Super Mario Maker 2: Test - Du darfst nicht springen!
All die Dinge, die Mario noch nie tat.
"Du darfst nicht springen. Du darfst Dich nicht fallenlassen, nicht mal aus einem Block Höhe." Aber ... Aber ... Aber ... Springen ist doch alles, was Mario kann! Aber natürlich war auch dieser Level nicht nur schaffbar, er war sogar einer der am Ende einfacheren von dem, was man nun fast eine Kampagne nennen kann. Das war eines der Probleme des Vorgängers - das und dass kaum jemand eine Wii U besaß, um ihn auf dem großen Screen genießen zu können. Beide Probleme haben sich nun mit Mario Maker 2 auf der Switch erübrigt. Zum einen hat gefühlt jeder Nintendos Allround-Konsole, zum anderen ist der Solo-Modus allein schon die Überlegung wert, nur dafür das Geld auf den Tisch zu legen.
Nun, vielleicht nicht für die Story. Die Prinzessin ist mal wieder in einem anderen Schloss, was den Pilzköpfen Zeit gibt, ein Neues zu bauen. Irgendwoher müssen die Bauten ja kommen, damit Peach ihr Schloss-Hopping betreiben kann. Leider hüpft der Reset-Hund auf den Reset-Schalter und das fast fertige architektonische Wunderwerk löst sich in Nichts auf. Geld ist auch keines mehr da, also muss Mario ran, um sich durch Hundert Level zu schubbern, um die Kohle ranzuholen und seiner Liebsten ein weiteres Schloss hinzusetzen. Man fragt sich an manchen Tagen schon, wie gut Peach eigentlich ist, dass Mario sich das seit 30+ Jahren antut. Noch ein Schloss? Ehrlich? Adlige ...
Wie gesagt, für spannende Dramaturgie bleibt hier keiner, auch wenn man sich redliche Mühe gab, ein paar Bau-Probleme mit einer Extra-Zeile und Spezial-Leveln unterzubringen. Am Ende sind es eh die Level, um die es geht, und die reichen für eine Reihe von Stunden, in denen Mario Maker zeigt, was ihn ihm stecken kann. Oder vielmehr, in dem es eine erste Idee davon gibt, was kaum mehr als ein Startpunkt für die schon zuvor hyperaktive Community sein dürfte. Im Gegensatz zu einigen dieser Kreationen halten sich selbst mitgelieferte Vier-Sterne-Stages in humanen Grenzen und sind mit ein paar (Dutzend) Versuchen schaffbar. Die Balance ist dabei ideal. Ein-Stern-Stages sind Selbstläufer, wenn auch oft genug kreative, die eben Ideen geben sollen, Zweier sind meist ein Durchgang für relative Könner, in Dreier kann man sich eine halbe Stunde verbeißen und Vierer ... So schnell werdet ihr nicht alle Stages durchhaben und wenn ihr doch mal verzweifelt: Luigi meldet sich nach ein paar Versuchen und bietet euch an, den Editor zu starten, damit ihr ein paar Feuerblumen oder Katzenkostüme verteilen könnt.
Sicher, es gibt keine echte Struktur, es sind einzelne Stages, jeder für sich, mit radikal unterschiedlichen Ansätzen, die oft genug auf den Kopf stellen, was Mario eigentlich sonst bedeutet - siehe "bitte nicht springen". Aber darin zeigt sich auch wieder, wie ikonisch mittlerweile die Mario-Grundformeln hinter den Stilen und Aufgaben sind, wie tief sich das mit einem einzelnen Knopfdruck korrespondierende Verhalten und die Bewegungsmuster in das Bewusstsein eingegraben haben. Man muss sich wirklich mal kurz zurücklehnen und im Geiste für sich analysieren, was Mario eigentlich ausmacht. Dass das, was man hier in Mario Maker 2 vor sich hat, oft genug so vielem zuwiderläuft, was Mario oberflächlich bedeutet. Aber wenn man in die tiefere Struktur des Designs einsteigt, ist es unwidersprechlich Mario. Es gibt vielleicht keine zweite Serie, die das trotz aller Evolution über die Jahrzehnte so von sich behaupten kann. Call of Duty arbeitet daran - und oft auch sich selbst zuwider -, eines Tages vielleicht ein Minecraft oder die Souls-Spiele, aber ich bezweifle es. Die Kunst hier ist die Simplizität der Grundmuster und ihre hier offensichtliche Flexibilität, sie fast endlos zu dehnen, ohne jemals an die Substanz zu müssen.
