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Super Time Force - Test

So wie Contra mit Zeit zurückdrehen. Nur ganz anders halt.

Es steckt viel Potenzial in den Ideen und Ansätzen dieses Großpixel-Spiels, aber sie können sich zu selten entfalten.

So wie Contra, nur dass man die Zeit zurückdrehen kann. So oder sehr ähnlich lautete der Teil der Pressemeldung zu Super Time Force, in dem Capybara Games (Sword & Sworcery, Critter Crunch) sein neues Werk in wenigen Worten zusammenfasst. Nun, es stimmt nicht ganz. Zum einen sieht Contra deutlich besser aus, zum anderen ist "die Zeit zurückdrehen" eine dreiste Vereinfachung einer sehr, sehr komplizierten Lage.

Nein, es ist kein Koop, nur einer mit euch selbst.

Kurz aber erst mal zu dem "Contra sieht besser aus". Ich kann durchaus was mit Riesenpixeln anfangen, sei es nun im bildschön stilvollen Sword & Sworcery oder dem totalen Minimalismus eines 140, aber nicht immer und nicht irgendwie. Leider hinterlässt Super Time Force genau diesen "irgendwie"-Eindruck. Alles wirkt einfach nur billig, so Leid es mir tut und so sicher ich bin, dass es da draußen auch seine Fans haben wird. Ich erkenne kein interessantes Designkonzept jenseits der Pixel-Blöcke, sondern nur große Klötze in Pastellfarben, etwas lieblose Sprites, die den schlichter gestalteten, aber so viel ausdrucksstärkeren Sword-&-Sworcery-Figuren nicht annähernd das Wasser reichen können und die Gegner scheinen aus einem Pixel-Generator gefallen. Ich finde dieses Spiel nicht schön, ästhetisch oder optisch bewegend, für mich ist es zweckmäßig und langweilig anzuschauen. Ob ihr das auch so seht, dafür reicht ein Blick auf die Bilder.

Kommen wir zum wesentlich bedeutenderen Teil, dem "man kann die Zeit zurückdrehen". Ja, kann man. Das ist ungefähr so, als würde man sagen, dass man mit einem DeLorean ja fahren kann und den Teil mit dem Koksschmuggeln oder in der Zeit reisen einfach weglässt. Wenn ihr hier die Zeit zurückdreht, sei es willentlich zu einem bestimmten Augenblick oder bei eurem dank des gehobenen Schwierigkeitsgrades sicher häufigen Ableben, werdet ihr nicht nur an einen beliebigen Punkt des bisherigen Levelablaufs zurückgesetzt. Ihr lasst auch einen neuen Charakter spawnen, einen von anfangs drei sehr verschiedenen, mit dem ihr parallel zu eurem ersten Anlauf spielt. Ihr könnt das dreißig Mal wiederholen und schon bald wuseln in Extrem-Situationen ein Dutzend Sprites der vorigen Versuche vor sich hin und spulen das von euch eingespielte Muster ab.

Nein, es ist kein Contra, es spielt sich nur so.

Da Super Time Force die Gesetze der Zeitreise ziemlich egal sind, könnt ihr auf diese Weise sogar eine Figur retten. Es gibt Jean Rambois, den Mann für Grobe mit der MG. Dann ist die Scharfschützin Aimy McKillin und schließlich Shieldy McBlockerton, der zwar unbewaffnet ist, aber dessen Schild als taktisches Element nicht zu unterschätzen ist. Stirbt der eine also im Kugelhagel, könnt ihr zum Beispiel vorspurten und den Delinquenten durch einen Block retten. Einen so vor dem Schlimmsten Bewahrten könnt ihr dann "Einsammeln", wodurch ihr die Fertigkeit des eben nicht mehr Verstorbenen einsammelt. Sonst kann er ja auch nichts mehr tun, seine Zeitlinie endete nun einmal. Es ist aber die ganz grobe Methode denkbar. Ballert zum Beispiel auf einen Boss, solange ihr könnt. Sobald ihr sterbt, geht es zurück und ein weiterer Charakter nimmt ihn unter Feuer. Oder stellt sich schützend auf, damit ein weiterer Mann - oder Frau - diesen Schutz ausnutzt und draufhält. Irgendwann ballern so viele Zeitlinien auf den armen Kerl in der Mitte, dass er nach Sekunden das Zeitliche segnet.

Das ist auch dringend nötig, denn das Zeitlimit ist grundsätzlich brutal. In den Leveln findet ihr zwar immer wieder Extras, die euch ein paar Sekunden mehr verschaffen, aber oft reicht es einfach nicht. Durch das Zurückdrehen und Multiplizieren der Feuerkraft lassen sich jedoch schwere Passagen, in denen ein Held lange warten und Vorsicht walten lassen müsste, schneller freiräumen. Und als kleinen Bonus hinterlässt das Verbiegen der Zeit auch noch Splitter, die eine kurze Zeitlupe für den Rest der Welt auslösen und euch die wertvollen Sekunden extra verschaffen. So, das alles ungefähr bedeutet "man kann die Zeit zurückdrehen".

