht zu kämpfen? Von wegen!
Es gibt immer wieder mal so Dinge, bei denen man sich fragt, wie es dazu kommen konnte. Das muss doch einer gesehen haben! Spätestens bei diesem speziellen der vielen Bossgegner, der den Spieler die ganze Zeit über zuquatscht und verspottet, während eigentlich er selbst gut einstecken muss, ist das doch so klar wie nur irgendwas: Die übergroßen Untertitel müssen weg! Sie nehmen das untere Fünftel des Bildschirms sinnlos ein und bleiben auch noch viele Sekunden stehen, nachdem die inhaltlich wertlosen Sätze - wenn es in diesem Spiel um etwas nicht geht, dann ist es die Handlung - gesagt wurden. Die meiste Zeit lässt sich das ignorieren, bei diesem speziellen Kampf jedoch zoomt das Bild weit raus, ihr seid nur am Boden unterwegs und dort landen auch fast alle der extrem gefährlichen Angriffe. Viel Glück beim Ausweichen. Viel mehr als das bleibt euch nicht, wenn mal wieder ein blöder Spruch die Spielfigur verdeckt.
Gipfelgetriebene Spaßkurve mit gelegentlichen Talfahrten
Es ist auch so faszinierend, dass keine Option diesen Unsinn beendet. Sonst ist ganze Spiel auf perfekte Spielbarkeit getrimmt. Die Kontrolle, die ihr über euren Super-Ninja habt, ist tadellos und muss bei den drei gut ausbalancierten Schwierigkeitsgraden auch sein. Ich würde nicht ganz so weit gehen, das Strider-Remake mit Ninja Gaiden auf dem NES zu vergleichen, aber auf Hart ist das schon ganz alte und stellenweise auch mal nur bedingt faire Schule. Zumindest wenn ihr nicht Gaiden-gut seid. Selbst die „leichte“ Runde wird euch gerade bei den Bossen fordern. Das hier ist kein Einstieg in das Genre, Strider will es oft genug wissen.
Es unterscheidet sich darin zwar nicht grundlegend von seinen Vorgängern, jedoch ist der Aufbau nun weit komplexer, als er es zu seiner Gründung auf dem Mega Drive war. Strider HD ist ein fast klassisches Metroivania, in dem ihr euch nach und nach die Fertigkeiten freischaltet, die euch in neue Bereiche voranbringen oder in bekannten Arealen die letzten Verstecke plündern lassen. Da es diese Gattung gerade auf den großen Konsolen nicht jeden Tag zu sehen gibt, ist es eine willkommene Anpassung der Serie an eine komplexere Spielezeit. Die Umsetzung ist kompetent, ohne beim Design großes neues Terrain zu betreten. Offene Areale wechseln sich mit engeren Gängen ab, die Gebiete sind verschachtelt genug, um sich eine Weile darin auf der Suche nach Extras herumzutreiben, und wer darauf aus ist, die hundert Prozent zu erreichen, kann in Anlehnung an die Debatte, wie viel Spielzeit man für 15 Euro bekommen sollte, hier ein echtes Schnäppchen abschießen. Pro Stunde ein Euro könnte ungefähr hinkommen, wahrscheinlich fahrt ihr sogar noch besser.
Betrachte ich rückblickend meine Spaßkurve über diese Zeit hinweg, dann liegt sie zwar im Durchschnitt deutlich im grünen Bereich, es sind aber ein paar ganz schöne Spitzen und Täler im Verlauf erkennbar. In Letztere fiel ich immer wieder dann, wenn es mal wieder durch einen nichtssagenden Fabrikkorridor ging, der die Schönheit von Grau in Grau feierte und mich mit ein paar banalen Gegnern am zügigen und leider gelegentlich nötigen Backtracking hindern wollte. So schön das Design an vielen Stellen gelang, es einen vor allem in den großen Arealen immer wieder mal kurz innehalten lässt, es gibt halt auch dieses Füllmaterial, ohne das kaum ein Spiel dieser Art auszukommen scheint.
Bosse. Was würden wir nur ohne sie tun?
