Super Paper Mario
Mit Schirm, Charme und Schnäuzer
Eigentlich sollte Super Paper Mario ja Intelligent Systems Abgesang auf den Gamecube werden. Es kam nur eine klitzekleine Sache dazwischen: Nintendos „New Generation“, die schneller Wii-förmige Gestalt annahm, als viele gedacht hätten – Miyamoto und Co. offenbar nicht ganz ausgeschlossen. Wie sonst ließe sich der seltsame Mangel an hochwertigen First Party Titeln für die weiße Zauberkiste erklären, wenn nicht mit einem großzügigen und irgendwo unverhofften Vorsprung der Hardware-Abteilung vor ihren Spiele schaffenden Kollegen? Ein Twilight Princess , das ohnehin schon ewig und zwei Tage auf den Development-Kits Überstunden machte, ist selbstverständlich eine unermessliche Bereicherung für jedes Gerät. Dennoch wird man das Gefühl nicht los, dass vor allem eines fehlt: Ein neues Mario für die neue Konsole.
Mitte des letzten Jahres entschloss man also kurzerhand, dass das dritte Abenteuer des Scherenschnitt-Klempners auf Nintendos neuem Hardware-Schlager stattfinden soll – Schnurrbartmangel beseitigt! Was bei Gamecube-Usern im letzten Mai noch als gellende Ohrfeige einschlug, juckt heute wohl kaum noch jemanden, denn Fans des lila Würfels mussten schon längst eine Entscheidung treffen: Mittlerweile ist der Cube so gut wie tot und die Next Generation vollzählig erhältlich. Dem gegenüber wecken Super Paper Mario und vor allem Super Mario Galaxy neuerdings Begehrlichkeiten, denen nur wenige Nintendo-Fans widerstehen können.
Zu Recht, möchte man meinen, denn Super Paper Mario ist bereits auf dem besten Wege, das Serien-Versprechen vom charmant-schrägen Spiel mit den Dimensionen erneut voll und ganz einzulösen. Diesmal rücken die Jump‘n’Run-Wurzeln vom Chef-Handwerker des Mushroom Kingdom ein wenig mehr in den Vordergrund – ohne allerdings die lieb gewonnenen Rollenspiel-Elemente der Paper Mario-Reihe komplett über Bord zu werfen. Wer New Super Mario Bros. auf dem DS verpasst hat, bekommt hier mindestens die zweitbeste Dröhnung Retro-Flair. Alles beginnt zunächst wie immer. Nunja – nicht ganz!
Princess Peach wird entführt. Allerdings nicht von einem stacheligen Kröterich, sondern von Obermotz-Debütant Count Bleck. Dieser will durch die Zwangsheirat von Peach und Bowser das Chaos Heart beschwören – eine Art schwarzes Loch, das tunlichst die ganze Welt bedrohen soll. Noch bevor Mario dem wahnsinnigen Treiben mit einer wohldosierten Tracht Prügel einen Riegel vorschieben kann, hat Count Bleck allerdings seinen Plan verwirklicht. Daran, die Ehe beim hiesigen Standesamt zu annulieren, hat zum Glück für uns Spieler niemand gedacht. Denn so dürfen wir zusammen mit der neuen Zweckgemeinschaft aus Mario, Bowser, Peach und Luigi stattdessen acht Welten nach je einem Pure Heart durchkämmen, um das dunkle Nichts endlich wieder vom strahlend blauen Himmel zu wischen.
Auf den ersten Blick erinnert Super Paper Mario an ein klassisches 2D Mario, in das man die niedlichen Sprites der Vorgänger-RPGs gesteckt hat. Die Charaktere wirken wie ausgeschnitten – eben wie aus Papier - , scheinen aber nicht besonders traurig über ihre fehlende Tiefe zu sein. Warum auch? Der Look machte schon die grandiosen Vorgänger zu den Klassikern, die sie heute sind. Obendrein ist die flache Beschaffenheit der Akteure nicht nur rein optischer Natur. Sie nimmt auch im Spielverlauf regelmäßig eine gewichtige Rolle ein. In Super Paper Mario ist halt einfach alles „Ansichtssache“. Verhindern Schluchten, Röhren oder Mauern Euer Fortkommen, dürft Ihr den Level jederzeit „kippen“. Nun schaut Ihr nicht mehr seitlich in die Landschaft hinein, sondern blickt Mario von hinten über die Schultern in die Tiefe der Spielwelt. Die neue Perspektive sorgt für einige Aha-Effekte. Im Profil flache Linien, entpuppen sich in frontaler Ansicht als getarnte Hinweisschilder. Zuvor unerklimmbare Hindernisse werden nun einfach seitlich umschifft und Schluchten dank eines vorher unsichtbaren Vorsprunges überwunden. Das sieht nicht nur prima aus, sondern sorgt auch für einiges an Spieltiefe – ein Begriff, den man im Zusammenhang mit Super Paper Mario durchaus wörtlich nehmen darf.
Wie bereits angeklungen ist, darf sich der waschbärbäuchige Rohrverleger über tatkräftige Unterstützung freuen. Viele Stellen verlangen nach den speziellen Talenten von Peach (Blocken und Gleiten per Schirm), Bowser (größere Kraft, Feuerspucken) oder Luigi (höhere Sprünge) und fordern so noch ein bisschen mehr Auffassungsgabe von Euch. Dies wird noch dadurch unterstützt, dass Marios Fähigkeiten durch Pixls ersetzt wurden. Ausnahme: Springen. Während Ihr die Charaktere per quer gehaltener Wiimote durch die kunterbunten Spielwiesen dirigiert, folgt Euch das Feenwesen Eurer Wahl stets auf dem Fuße und erledigt jeweils eine bestimmte Aktion: Tippi erklärt anvisierte Gegner und Objekte, Boomer sorgt für explosive Überraschungen und Dottie verkleinert Mario auf mikroskopische Maße. In Verbindung mit dem Dimensionen- und Charakterwechselspiel scheinen grundsätzlich viele interessante Knobelvarianten garantiert.
Die RPG-Elemente der Vorgänger wurden deutlich zurück geschraubt – Rundenbasierte Kämpfe adé –, trotzdem hat sich Super Paper Mario mehr als nur ein bisschen seiner Identität bewahrt. Erneut bestimmen Erfahrungspunkte die Trefferpunkte und Durchschlagskraft , wird die Geschichte witzig und einfallsreich erzählt und zahllose Nebenquests erwarten von Euch, dass Ihr Level doppelt und dreifach auf den Kopf stellt - was man bei derart originellem Design einfach gerne tut. Die Wii-spezifischen Features werden mit Ihren gelegentlichen Schüttel- und Zeigeaufgaben mit der Wiimote zwar nicht Eure Sicht auf Videospiele vollkommen umkrempeln, sind aber durchaus willkommen. Ich jedenfalls kann guten Gewissens behaupten, dass ich mich echt und ehrlich auf diesen Titel freue. Fehlt nur noch ein genauer Termin für Europa, aber das kennen wir ja schon.
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