New Super Lucky's Tale (Nintendo Switch) - Test: Die Kamera ist frei!
Das 2001er-Upgrade für den 1999er Maskottchen-Hüpfer.
Es ist gut, dass Entwickler Playful sich weigert, seinen kleinen Fuchs zu vergessen und zum nächsten Spiel überzugehen, selbst wenn der Rest der Welt es scheinbar immer wieder tut. Es ist nicht leicht, ein Maskottchen im Jahr 2019 zu sein, so wenig wie es das 2017 war, als Lucky den Sprung von VR auf den unwahrscheinlichen Platz eines Xbox-One-X-Launch-Titels machte. So ein Spiel müsste sich auf der Switch viel mehr nach der richtigen Platzierung anfühlen. Und siehe da, wäre es 1991, dann wäre das der große Weihnachtsplattformer auf einer Nintendo-Konsole in einem (fast) Mario-losen Jahr. So ist es immerhin ein gutes Gefühl, dass Lucky noch nicht vergessen wurde.
Playful war jetzt auch alles andere als faul. Da ist jetzt ein "New" im Titel von New Super Lucky Tale und ohne Frage ist es verdient. Nur gut ist es nicht in allen Belangen, aber keine Sorge, es wird auch etwas geboten, das damals wirklich schmerzhaft fehlte: Endlich kann man die Kamera frei drehen, wie in jedem anderen 3D-Plattformer seit der Erfindung des zweiten Analog-Sticks. Fantastisch, Halleluja und willkommen im Gameplay-Jahr-2002, Lucky. Es spielt sich wirklich oft ein gutes Stück besser und sicherer, Verstecke von Extras machen nun mehr Sinn und es gibt auch jede Menge neue davon.
Muss es auch, denn zuvor spielte Lucky vor allem in seinen Hub-Welten damit, dass ihr eben die Kamera nicht in jede Nische drehen konntet und nutzte das aus, um euch die Goodies nicht einfach in den Schoss fallen zu lassen. Das geht nun und im Gegenzug wurden die Hub-Welten irgendwie "aufgeräumt". Ich kann es nicht anders beschreiben. Wo vorher fast wahllos kleine Extras, Münzen und Tierchen zum Herumschubsen verstreut waren, wirkt es nun, als wäre jemand mit einem Staubsauger rübergegangen. Die Level selbst wurden auch verändert, aber deutlich dezenter und hier scheint es oft mehr ein Feintuning des Gameplays gegeben zu haben, was ehrlich gesagt auch oft gutgetan hat. "New" ist hier das bessere Spiel, selbst wenn der Hub nun mehr ein Spazierweg als ein Spielplatz ist.
Dass belanglose Dinge fehlen, heißt nicht, dass es weniger Details gibt. An der Optik hat man ordentlich geschraubt. Das etwas einfache Licht überarbeitet und die oft harten Übergänge fließender gestaltet. Persönlich fand ich den gröberen, aber poppigeren Look des Originals ansprechender, aber sofern es objektive Schönheit geben sollte, hat sich Lucky dieser in New wohl angenähert. Gerade in den Stages wirkt alles ein wenig lebendiger und greifbarer, also ja, hier ist einiges passiert und manchmal vielleicht sogar etwas zu viel. 30 Frames ist wohl das Ziel der Switch und die meiste Zeit erreicht sie das auch. Selten eine ganzen Stage lang allerdings.
Und dann ist da ein Problem, das die Switch leider öfters plagt als einem lieb ist: Die Ladezeiten. Und ich will gar nicht der Switch die Schuld geben, nicht allein wenigstens. Aber wenn ich schneller einen Spielstand von Witcher 3 vom Switch-Startmenü aus starte, bis zu dem Punkt, an dem ich spielen kann, als ich das in New Super Lucky's Tale schaffe, dann ist das nicht ideal. Gut eine Minute dauert das hier. Ein neuer Hub braucht 20 Sekunden, eine Stage 15 bis 20, ein Bonus-Level 10 bis 15 und es vergehen selten fünf Minuten, bis etwas geladen wird. Es summiert sich einfach zu sehr hier, als dass es nicht auffallen würde.
Und trotzdem kann ich Lucky nicht böse sein. Er ist einfach eines der niedlichsten Maskottchen der letzten Jahre, die Plattform-Action ist grundsolide und absolut unterhaltsam, es gibt so viele Bonus- und Geheimlevel, dass immer etwas zu tun ist. Wie schon gesagt, wäre das jetzt 2002, dann hätte er eine Chance auf eine Karriere. Aber so tut es einfach dann und wann gut, einen simplen, ehrlichen und kompetenten 3D-Plattformer zu spielen, der in der Lage ist zu zeigen, warum das Genre so viel Spaß machen kann. Und wer weiß, vielleicht hat der kleine Fuchs ja eines Tages doch noch seine große Stunde.
