Dream Pinball 3D
Der Ball ist rund.
Zuxxez weiß, wie man Spiele vermarktet: Vier Wochen vor dem Release von Dream Pinball 3D streute der Karsruher Hersteller einen vollständig spielbaren Table hunderttausendfach unters Volk. Das Feedback der Spieler auf den kostenlosen Tisch Two Worlds, benannt nach dem gleichnamigen Rollenspiel von - richtig geraten - Zuxxez, war durch die Bank positiv. Kein Wunder, denn die in Kooperation mit der German Pinball Association beworbene Flippersimulation hat's unbestreitbar in sich. Ein bis ins Detail durchdachter Flippertisch präsentiert sich auf dem neusten Stand der Technik: Motion-Blur-Effekte, HDRI-Beleuchtung und Multilayer-3D-Sound - dazu ein nahe an die Realität heranreichendes Kugelverhalten. Wie an einem echten Flipperautomaten gibt es jede Menge punktebringende Bumper und Rampen, einen 3er-Multiballmodus und den obligatorischen Tilt-Mechanismus.
Noch interessanter wurde der Demo-Release durch einen zeitgleich ausgelobten internationalen Highscore-Wettbewerb. Wer bis zum 31. August den höchsten Spielstand erzielte und per Upload an Zuxxez übermittelte, dem winken stolze 10.000 Euro Siegerprämie. Mehrere Tausend User konnten der Herausforderung nicht widerstehen und flipperten bis die Zeigefinger schmerzten - und teilweise noch länger. Die dabei im erzielten Highscores ließen Orthopäden die Haare zu Berge stehen: unterhalb von 100 Milliarden Punkten und 5 Stunden Spielzeit am Stück - richtig gelesen: über 5 Stunden für eine Partie! - braucht man sich keine Chancen auf eine gute Platzierung auszurechnen. Die besten Ergebnisse hat der Hersteller inzwischen auf seiner Webseite veröffentlicht - und einen gewissen "Laren" mit über 470 Milliarden Punkten zum stolzen Sieger gekürt! Ohne den Champion persönlich zu kennen, wage ich die Behauptung, dass das Siegerfoto einen sehr blassen Menschen mit alienartiger Anatomie zeigen wird.
Let the good times roll!
Die sechs Tables umfassende Vollversion kommt zu einem fairen Preis von knapp 25 Euro auf den Markt. Da die letzte ernst zunehmende Veröffentlichung im Flippergenre, die geniale Pro Pinball-Reihe von Empire Interactive, über fünf Jahre zurückliegt, und pro Episode nur einen einzigen Tisch bot, braucht sich Zuxxez um die Absatzmenge des Spiels wohl keine Sorgen zu machen. Unser Test der Vollversion bestätigt zunächst die nahe liegende Vermutung, dass der Hersteller mit Two Worlds den besten Table für die Demoveröffentlichung ausgesucht hat. Aber die Qualitätsunterschiede sind glücklicherweise nicht gravierend. Genaueres lässt sich ohnehin erst nach mehreren Wochen Beschäftigung mit allen Tischen sagen, denn jeder Flipperfan weiß: Ein guter Tisch wird immer interessanter, je besser man ihn kennen lernt. Das kann sogar Monate dauern.
Schön anzusehen und flott zu spielen sind meiner Meinung nach alle sechs: vom mittelalterlich-ritterlich angehauchten "Knight Tournament" über den hektischen "Spinning Rotors" bis hin zum jurassic-parkigen "Dino Wars" ist Unterhaltung für Wochen geboten. Von echter spielerischer Abwechslung kann genrebedingt natürlich nicht die Rede sein. Allen Tischen liegt ja dieselbe Ballphysik zugrunde. Variationen im Gameplay ergeben sich lediglich durch die unterschiedliche Anordnung der Rampen, Bumper, Targets, Flipper und Kugelfallen. Und im weiteren Sinne durch das individuelle optische Tischdesign und die Soundeffekte. In dieser Hinsicht haben sich die Entwickler anscheinend besondere Mühe geben wollen, und je nach Thema allerlei farbigen Nippes auf die virtuellen Sperrholzplatten gemalt und geschraubt. Für meinen Geschmack auf manchen Tischen (Dino Wars, Aquatic) sogar etwas zuviel. Geschmackssache eben - und der perfekt ausgewogene Two Worlds macht das stellvertretend für die anderen wieder wett. Sowohl Anfänger als auch Profis sollen durch vier verschiedene Schwierigkeitsgrade auf Ihre Kosten kommen. Dies gelingt nur bedingt, denn über die Schwierigkeits-Einstellung verändern sich zum einen lediglich die Anzahl der Kugeln - zwischen sieben und einer pro Match -, und zum anderen für das Spielerlebnis eher nebensächliche Timer und Punkteschwellen.
