Synapse im Test: Wer braucht schon Star Wars? Dieser exklusive PlayStation-VR2-Titel verleiht euch die Macht!
Ich darf Vader sein.
Deckungs-Shooter? Ich bitte euch! Zumindest nicht für die Gegner. Denn wenn sich einer von denen irgendwo verschanzt, dann greife ich ihn mir einfach, hebe ihn ein paar Meter in die Luft und schmeiße ihn mit Schmackes gegen einen Felsen. Oder ziehe ihn direkt an mich heran, um ihm eine Ladung Schrot ins Gesicht zu drücken.
Manchmal werfe ich plötzlich auftauchende Bösewichte auch kurz nach oben, um sie mit Kugeln zu durchlöchern, während ich unter ihnen hindurch laufe, und mir anschließend noch ein rotes Fass zu greifen und es dorthin zu ziehen, wo sich schon die nächste Traube seiner Kollegen aufhält. Ich darf es nur nicht allzu fest greifen – denn sobald ich die Hand zur Faust mache, explodiert das Gemisch.
Synapse ist mit seinem schicken Schwarz/Weiß nicht nur ein ausgesprochen stylischer Shooter. Es ist auch mehr oder weniger zufällig ein eindrucksvoller Einblick in die Art der Fähigkeiten, mit denen die Jedi und Sith eines ganz anderen Science-Fiction-Universums hantieren. Und meine Güte: Kein Wunder, dass die dunkle Seite so verführerisch ist, wenn man seiner Lust am „magischen“ Experimentieren einfach freien Lauf lassen kann!
Und es ist vor allem so verdammt einfach. In der einen Hand hält man Pistole, Schrotflinte, Maschinenpistole oder Granatwerfer, während man mit der anderen entsprechend markierte Objekte und Gegner über eine Entfernung von maximal ungefähr 50 Meter greift und irgendwo hin bewegt. Auch Fahrstühle laufen nur, wenn man sie greift und in die gewünschte Richtung zieht.
Wobei man übrigens die Wahl hat: Entweder wählt man das mit der „Macht“ zu bewegende Ziel aus, indem man es ansieht, denn das Spiel nutzt das Augentracking von PlayStation VR2, oder man zeigt mit der Hand darauf. Ich bevorzuge ja Letzteres. Zum einen gibt es für mein Empfinden nämlich eine kleine Verzögerung zwischen dem Anschauen und der möglichen Interaktion und zum anderen finde ich es schlicht cooler eine Kiste quasi blind zu greifen, während man sich gerade mit einem Bösewicht duelliert. Lässigkeit gehört hier schließlich zum Programm!
Überhaupt spielt das Greifen in Synapse eine große Rolle, denn man fasst auch die Felsen und Mauern der Umgebung an, um sich daran zum Beispiel nach unten in Deckung zu ziehen. Denkt euch das Klettern in Horizon Call of the Mountain oder auch Lone Echo und ihr wisst, wie das funktioniert. Das ist zwar manchmal etwas fummeliger als das Ducken über einen Knopf am Controller, im Gegenzug kann man durch präzises Halten und Ziehen dafür millimetergenau bestimmen, wie weit man aus der Deckung heraus oder um sie herum schauen will. Bei aller Machtfantasie ist Synapse ja immer noch ein Shooter, bei dem das eigene Leben schnell vorüber ist, wenn man nicht zumindest ein wenig darauf Acht gibt.
Dieses Festhalten an Felsen und Mauern sorgt jedenfalls dafür, dass man auch mitten im Sprint ein Hindernis greifen und sich wie ein Parcours-Läufer darüber hinwegziehen kann. Abgesehen davon kraxelt man an Felsen empor, um im besten Fall überraschend hinter einer dort verschanzten Gegnergruppe aufzutauchen. Und es gab sogar mal eine haarige Situation, in der ich mich mit beiden Händen tief am Boden entlang in die nächste Deckung gezogen habe. Wenn man das alles nach einer Zeit der Eingewöhnung richtig kombiniert, entsteht mitunter ein herrlich physischer Flow, den man so nur in VR erleben kann. Und der übrigens auch im Sitzen perfekt aufgeht.
Das Tüpfelchen auf dem i war für mich dann aber eine Kleinigkeit, der andere vielleicht nicht die geringste Bedeutung beimessen, die mir aber ein paar ausgesprochen erinnerungswürdige Momente beschert hat. Immerhin wechselt man das Magazin einer Waffe auch hier, indem man ein neues von unten hineinschiebt. Und irgendwann kam ich dann auf den Trichter mal zu probieren, ob man dafür die andere Hand benutzen muss.
Nun… muss man eben nicht. Also hielt ich kurz darauf mit der linken Hand einen Gegner in der Luft, während ich seinen Kumpels mit Rechts eine Kugeldusche verabreicht habe – bis mir die Patronen ausgingen. Da habe ich dann einfach die Maschinenpistole auf den Felsen neben mir gedrückt, während ich den Luftikus weiter fest im Griff hatte, um ihm anschließend den bleiernen Rest zu geben. Lässiger geht es nicht, wenn ihr mich fragt, und ich finde es klasse, dass die Entwickler bei nDreams so eine Kleinigkeit bedacht haben.
Es ist das Zusammenspiel aus dem Manipulieren von Gegnern und Gegenständen, dem darin eingebundenen Shooter und diesem direkten Greifen der Umgebung, dank dem die Immersion in dieser Machtfantasie so gut funktioniert.
