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Enchanted Arms

Auf den Arm genommen.

Stampf, stampf, stampf : "Ich böser Golem - du kleiner, unnützer Mensch. Wollen mich vernichten? Hahaha!" - Dem zeig ich's: "Freunde, auf in den Kampf! Makoto, Toya und Golem Nr. 4 - ab an die Front!" Mit geübter Hand platziere ich mein Alter Ego Atsuma und seine drei Mitstreiter auf dem Schlachtfeld. Ganz nach dem Motto: "C2 Feuer frei auf E3" befehlige ich meine Truppen und bringe Vernichtung über die verdutzten Feinde. Es war ein Fehler, mich zu unterschätzen!

Diesen Fehler werden während meines Aufenthalts in der namenlosen Fantasy-Welt von Enchanted Arms noch viele Kreaturen begehen. Die meisten werden nicht mehr sein als Erfahrungspunkte-Lieferanten für meine kampfeslustigen Begleiter und mich. Eine Gegnerhorde nach der anderen läuft mir in dem Konsolen-Rollenspiel japanischer Prägung über den Weg und sorgt dafür, dass sich meine Spielfigur stetig verbessert. Genre-Übervater Final Fantasy streckt mir dabei an jeder Ecke seine Nase entgegen, vor allem Dialog-Struktur und rundenbasierter Kampfaufbau erinnern stark an den Klassiker.

Yippieiyeah, Schweinebacke!

Was bisher geschah: Auch wenn der Golem-Krieg schon seit über 1.000 Jahren Geschichte ist, prägt er die Gegenwart der Menschen in Enchanted Arms nach wie vor. Golems, künstlich geschaffene Diener, gerieten einst außer Kontrolle und legten die Welt in Schutt und Asche. Erst als sie aufhörten zu funktionieren, konnten die verbliebenen Überlebenden sich an den Wiederaufbau machen. Die einzige Magie, die dabei nicht verloren ging, war die recht schwache Zauberei - Enchantement.

Die Gegenwart: Titelheld Atsuma erweist sich an einer der Zauberschulen als nicht gerade gelehriger Schüler. Aufgrund seines Talents, der Unterstützung seines Freundes Toya und einer mysteriösen Verzauberung seines rechten Arms, wird er aber trotzdem mit durchgeschleppt. Die Vorlesungen an der Zauber-Uni zu schwänzen, gehört folglich zu einem seiner Hobbies und so landet man eines Tages auf einem Festival in Yokohama. Was noch als friedliches Fest beginnt und die Möglichkeit gibt, die ersten Kampfmeriten zu verdienen, endet im Desaster: Unheimliche Mächte sind am Werk und zerstören die halbe Stadt - inklusive Zauber-Akademie. Sind die furchteinflößenden Golems zurückgekehrt? Natürlich ist es die Aufgabe, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen und so macht man sich mit seinen Freunden auf den Weg ins Abenteuer.

Asiatische Rollenspiele werden meist ganz anders erzählt als westlich geprägte Genre-Vertreter wie Oblivion und sind daher nur schwer vergleichbar. Bei Wortwechseln werden die beteiligten Charaktere etwa wie bei (Manga-)Cartoons ins Bild eingeblendet und die Handlung im Hintergrund eingefroren. So auch bei Enchanted Arms. Den Dialogen, in denen Atsuma aufgrund seiner Begriffsstutzigkeit oft als "einzelliges Gehirn" verspottet wird, kann der Humor zumindest teilweise nicht abgesprochen werden kann. Gelegentlich verkommen die Gespräche jedoch zum wahren "Klick-Fest" - und das minutenlang. Irritierend ist die Tatsache, dass einige Dialoge plötzlich ohne Vertonung daherkommen. Fehler oder Feature?

Wenn man nicht damit beschäftigt ist, spitzzüngigen Unterhaltungen zu lauschen oder Cutszenen zu betrachten, läuft man mit Atsuma durch Dungeons, Gewölbe und Szenarien verschiedenster Art. Langweilig werden kann einem dabei nicht, denn alle paar Schritte wird per Zufallsprinzip eine Kampfsequenz ausgelöst. Die Gegner bekommt man meist erst zu Gesicht, nachdem man in die Schlachtfelder katapultiert wurde. Gefechte laufen prinzipiell immer nach demselben Schema ab: Auf einem Spielfeld, das aus einem 6x4 großem Gitterraster besteht und die beiden feindlichen Seiten in der Mitte voneinander trennt, werden die Gruppenmitglieder zufällig positioniert.

Jetzt werd ich aber sauer!

