Stronghold 3
Festungen feiern, wie sie fallen
Der neue Tageszeiten- und Witterungswechsel der eingekauften Engine vom deutschen Entwickler Trinigy (befeuerte unter anderem auch Siedler 7) macht es zudem möglich, dass das Fußvolk bei strahlendem Sonnenschein Loblieder auf euch singt. Gleichsam können sich Herren, die ohnehin schon einen schweren Stand bei ihren Plebejern haben, bei Regen auf zusätzlichen Unmut einstellen. Das mittelalterliche Völkchen wirft euch also buchstäblich sogar das miese Wetter vor. Undankbares Pack.
In der von uns gespielten Wirtschaftsmission – derer es acht geben wird, während die Militär-Kampagne 17 Missionen enthält – kam dabei bisher ein gesundes Maß an Hektik und Geschäftigkeit auf. Kein Vergleich mit dem schieren Stress, der das Spiel in Stronghold 2 ab einer gewissen Burgen-Größe regelmäßig zur Arbeit werden ließ. Trotzdem war der Probehappen verdammt spannend, weil wir unter einem Zeitlimit eine bestimmte Menge verschiedenster Ressourcen fördern mussten, während wir uns mit Wölfen, Bären und Mehltau auf den Äpfel herumschlugen.
Eine Belagerungsmission durften wir unterdessen noch nicht spielen. Firefly demonstrierte aber vor allem die neuen, prozedural generierten Mauern, die bei Beschuss realistisch und schön nachvollziehbar bröckelten und bei denen vereinzelte Trümmer sogar Schaden unter den Truppen anrichten können. Außerdem fallen eure Streiter nun mit gut umgesetzten Ragdoll-Effekten von den Zinnen und rollen mit unschön verdrehten Gliedmaßen den Berg hinunter. Eine weitere Neuerung, die sich nicht nur optisch, sondern auch spielerisch bemerkbar macht, ist die Möglichkeit, jedes Gebäude stufenlos um 360 Grad zu rotieren, bevor man es in seiner Feste errichtet.
Auf diese Weise entstehen nicht nur wunderbar organisch anmutende Dörfer, ihr nutzt auch jedes bisschen Platz effektiv. Sehr gut gefallen hat uns vor allem die Tatsache, dass Unterkünfte mehr Leute fassen und entsprechend größer werden, je näher ihr sie am Bergfried – eurer Schaltzentrale – platziert. Glaubwürdige, echt ausschauende Siedlungen entstehen so schon beinahe automatisch, wenngleich man sagen muss, dass der Titel trotz hübsch wechselnder Beleuchtung und Tiefenunschärfe nicht unbedingt auffällig schön ist.
Grau- und Brauntöne dominieren das etwas nüchterne Bild und vermitteln damit trotz des regen Treibens im Innern eurer Burg – Hausfrauen, die Ratten mit ihrem Kehrgerät plätten, spielende Kinder, et cetera – ein dreckiges und etwas trostloses Mittelalter-Flair. Aber angesichts der harten Zeiten, die die Simulanten unter euch durchmachen, kann man das in diesem Fall auch als Stilmittel auffassen. Rein technisch gesehen geht der Titel vollkommen in Ordnung.
Die letzte Stunde unseres Studio-Besuches tobten wir uns übrigens ausgiebig im Karten- und Burgen-Editor des Spiels aus, der auch der Verkaufsversion wieder beiliegen wird. Dabei handelt es sich zum dasselbe mächtige Tool, das auch Bradbury und Co. für die Kampagne und die historischen Maps benutzen. Die Community soll eigene Level bauen und teilen – und bitte nicht allzu viele Penis-Gebilde in ihren Kreationen verstecken. Viel Spaß beim Moderieren, Firefly! Was die möglichen Schlösser selbst angeht, sind mit den neuen schmalen und daher unbegehbaren Mauern und Türmen, die herzhaft an zuvor platzierte Wände heranschnappen, nun noch mehr Variationen zumindest denkbar, auch wenn wir bei unseren ersten Gehversuchen noch unsere Probleme hatten, eine in sich geschlossene Festung zu errichten - allerdings hatten wir das Terrain zuvor auch schon ziemlich zerfurcht.
Der kurze Trip in die britische Hauptstadt hat sich trotz der etwas beunruhigenden sozialen Begleitumstände durchaus gelohnt. Stronghold 3 ist allem Anschein nach der Posterboy eines Aufbauspiels: Mit taktischer Tiefe gesegnet und dabei gleichzeitig schnell zu begreifen, liegt die Einstiegsschwelle erstaunlich niedrig, während das befriedigende neue Bausystem mit seinen frei drehbaren Einrichtungen unmittelbar für gute Ergebnisse sorgt. Ereignisdichte und Bevölkerungsmanagement halten das Spiel von Minute zu Minute interessant und die direkte Simulation jedes einzelnen gewonnenen Steins sorgt in zeitkritischen Missionen sogar noch für eine Spannung, von der sich einige Zukunfts-Agententhriller noch eine Scheibe abschneiden könnten.
Und wenn es diese Werte sind, auf die wir Deutschen angeblich so stehen, dann ist jenes spezielle Vorurteil eines, mit dem ich gut leben kann.
Stronghold 3 erscheint in diesem Herbst für PC.