Der ursprüngliche Test der Xbox-One-Version:
Stell euch vor, die schnellste, höchstentwickelte Spielkonsole ihrer Zeit erscheint und es gibt nur einen einzigen Exklusivtitel - zählt man nicht Luckys erstes Leben als VR-Titel -, der wirklich mit ihr zusammen veröffentlicht wird. Wäre das nicht das Spiel, bei dem man erwarten würde, dass es der absolute Showcase ist? Selbst wenn es nur ein nicht sonderlich tiefschürfendes Rebel Assault oder ein Ridge Racer wäre, irgendwas, das auf technischer Seite in die Vollen geht. Nun, die One X wird sich für diese Zwecke mit bekannten Games begnügen müssen - was ihr auch durchaus beeindruckend gelingt - aber Super Lucky's Tale ist ganz sicher nicht dieses Spiel. Außer wir hätten 2002 und es käme auf der Xbox "The real One" raus. Vielleicht. Eher 2000 und PlayStation 2, denn am ehesten fühlt sich Lucky's Tale nach einem verlorenen Naughty-Dog- oder Insomniac-Spiel dieser Zeit an. Das meine ich als absolutes Kompliment. Aber dieses hätte ich auch in 480p vergeben, da brauchte es jetzt keine 4K.
Aber ja, ihr habt einen aus der Zeit gefallenen Maskottchen-Plattformer, der die volle 4K-Power in 60 Frames darstellt, egal ob das nötig ist oder nicht. So ist Lucky halt. Ist es nötig, dass ich zig kleine Tiere, die meinem Fuchs nichts tun, immer wieder verdresche, in Abgründe stürze und zugucke, wie sie in ungeahnte Tiefen stürzen? Nein, absolut nicht. Aber ich tue es, weil es geht und aus diesem Grund habt ihr hier auch 4K. Technik out. Nun, um fair zu sein und die ganze Wahrheit zu erzählen: Es gibt kaum Details, die bei einem Drittel der Auflösung in diesem Spiel verloren gingen, aber das heißt nicht, dass ich das generelle Design nicht sehr viel mehr schätzen würde, als ich es nach ersten Trailern und missglückten Anspielstationen erwartet hätte. Die Farben sind reichhaltig und satt, so wie man sich das von einem guten Titel dieser Art erhofft. Die ganze Palette wurde über eine bunte, fröhlich und um weiter ehrlich zu sein, auf eine sehr generische Art liebenswerte Welt gekippt. Ich mag Farben in meinen Spielen und in diesem Punkt liefert Lucky und das ist wichtiger als 4K.
Was die Story angeht: Es ist ein Maskottchen-Plattformer im Stil der späte 90er. Ja, es gibt eine Story. Aber keine für die man das hier spielt, zumal sie in der Zusammenfassung eh klingen würde wie Aesops drogeninduzierte Fieberträume. Da ist ein Fuchs und ein anderer Fuchs stürzt mit dem Flugzeug ab und dann sind da sechs böse Katzen, die die Welt erobern wollen, aber der erste Fuchs springt in ein Buch und da sind auch die Katzen und... Die Moral von der Geschichte ist, dass Füchse und Katzen nicht miteinander können. Und dass Katzen die Welt erobern wollen, aber das ist nicht neu, das Internet gehört ihnen schon.
Egal, ihr habt eine knappe Handvoll großer Welten, in denen ihr nach und nach 99 Kleeblätter einsammelt, weil... warum nicht. Jede Welt hat ein eher lose definiertes Thema, einen lose dazu passenden Boss, ihr schaltet in jeder der Hubwelten die eigentlichen Stages frei und... oh mein Gott, ich schreibe einen Test aus dem Jahre 1999. Aber das ist Super Lucky's Tale eben! Auf die beste Art! Die einzelnen Stages reichen von kleinen 3D-Welten mit viel Erkundung über 2,5D-Stages, die ihr von der Seite seht, bis hin zu kleinen Speed-Runs, bei denen ihr nur zuseht, dass der ewig rennende Fuchs im richtigen Moment den Absprung kriegt. Es ist meist gut designt, selten länger als zehn Minuten und ausgesprochen abwechslungsreich. Und ich weiß, dass ich alles, jeden einzelnen Absprung schon mal gespielt habe. Über zehn Jahre - ca. 1997 bis 2007 - und zwanzig Spiele verteilt. Selbst das Buddel-Feature, bei dem sich der Fuchs durch die Erde unter Hindernissen weg oder zu Gegnern hin buddelt kommt mir bekannt vor. Ich weiß nicht mehr woher, vielleicht transzendiert Super Lucky's Tale an diesem Punkt bereits die normale "Hommage" und schafft ein Plagiat, das gar keines ist, sich aber durch und durch so anfühlt. Wiederum, nicht dass ich mich wirklich beschweren würde, dafür hatte ich viel zu viel Spaß. Aber faszinierend ist es.