Gute Noten in Chemie und Physik
Etwas schade finde ich, dass sich der ungarische Entwickler A.S.K. Homework durchweg auf konventionelle, mechanische Bauteile beschränkt hat, und unterhaltsame LED-Minigames völlig außen vor ließ. In dieser Hinsicht bleibt die Pro Pinball-Serie für mich weiterhin unerreicht. Puristen mögen schimpfen, aber ich fand solche Ingame-Telespiele schon immer klasse! Apropos Pro Pinball: Mein persönlicher Eindruck ist, dass Pro Pinball zudem noch ein Stück authentischer zu spielen war. Diese Behauptung bedarf näherer Erläuterung: Als kleiner Junge verbrachte ich unzählige Stunden im Freibad am K.I.S.S.-Flipper (Bally, Baujahr 1979). Eines Tages gelang mir ein so beherzter Schuss, dass die Kugel abprallte, senkrecht abhob und mit einer so großen Wucht gegen die Glasscheibe prallte, dass selbige einen handbreiten Riss erlitt!
Der Kioskbetreiber mutmaßte damals, ich hätte den Riss durch das zu schwungvolle Abstellen einer Colaflasche herbeigeführt. Und wenn ich genau darüber nachdenke, war es wohl auch die Colaflasche. Aber das spielt keine Rolle, denn was ich damit sagen will, ist: In einem echten Flipperautomaten hebt die Kugel öfter mal von der Platte ab, und wenn man Pech hat, springt sie sogar über einen der Flipper hinweg ins Off. Zweifellos ärgerlich, aber Teil des Spielerlebnisses. Außerdem kann man der Kugel eine Eigendrehung verleihen (Spin; vergleiche Bowling), so dass sie eine sonst unmögliche Bahn läuft. Diese Eigenschaften echter Flipperautomaten, also erstens echte physikalische Dreidimensionalität und zweitens der Kugelspin, wurden in Dream Pinball 3D etwas vernachlässigt. Wenn überhaupt vorhanden, dann für meine offenbar abgestumpften Sinne nur unmerklich. Leider gibt es in Dream Pinball 3D kein Feinsetup-Menü, in dem man Parameter wie die Bumperelastizität oder die Tischneigung einstellen kann. Genau das ist auch der Grund, warum das Spiel für mich die 9-Punkte-Marke verfehlt. Wenn die lange Zeitspanne meinen Blick nicht zu sehr verklärt, wurde in der Pro-Pinball-Reihe diese Authentizität besser hingebracht.
Demo ziehen, selber antesten!
Aus dem Schrank hervorgekramt habe ich die staubigen P.P.-Schachteln zum direkten Vergleich trotzdem nicht, denn bleiben wir auf dem Boden: wer tut sich im DirectX-9c-Zeitalter gerne 5 Jahre alte Spiele an? Dream Pinball 3D quillt förmlich über von modernen Grafikeffekten - und ähnlich aufwändig präsentierte Konkurrenzprodukte ... gibt es derzeit keine! Angesichts der hervorragenden optischen Inszenierung, der stolzen Anzahl von Tables und der zweifellos gegebenen Langzeitmotivation würde Pro Pinball am Ende doch gegen Dream Pinball 3D verlieren.
Auch blutigen Anfängern gelingt es, die Kugel gleich mehrere Minuten lang im Spiel zu halten, und die Lernkurve verläuft angenehm steil und gleichmäßig. Schon mit wenigen Minuten Übung hagelt es Millionen, Extrabälle - und motivierende Sprachsamples. Combo! Double Combo! Trrriple Combo! Super Compo! Extra Ball! Das motiviert dazu, immer weiter zu spielen: Noch schnell eine Partie bevor ich aufhöre. Ach, was soll's? Eine letzte geht auch noch. OMG schon 3:00 Uhr! Was mir ebenfalls gut gefällt: Zuxxez hat der DVD eine ordentliche 45-seitige deutsche Anleitung (plus andere Sprachen) spendiert, die alle Funktionen der sechs Tables ausführlich erklärt. Bei knapp 25 Euro UVP hätten andere Hersteller an solchen Extrawürsten gespart. Wegen der ausgezeichneten Demoversion erübrigen sich weitere Beschreibungen. Ein Freispiel sagt mehr als tausend Worte. Unsere Lesertest-Sektion freut sich übrigens schon auf Eure Meinungen zum Spiel!
Dream Pinball 3D ist seit dem 1. September 2006 für den PC erhältlich.