Dann jedoch gibt es Sprungpassagen, die viel abverlangen und sich dank besagter Präzision der Steuerung einfach nur gut anfühlen. Gegneranordnungen, die auf den ersten Blick harmlos wirken, sich jedoch als ganz schön trickreich entpuppen, und schließlich die Bosse. Sie sind so oft großartig, eigentlich immer, solange sie nicht reden. Die haben viel Lebensenergie, teilweise über ein Dutzend Angriffsmuster und sie heizen euch gerade auf Normal und Hart so dermaßen ein, dass Pads fliegen werden. Sie sind aber durchweg fair. Habt ihr erst mal verstanden, wie sie ticken, wo die Schwachpunkte liegen und wann ihr einfach mal besser nur zuseht, dass ihr wegkommt, nehmt ihr sie mit chirurgischer Präzision auseinander. Sie waren es, die mich über jede schwache Wandereinlage hinwegtrösteten, zur Weißglut trieben und mich schließlich zufrieden mit mir und der Welt ziehen ließen. Nicht dass sie eine Wahl gehabt hätten, nachdem ich sie so fachgerecht zerschnetzelte.
Die Bosse machen auch gut deutlich, dass Strider ein unglaublich schnelles Spiel ist. Ihr habt gegen die meisten Angriffe keine Deckung und auch keinen echten Schutz. Im Original ging es darum, nie getroffen zu werden. Hier ist das grundsätzlich unmöglich. Dafür jedoch gibt euch jeder Gegner bei seinem Ableben ein klitzekleines bisschen Lebensenergie zurück. Gerade so viel, wie ihr verloren habt, wenn ihr schnell genug wart. Rennen und zuschlagen, viel springen, die Bewegungsmöglichkeiten per kurzem Teleport ausnutzen und Decke wie Wände zum Hangeln, Flüchten und für den Gegenangriff nutzen. Alles, nur nie stehen bleiben.
Durch die lange Spielzeit bindet ihr nach und nach die neuen Angriffe und Fertigkeiten ganz natürlich ein und habt nie das Gefühl, damit zugeworfen zu werden. Das Timing des Spiels ist jedoch gut genug, um euch nie zu lange ohne einen Fortschritt zu lassen, und so arbeitet ihr euch durch eine Horde von verrückten Bossen und ihre unzähligen, immer wieder respawnenden Schergen vor. Wer jetzt bei „Respawn“ gerade an „unendliches Hochleveln“ dachte, liegt zum Glück falsch. In Strider wird nicht gelevelt. An bestimmten Punkten bekommt ihr die neuen Extras, der Rest bleibt ausschließlich eurem Talent überlassen. Gut so. Endlich mal wieder und eine willkommene Abwechslung in Richtung des „Metroid“ im inzwischen fast etablierten Genre-Namen.
Ein echter 80s-Ninja
Den Online-Modus zu beschreiben geht schnell - Leaderboards für die Zeit, in der ihr einen Durchgang beendet habt. Die freischaltbaren Extras zu preisen, das auch - nette Artworks, ein paar nette Herausforderungen, langweilige Texte -, also lasst mich noch kurz den visuellen Stil preisen. Der Held verdient daran einen guten Anteil, verzichtet er doch auf jede Anbiederung an eine moderne, vermeintlich dunklere Zeit. Von den weißen Kniestrümpfen über das grundsätzlich hinter dem Rücken gehaltene Schwert hoch zum wehenden Schal ist er ein Geschöpf einer vergangenen japanischen Arcade-Welt, aus der die Moderne sich leider zu wenige Anleihen holt. Ist er der Farbtupfer, dann ist die graue Welt des fiktiven Ultra-Kommunismus im Hintergrund der ihm zuspielende Gegenpart. Ihr detaillierter, dunkler Comic-Stil als Kontrapunkt erfüllt seine Aufgabe oft genug mit Bravour. Ein paar zu viele graue, langweilige Gänge sind es zwar schon, aber irgendwas ist ja immer.
Dieses „Irgendwas“ läuft nicht nur auf ein paar selten dämlich eingeblendete Untertitel hinaus. Der Aufbau von Strider mag zwar ein Schritt für die Serie sein, das kleine Rand-Genre, dem es sich so deutlich zugehörig fühlt, bringt es jetzt nicht groß voran. Was ihm jedoch hier an Inspiration abgeht, holt sich das Spiel in seinem Tempo und den Bewegungen des Helden wieder zurück. Sind diese Games meist doch eher ruhiger angelegt, erwartet Strider von euch in jedem Kampf Vollgas. Erst wenn der letzte Gegner darniederliegt, sollt ihr wieder Luft holen, und oft genug gelingt ihm das. Insbesondere einige der Bosse, die es mit den Besten der goldenen 16-Bit-Jahre aufnehmen können, lassen euch das nachhaltig wissen, und dank einer praktisch perfekten Steuerung nehmt ihr die Herausforderung mit einem grimmigen Lächeln ein jedes Mal mit Freuden an. Es sind diese Momente, die Strider trotz eines nicht ganz frischen Ansatzes sehr lebendig halten.