Vor allem in Sachen Abwechslung glänzt Lucky weit heller als je erwartet. Selbst wenn man anfangs denkt, dass man gleich sehen würde, was Sache ist - oh, noch eine freier 3D-Stage - hat doch jeder seinen Twist drin. Ich würde nicht sagen "eigenen" Twist, aber das hatten wir gerade. Nein, es ist mehr so, dass ihr trotz weniger und entgegen aller Trends nicht ausbaubaren Fertigkeiten des Fuchses immer wieder ein klein wenig geistig umdisponieren müsst, wenn hier und da kleine Rätsel eingestreut werden, oder ungewöhnliche - oder vielmehr unerwartete - Geschicklichkeitseinlagen des Weges kommen. Es spielt sich alles locker weg und das sogar, obwohl es nicht mal wirklich einfach ist. In jedem Level könnt ihr vier Kleeblätter finden. Einmal für das Sammeln fünf versteckter Buchstaben, eines in einem Puzzleraum, eines dafür, dass ihr den Stage schafft und eines gibt es für eine immer wechselnde Voraussetzung. Diese ist dann der Kreativitäts-Joker beim durchdachten Leveldesign und manche Level werdet ihr oft besuchen, um alle vier Blätter zu finden. Und ihr werdet es gern machen, weil Lucky zu spielen schlicht und einfach Spaß macht.
Neben all der Farbpracht und den vielen kleinen Tierchen, die sich sinnlos verhauen lassen - nach diesem Spiel freuen sie sich geradezu darauf, bei Robotnik eingesperrt zu werden, alles, nur nicht der Fuchs! - passt die Bewegung des Fuchses. Die Steuerung ist immer ein kritischer Punkt in diesen Hüpfern und auch wenn Lucky sicher kein Mario ist und ihr euch ein, zwei Level an die genauen Sprungreichweiten gewöhnen müsst, vermittelt es doch genug Freude an der Bewegung.
Wo es dann ganz traditionell ein wenig hakt und fast schon haken muss, weil wenn man alles abkupfert, warum nicht auch das: Die Kamera. Lucky nutzt einen Trick, um dem Schlimmsten zu entgehen. Ihr habt nur drei Einstellungen. Eine zentrale Perspektive und dann eine etwa 45-Grad-Drehung nach links oder rechts, um an den Seiten mehr sehen zu können. Das ist es, keine freie Kontrolle, sieht man mal von der obligatorischen Möglichkeit der stationären Ego-Sicht ab. Diese Einschränkung bedeutet, dass sich die Designer darauf verlassen konnten, dass ihr keine wilden Schwenks nutzt und wussten, wie sie ihre Objekte platzieren mussten. Und doch hakt es ein wenig, denn der Schatten, der bei solchen Spielen Pflicht sein müsste, ist manchmal, aber nicht immer richtig zu sehen, die Tiefe lässt sich bisweilen etwas schwer abschätzen und so landet ihr auch oft genug mal im Nirgendwo unter der angepeilten Plattform. Es ist weit besser als bei den meisten Spielen, die wirklich aus der Ursprungsära des Genres stammen, nicht schlimmer als bei zum Beispiel Yooka & Laylee. Aber ideal ist halt nur Mario Odyssey. Und fast alle 3D-Marios zuvor. Warum wird hier nicht mehr abgekupfert, wenn man eh schon voll dabei ist?
Tja, da habt ihr es, der exklusivste Exklusiv-Titel für das Powerhouse One X und es ist ein Spiel, das ca. 1999 ein Zeitloch fand, auf dem Weg noch einen Upscaler assimilierte und euch nun mit seiner unwahrscheinlichen Existenz erfreut. Klingt wahnsinnig zynisch und so ist es zu einem gewissen Grad auch gemeint, aber eben doch nur ein bisschen, weil Super Lucky's Tale bei aller Vertrautheit ein gut designter und ausgesprochen spaßiger Vertreter seiner halb ausgestorbenen Gattung ist. Eine weitere willkommene Erinnerung daran, dass es an Hubwelten mit kleinen, abwechslungsreichen Stages voller Hüpf- und ein wenig Puzzle-Glück nichts auszusetzen gibt, wenn man es richtigmacht. Orientierte sich Yooka & Laylee zuletzt an Rare und Cuphead an Treasure, dann sollten wir Super Lucky's Tale wohl als Hommage an Insomiacs und Naughty Dogs PS2-Tage willkommen heißen. Das ist vielleicht ein etwas ungewöhnlicher Auftakt für die Xbox One X, aber wenn ich so drüber nachdenke: Lieber dieses kleine gute Spiel als irgendein Grafikblender.
(Super Lucky's Tale läuft natürlich auch auf einer normalen Xbox One oder einem PC.)
Entwickler/Publisher: Playful Games / Microsoft - Erscheint für: Xbox One (X) / PC - Preis: ca. 30 Euro - Erscheint am: erhältlich - Getestete Version: Xbox One X - Sprache: deutsch, englisch - Mikrotransaktionen: Nein