Das ist ungefähr so, als würde man sagen, dass man mit einem DeLorean ja fahren kann und den Teil mit dem Koksschmuggeln oder in der Zeit reisen einfach weglässt.

Nein, die Ritter haben keine Chance gegen moderne Kanonen, sie nutzen sie nur ausgiebig.

Im Ergebnis stimmt damit der Contra-Teil überhaupt nicht mehr. Ja, es ist ein seitwärts scrollendes 2D-Geballer, aber das ist nur ein Mittel zum Zweck. Letztlich ist es ein Puzzle, wie sich ein innerhalb des Zeitlimits unmöglich zu lösender Stage eben doch bewältigen lässt. Das, garniert mit sehr viel im Grunde leicht überdurchschnittlicher Action. Oder zumindest sollte es das sein. In seinen besten Momenten gelingt Super Time Force auch genau das. Ihr müsst clever sein und geschickt genug, um einen Plan umzusetzen. Idealerweise ist es brillantes Einzelspieler-Koop mit euch selbst. Oder aber ihr holzt einfach drauf, spammt Zeitlinien, was das Zeug hält und zwingt einen Boss oder eine schwierige Gegnerformation durch schiere Feuerkraft in die Knie. Ersteres ist ungemein befriedigend und zeigt, wie genial das ganze Konzept sein kann. Der Hau-drauf-Lösungsweg jedoch funktioniert ein wenig zu oft und demonstriert, wie wichtig gutes Leveldesign für so einen elaborierten Spielansatz ist. Dummerweise werdet ihr in Super Time Force weit häufiger einfach nur Durchholzen, eben weil das Spiel euch lässt. Das ist weder interessant, noch lässt es sich als Action-Game so richtig genießen. Man sollte es ja gar nicht meinen, aber auch nach zwanzig und mehr Jahren gibt es noch Spiele, die das diagonale Schießen fummeliger gestalten, als es eigentlich sein müsste. Dumm nur, dass das hier ziemlich oft gefordert wird und ich ausnahmsweise mal nicht das D-Pad der Xbox One im Verdacht habe - auch wenn es sicher nicht hilft.

Diese Makel sollen Handlung und Humor auffangen, was von der Grundprämisse her schon mal ganz gut klappt. Statt wirklich sinnvolle Dinge mit der Zeitreisemacht anzustellen, klaut ihr Saurier, den Heiligen Gral oder Browser-Updates aus der Zukunft. Selbst die Time-Bandit-Zwerge würden erstaunt mit dem Kopf schütteln, während ihr Zackasaurus, Melanie Gibson oder Jef Leppard freischaltet. Spielerisch haben die sogar jeder etwas Eigenständiges zu bieten und eigene Fertigkeiten, die wieder zu neuen Kombos einladen, aber für ein recht kurzes Spiel war mir das alles fast etwas zu viel konzentrierter One-Liner-Slapstick. Aber das ist Geschmackssache. Ich halte mich da lieber an hochgeistiges und zeitloses wie Die Nackte Kanone 2 1/2, es wird genug geben, die mit den zeitgenössischen Anekdötchen hier etwas zum Schmunzeln finden. Ich denke halt nur, dass es, obwohl es an Aufgesetzt nichts Generelles auszusetzen gibt, dass man es auch einfach mal übertreiben kann. Und jetzt gucke ich Sinnlos im Weltraum.

Nein, die Bosse fürchten sich nicht vor einem Helden, sie kommen nur nicht mit einem Dutzend Zeitanomalien klar.

Kann das mal einer aufräumen? Wäre es Contra mit Zeit-zurück-drehen gewesen, hätte ich mich wahrscheinlich nicht beschwert, aber in Super Time Force steckt weit mehr und es gelingt dem Spiel zu selten, dieses Potenzial zu entfalten. Die Idee der Zeitlinien, des Zeitlimits und des Zeit-Slapsticks dürfte recht einmalig sein. Wenn es sich jetzt noch besser spielen würde, sein Artdesign nicht ganz so beliebig wäre und man die Klugheit des Leveldesigns nicht dem leider zu seltenen glücklichen Zufall überlassen hätte, dann könnte hier ein weiterer Indie-Klassiker seinen Weg machen. So ist dieser Weg noch nicht zu Ende, denn es wäre geradezu sträflich, das offensichtlich geniale Konzept nicht intensiver zu erkunden. In einer Fortsetzung vielleicht. Zackasaurus verdient noch eine Chance auf Unsterblichkeit.

7 / 10

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