Syndicate – 30 Jahre ist das jetzt her und es war klasse. Erinnert mich nur nicht an die Mission im Atlantik!
Syndhaft gut.
Ich verstehe schon, wenn man Peter Molyneux für seine falschen Versprechen am liebsten auf den Mond schnipsen würde. Aber meine Güte, hat der Mann grandiose Spielideen in die Welt gesetzt! Populus, Black & White, Fable, Theme Park, Dungeon Keeper… Selbst wenn nicht alles davon seinem eigenen Kopf entsprungen sein sollte, so hat er als Chef seiner Studios doch immer verstanden, was es heißt Spiele mit Vision zu entwickeln. Und wenn ihr mich fragt, ist das im Zweifelsfalle deutlich wichtiger als was im Vorlauf einer Veröffentlichung erzählt wird.
Aber darum geht’s gerade nicht. Ich wollte am 30. Jahrestag eines weiteren Klassikers nur mal daran erinnern, dass es diese kleine Serie einst gegeben hat: Syndicate. Wo man als Kopf eines mächtigen Konzerns um die Weltherrschaft ringt, indem man aus der Vogelperspektive vier Agenten durch eine offene Stadt dirigiert, um sie an sich zu reißen und in der Folge möglichst effektiv zu besteuern.
Das dabei zitierte Einmaleins der dystopischen Science-Fiction war ja schon damals altbekannt: Regierungen sind Schnee von gestern. Schnee von heute sind die Drahtzieher großer Corporations – und ihre Exekutive jene Agenten, die durch kybernetische Implantate noch mächtiger, schneller, cleverer gemacht werden. Das Geld für diese Upgrades fließt aus der erwähnten Steuerkasse und welche davon erforscht werden, bestimmt man selbst. Auch Waffen muss man durch die Forschung erst entwickeln. Es ist die klassische Mischung, bei der man sowohl für den strategischen Ausbau seiner Grundlagen als auch das Taktieren im Feld verantwortlich ist.
Nur dass Syndicate sowohl spielerisch als auch audiovisuell damals neue Wege ging. Wo konnte man denn vorher sonst in Echtzeit durch eine dermaßen imposante Kulisse spazieren, begleitet von einem famosen Synthie-Soundtrack und mit der Freiheit auch in Autos einzusteigen oder die Hochbahn zu nehmen? Wo man darauf achten sollte, die Waffen erst im Notfall zu ziehen, weil die Polizei sonst mit bleihaltigen Argumenten anrückte.
Überhaupt: Was man alles tun konnte! Die Bevölkerung zum Beispiel per Überzeugungsstrahl zu buchstäblichen Mitläufern zu machen. Die dienten dann nicht nur als zynischer Schutzschild gegen feindlichen Beschuss, sondern sammelten auch eigenhändig fallengelassene Waffen auf, um munter mitzuschießen. Außerdem rekrutierte man auf diese Art Nachschub für ums Leben gekommene Agenten.
Wobei die nicht nur ihr Leben verlieren konnten, sondern auch den gesunden Menschenverstand. Die Wegfindungsroutinen waren nämlich unterirdisch schlecht („Ich bieg‘ auf dem Weg geradeaus einfach mal rechts ab. Ist ein Umweg und führt zu einem Punkt, an dem ich dann ewig festhängen werde. Tschühüß!“). Spätestens in Verbindung mit den sadistisch veranlagten Autofahrern war das ein Albtraum. Als ich heute Morgen aus gegebenem Anlass mal wieder ein paar Levels gespielt habe, überfuhr Agent Nummer vier jedenfalls mal eben die Kollegen eins bis drei, weil sie die Frechheit besaßen vor seiner Motorhaube zu stehen. Na, besten Dank!
Im Gegenzug durfte man dafür immerhin seine ganz persönliche fiese Ader ausleben. Schließlich zog die Truppe nicht nur mit Uzi und Schrotflinte durch die Straßen, sondern hielt auch einen Flammenwerfer in den Händen, weshalb infolgedessen schon mal schreiende Feuersäulen durch die Straßen rannten. Hihi. Äh… ganz schlimm! Gut, dass die Schreie in der deutschen Version entfernt und sämtliche Figuren durch Cyborgs ersetzt wurden.