Vielleicht fragt ihr auch an dieser Stelle aber vielmehr, warum man überhaupt in dieser Monochrom-Welt wütet. Nun, sie ist die Visualisierung des Bewusstseins von Staatsfeind Peter Conrad (gesprochen von Solid Snakes früherer Stimme, David Hayter), der zwar gefangen genommen wurde, aber nicht das Ziel seines geplanten Anschlags preisgibt. Also dringt man über eine neurale Schnittstelle in seinen Kopf ein, um ihm so diese Information zu entlocken. Und dass in diesem geheimnisvollen Szenario nicht alle Dinge so sind, wie sie zu sein scheinen, versteht sich vielleicht von selbst.
Synapse ist für PlayStation VR2 ausschließlich im PlayStation Store erhältlich. Verkauft wird es für 35,99 Euro. Abonnenten von PlayStation Plus zahlen 32,39 Euro, wenn sie das Spiel vor seinem Release am 4. Juli vorbestellen. (Synapse - Test (PlayStation VR2)
- PlayStation Store
- Intuitives Beherrschen der „Macht“ fühlt sich großartig an
- Klettern, über Hindernisse ziehen und in Deckung gehen durch Greifen der Umgebung und Ausführen entsprechender Handbewegungen
- Starkes Artdesign
- Inhaltlich mit nicht einmal zehn Levels und wenigen Gegnern sehr überschaubar
- Einer der Mind-Hacks macht fast alle Passagen absurd einfach
Gut, ein großartiger Thriller entfaltet sich dabei nicht. Dafür ist Synapse auch viel zu schnell vorüber. Bei aller Freude über das großartige Machtschleudern handelt es sich ja um einen inhaltlich sehr kleinen Shooter mit nicht einmal zehn kurzen Levels, Zonen genannt – die Vielfalt der Gegner hält sich in ähnlichen Grenzen. Hat man Conrad die gesuchte Information erst mal entlockt, sollte man Synapse allerdings noch einmal auf dem dann freigeschalteten höheren Schwierigkeitsgrad und im Anschluss daran sogar ein drittes Mal mit erneut erhöhtem Anspruch spielen. Denn nur so kommt die gesamte Geschichte ans Tageslicht.
Ganz recht: Synapse ist ein Roguelike, bei dem man stets von vorn beginnt, aber vor jedem Run neue Fähigkeiten freischaltet, falls man im letzten bestimmte Erfolge erzielt hat. Dazu zählt das Zerschlagen von Gegnern mit einem Fass oder Würfel sowie das Erledigen einer bestimmten Anzahl an Feinden und einiges mehr. Im Austausch dafür kann man seine Gesundheitsleiste vergrößern und irgendwann zwei statt nur einer Waffe tragen. Auch die Fähigkeit Gegner zu greifen, muss man sich über diese Charakterentwicklung erst erarbeiten.
Abgesehen davon hat man am Ende jeder Zone die Wahl aus einem von zwei vorübergehenden Upgrades, so genannten Mind-Hacks, die man am Ende des Runs wieder verliert. Mit denen kann man Gegnern zum Beispiel ihre Granaten Retour schicken. Hilfreich ist zudem, dass einige getötete Feinde Bomben fallen lassen, die man ähnlich wie die Fässer bewegen und manuell zünden kann. Im Kleinen verstärkt man damit seine bevorzugte Spielweise, indem nahe Gegner dann etwa größeren Schaden durch Beschuss nehmen, die letzten zwei Schüsse jedes Magazins eine Granate sind oder mit Kisten zerstörte Deckungen eine Explosion auslösen.
Leider finde ich einen von diesen Mind-Hacks nur viel zu mächtig. Verfügt man nämlich erst mal über die Fähigkeit, dass man nicht nur entsprechend markierte Kisten und Fässer, sondern auch Gegner greifen kann, dann findet man mitunter einen Hack, mit dem so angehobene Bösewichte von ihren Kameraden angeschossen werden. Das ist zwar verdammt cool, allerdings bewegt man sich damit fast nur noch quasi ungesehen zwischen den Feinden, sodass über weite Strecken der spielerische Anspruch verlorengeht – was ich gerade in Verbindung mit dem überschaubaren Inhalt bedauerlich finde.
Es gibt ja auch in Sachen Leveldesign wenig Abwechslung. Einige Umgebungen enthalten zwar verschiedene Wege, die mal geöffnet, mal verschlossen sind. Außerdem kann das eine Ende mal der Eingang und das andere Mal der Ausgang sein. Alles in allem ist man aber stets an denselben Orten unterwegs, was durchaus an meiner Motivation nagt, wieder und wieder in Conrads Kopf abzutauchen.
Synapse im Test – Fazit
Immer wenn ich mir ein herumliegendes Fass greife, es in hohem Bogen in den nächsten Raum werfe, mir dort erst mal einen Feind vorknöpfe, bevor ich das noch fliegende Fass wieder aus der Luft schnappe, um es auf die nächste Gegnergruppe zu lenken und dann die Hand zur Faust mache, sodass es endlich explodiert… in solchen Momenten fühlt sich Synapse extrem lässig an. Und von denen gibt es hier so einige. Das Spiel mit der „Macht“ lädt zum Experimentieren ein, ist (über weite Strecken) angenehm fordernd und verleiht auch deshalb eine starke physische Präsenz, weil man die Umgebung greifen und sich daran entlang ziehen kann. Gleichzeitig geht das spielerisch recht simple Konzept aber nie so richtig in die Tiefe. Alleine die Anzahl der Gegner sowie per „Macht“ greifbarer Objekte ist doch sehr überschaubar und es kommen schon bald keine neuen Mechaniken hinzu. Man bekommt es am Ende eines Runs ja nicht einmal mit einem Bosskampf zu tun. Kann man die coolen Momente trotzdem genießen? Klar! Ich merke aber auch, wie mir die ganze Zeit dieser entscheidende Schritt fehlt, bei dem ich das Gefühl habe, man könnte das Konzept so richtig ausreizen.
Synapse | |
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PRO | CONTRA |
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