Das ist dann auch der Grund, warum der Editor, der natürlich das eigentliche Highlight ist, so gut funktioniert. Auch wenn ich ohne ein "vielleicht" oder "eigentlich" anfügen zu müssen, sagen kann, dass Mario-Enthusiasten auch nur für die "Kampagne" Mario Maker 2 kaufen sollten, das Herz ist der Baukasten und die Level, die aus ihm entspringen. Wenn ihr selbst nicht Hand anlegen wollt, ist es okay. Ihr müsst ihn nicht mal starten. Überlasst die Arbeit den anderen und verbringt Tage und Wochen damit, all das zu spielen, was die Community euch zuwirft. Man kann nach zig Parametern die eigenen Vorlieben filtern - vor allem die Schwierigkeitsgrade, denn da ist ja bekanntlich nach oben alles offen - und ihr wisst immer, dass jeder Stage schaffbar ist. Die alte Regel gilt schließlich nach wie vor: Erst, wenn der Schöpfer einmal sein Werk regulär beendet hat, wird veröffentlicht.
Werdet ihr selbst kreativ, führt euch das Spiel langsam an all die Optionen heran, aber nicht mehr so zäh wie zuvor. Ihr schaltet schneller frei - das meiste ist sogar vom Start weg verfügbar -, was ihr haben wollt, habt generell mehr Optionen, mehr Freiheit, wenn es um die generelle Gestaltung geht, mehr Blöcke, generelle Level-Konditionen und Zielbedingungen. Die wichtigste Neuerung sind dabei diese Sieg-Konditionen: Einfache Dinge wie "Sammle 100 Münzen" lassen sich festlegen, aber eben auch so etwas wie die Niemals-Springen-Regel. Verletzt man diese Regel im Spiel, kann man zwar noch weiterspielen, zum Beispiel, um zu gucken, was noch so folgt, in dem Level oder um zu überlegen, wie ein Puzzle zu lösen ist, aber die Fahne am Ende ist ausgegraut und der Level kann nicht beendet werden.
An Grafik-Sets hat sich jetzt nicht alles verändert, Mario ist Mario. Ihr habt die klassischen Stile zurück zu den 16- und 8-Bit-Zeiten, die New-Super-Mario-Looks und als Neuerung eine sehr hübsche 2,5D-Adaption des Super-Mario-3D-World-Designs. Alles zusammen ergibt mehr Freiheiten, alles zu tun, was man mit dem Grundkonzept nur anstellen kann und leicht lässt sich ein Hüpfer in ein vertracktes Puzzle verwandeln. Was leider nicht geht, ist mehrere Level zu einem größeren "Spiel" zusammenbasteln, was wohl mit das Einzige ist, was wirklich fehlt.
Das Interface ist dabei ein kompletter Sieger, denn im Tablet-Modus habt ihr die wie schon zuvor durchdachten Touch-Kontrollen, die es leicht machen, die elegante Menü-Struktur bis in die Tiefen zu erkunden. Ebenso erstaunte mich, gut die Controller-Steuerung im Dock-Modus funktioniert. So gut sogar, dass ich sie definitiv bevorzuge. Sie ist vergleichbar mit den Shortcuts in Office-Programmen: Wer diese beherrscht, ist damit schneller als jemand, der alles mit der Maus anklickt und so verhält es sich hier auch mit Controller und Touch. Leider funktioniert vieles davon nicht, wenn ihr die Joy-Con an den Handheld steckt, das meiste wird dann immer noch über Touch geregelt. Warum auch immer.