Dabei hatte Bullfrog offenbar sogar viel lebendigere Städte geplant. Menschen hätten dort einen Tagesrhythmus und die Agenten eigene Persönlichkeiten gehabt. Aber das war zu diesem Zeitpunkt einfach noch nicht drin. So klickt man sie lediglich einzeln oder als Gruppe an ein gewünschtes Ziel und regelt über das Injizieren verschiedener Drogen ihre Geschwindigkeit, Aufmerksamkeit und Cleverness, sodass man zum Beispiel einen von ihnen schnell dorthin bewegen könnte, wo eine Zielperson umgebracht werden soll, während man die anderen drei mit erhöhter Eigenständigkeit und Zielgenauigkeit dort parkt, wo sie selbstständig heranrückende Gegner aufhalten.
Nun muss ich zugeben, dass Syndicate in meinen Augen nie der taktische Geniestreich war, als der er mitunter gelobt wurde. Trotz der erfreulichen Handlungsfreiheit ist es unterm Strich doch ein recht simples Actionspiel, bei dem es fast immer reicht, das gesamte Quartett gut ausgerüstet aufs Ziel zu ziehen. Dabei half unter anderem der Gausswerfer: ein handlicher Raketenwerfer, der größeren Feindversammlungen mächtig Zunder gab.
Nur dass selbst der mir in der letzten Mission, auf einer Forschungsstation im atlantischen Ozean, gefühlt herzlich wenig gebracht hat. Was dort auf meine Truppe einstürmte war nun wirklich nicht feierlich. Und mittendrin speichern gab’s damals ja nicht. Also habe ich das Level durch etliche Versuche in- und auswendig gelernt, um mich irgendwann dann doch mal durchzuzwängen.
Tja… hätte ich Martin mal damals schon gekannt. Als wir uns heute kurz über Syndicate unterhielten, erzählte er nämlich, wie er seinen Rechner einfach eine Nacht lang laufen ließ. Wozu? Weil die Steuereinnahmen quasi in Echtzeit aktualisiert wurden. So hatte er am Morgen dann mehr als genug Kohle, um seine Agenten mit allen Kybernetik-Upgrades sowie einer Batterie an Gausswerfern auszustatten. Pft!
Aber das war eben Syndicate: verdammt stylische und schonungslose Sci-Fi-Action in einer wegweisend offenen Welt. Klar, weil die noch nicht in echtem 3D gebaut wurde, war die Steuerung in, auf und hinter Gebäuden furchtbar hakelig. Dafür habe ich mir immer wieder das unheimlich schicke Renderintro angeschaut, in dem man sieht, wie aus einem Menschen ein Cyborg gemacht wird.
Und ich fand dann auch den Nachfolger Syndicate Wars klasse. Der enthielt zwar den dusseligen Übersetzungsfehler, der einen im Handbuch darauf hinwies, dass die Zahl oben rechts am Bildschirm angibt, wer an dem Spiel alles mitgearbeitet hat („Credits“). Aber was Molyneux und Bullfrog da noch mal an Atmosphäre draufgepackt haben! Alleine der Soundtrack gehört bis heute zum Besten, das ein ganzes Stück weit nach Blade Runner klingt, ohne irgendetwas mit Rick Deckard zu tun zu haben.
Deshalb finde ich es auch so schade, dass die Serie nie in ihrer ursprünglichen Form fortgeführt wurde. Als kleinen Trost gibt es lediglich den geistigen Nachahmer Satellite Reign, der inzwischen zwar ebenfalls schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat. Aber falls es euch ebenfalls manchmal in den Fingern nach einem aktuellen Syndicate juckt, dann schaut euch das auf jeden Fall an. Falls ihr es nicht wie ich macht und das Original einfach über GOG herunterladet. Denn wie gesagt: Das hat damals nicht nur Spaß gemacht, sondern wie so vieles von Peter Molyneux die Entwicklung der Videospiele ganz entscheidend geprägt.