Die Steuerung zu beherrschen, ist eine Sache, etwas Sinnvolles damit anzufangen, dürfte für die meisten - mich eingeschlossen - der weit größere Haken an der Sache sein. Das gilt seit meinen ersten Gehversuchen in 3D Construction Kit zwei oder drei Leben früher und hatte sich mit dem ersten Mario Maker auch noch nicht gelegt. Mario Maker 2 kann da keine Wunder wirken, aber in Form des Dojos spuckt es sich zumindest in die Hände und unternimmt einen ernsthaften Versuch, was daran zu ändern. Dieses "man mag es kaum Tutorial nennen"-Feature bringt euch die Grundlagen bei, aber vor allem gibt es Hinweise, was man mal ausprobieren könnte. Es gibt Lektionen, was Fairness gegenüber dem Spiel bedeutet und es ergründet sogar ein wenig das, was ich eben mit der tieferen DNA von Mario ansprach, indem es Gameplay-Pacing oder Spielerführung anspricht. Alles Dinge, über die sich Mario-Level-Designer über die Jahre viele Gedanken machten und nun ein klein wenig davon an euch weitergeben. Daraus ergeben sich dann immer wieder Stupser, was man denn mal probieren könnte. Hätte 3D Construction Kit so ein Dojo gehabt, wäre meine Gaming-Karriere vielleicht anders verlaufen. Wahrscheinlich nicht, aber vielleicht ...
Bleibt noch Multiplayer und hier wird es etwas seltsam. Lokaler Koop auf einer Switch ist an sich kein Problem, aber ihr müsst einen Level herunterladen und dafür braucht es Nintendo Online - was mit 20 Euro im Jahr jetzt nicht so teuer ist und ja zusätzlich ein paar nette Perks bietet. Ihr könnt auch zwei Switch in direkter Nähe verbinden und dann so spielen. Okay. Dann gibt es aktuell noch nicht die Möglichkeit, online direkt mit Freunden zu spielen und das nicht nur, weil es generell ein wenig laggy liefe, sondern weil die Option erst nachgepatcht wird. Und es gibt auch keine Möglichkeit, einfach aus einer Freundesliste die bis zu 32 hochgeladenen Level eines Freundes zu sehen - früher waren es 10, die ihr hochladen konntet -, sondern ihr müsst mit nun immerhin nur 9-stelligen Codes die Level austauschen. Was Online-Convenience angeht, ist Nintendo immer noch erstaunlich weit hintenan. Was sich dann als wohl gut gemeint, aber einfach nicht praktikabel herausstellte, war es, lokal zu zweit im Editor rumzufuhrwerken. Man kam sich ständig in die Quere, es machte einfach keinen Spaß. Zwei oder mehr überlegen und planen, einer baut, der Controller wird weitergereicht, das war dann aber sehr spaßig und wohl die Art, auf die ihr mit Freunden bauen solltet.
Von dem immer noch nicht ganz elegant gelösten Multiplayer abgesehen, ist Super Mario Maker 2 eine Blaupause, wie der perfekte Gaming-Eigenbau-Editor auszusehen hat. Ihr habt einen durchaus für sich schon validen Kampagnen-Modus. Einen Editor, der alle Möglichkeiten in aufgeräumter und vor allem durchdacht zu steuernder Form bietet. Ein Tutorial, das euch auch die wichtigen Dinge erklärt und euch motiviert, kreativ zu werden. All das ist schon für sich viel wert, aber vor allem legt Super Mario Maker 2 praktisch als Nebeneffekt frei, wie zeitlos und unverwüstlich die Grundelemente von Mario sind, wie leicht sie sich in zig Variationen mit sehr unterschiedlichen Gameplay-Designs adaptieren lassen und was für Möglichkeiten darin stecken, wenn eine hochmotivierte Community loslegen darf.
Super Mario Maker 2 ist für sich vielleicht nicht das beste Mario-Spiel. Aber es setzt das Beste frei, was in dem Konzept Mario steckt und lässt es euch in einer endlosen Flut an Leveln immer neu erleben.
Entwickler/Publisher: Nintendo - Erscheint für: Switch - Preis: ca. 60 Euro - Erscheint am: 28.6.19 - Sprache: Deutsch, Englisch und mehr - Mikrotransaktionen: nein (Nintendo Online ist für Leveldown- und -upload nötig, 20 Euro pro Jahr) - Getestete Version: Switch