Nun platziert man seine Mitstreiter möglichst geschickt und mit etwas taktischer Überlegung, damit sie ihre Skills oder Gegenstände gegen die Kontrahenten einsetzen können. Mit einigen Zauber-Fähigkeiten greift man Feinde auf einzelnen Feldern an, mit anderen attackiert man ganze Reihen von Feinden vertikal oder horizontal. Spezielle Kräfte (EX) können sogar die gesamte Seite des feindlichen Spielfeldes mit Schadenszaubern belegen und sind besonders herausragend animiert.

Neben den beiden Angriffsarten (Nahkampf / Fernkampf) lösen die Teams auch Verteidigungs- und Heilaktionen aus, mit denen das Überleben gesichert wird. Pro Spielrunde führen die Figuren eine Bewegung und eine Aktion aus, anschließend darf der Feind ran - sofern er dann noch lebt. Was zunächst kompliziert erscheint, erweist sich in der Praxis als sehr einfach beherrschbar. Besondere Beachtung gilt den Attributen: Sie bestimmen, ob man mit einem Feuerangriff besonders effektiv ist oder doch lieber Wasserzauber einsetzt. Geht man als Sieger aus dem Kampf hervor, was meistens nicht allzu schwer fällt, erhält man eine Auswertung über die verdienten Erfahrungspunkte und gewonnen Gegenstände.

Der moderate Schwierigkeitsgrad von Enchanted Arms erklärt sich auch dadurch, dass alle Figuren ihre Treffer- und Aktionspunkte nach dem Kampf voll aufgefüllt bekommen. Selbst wenn ein Kämpfer mal ausgeschaltet werden sollte, steht er im nächsten Fight gleich wieder ohne Malus zur Verfügung. Darüber hinaus kann man die Spielstände jederzeit sichern und verlorene Kämpfe können wiederholt werden.

Zu meinen Gegnern gehören neben Menschen, lebenden Pizza-Monstern und anderen Fantasy-Kreaturen vor allem auch die wiederauferstandenen Golems. Manchmal tritt man gegen besondere Golems an, die mir ihren Kern als Siegestrophäe hinterlassen. Damit ist es möglich, eigene Kreaturen zu erschaffen und diese in die Gruppe zu integrieren. Über 100 verschiedene Golems sind im Spiel versteckt, jeder mit einzigartigen Fähigkeiten ausgestattet. Will man alle finden, benötigt man deutlich mehr Spielzeit als die etwa 40 Stunden der Hauptquest. Da die Gruppe auf vier Charaktere begrenzt ist, hält man unbenötigte Figuren quasi in der Hinterhand. Der Clou: Auch sie erhalten Erfahrungspunkte in Kämpfen, obwohl sie gar nicht eingesetzt werden. So ist gewährleistet, dass sich die Helden stets auf einem vergleichbaren Level befinden und je nach Bedarf austauschbar sind.

Scheiße, schon wieder zu spät gekommen.

Außerhalb der Kämpfe leidet die Rollenspiel-Atmosphäre gelegentlich. Das liegt zum einen daran, dass man entweder mit Dialogen voll gestopft wird, auf die es nur selten Multiple-Choice-Antworten auszuwählen gilt. Zum anderen stolpert man von einem zufällig generierten Kampf zum nächsten oder darf mehrminütige Cutszenen bewundern. Viele davon sind zweifellos prachtvoll in Szene gesetzt und dürften die Herzen von Anime-Freunden höher schlagen lassen. Insgesamt erweist sich die Welt von Enchanted Arms aber als ziemlich steril. Es fehlt Lebendigkeit, Interaktivität und der richtige Pepp. Außer einigen zerstörbaren Kisten und Fässern wirkt vieles künstlich und eindimensional.

Man hat selbst kaum Einfluss oder gar Entscheidungsfreiheit auf den Fortgang des Spiels. Oft kommt das Gefühl auf, dass man förmlich durch die Story gezogen werde. Wo man bei Oblivion beispielweise praktisch über jeden Schritt selbst entscheiden kann, präsentiert Enchanted Arms ein Gameplay, das an Linearität kaum zu übertreffen ist. Außerdem wird man auch ständig geschulmeistert. Sogar die Benutzung von Treppen und Schaltern wird, so offensichtlich sie auch ist, jedes Mal gesondert erklärt. Ein Non-Stop-Tutorial sozusagen.

Angetreten als "das erste wirkliche Rollenspiel für die Xbox 360" kann der Titel grafisch nicht gänzlich überzeugen. Next-Gen-Optik ist dem Spiel leider zu selten anzusehen. Allenfalls die Effekte der Kämpfe und die Cutszenen sowie nette Lichtspiele lassen das Potenzial der Konsole aufblitzen. Viele der Dungeons wirken dagegen optisch eher mau. Musikalisch kann einen Enchanted Arms ebenfalls nicht vom Hocker reißen: Epische Soundtracks hören sich anders an. Größtenteils klingt das Gedudel eher uninspiriert und nicht fesselnd genug, zumal ständig die gleichen Melodien abgespult werden. Im Mehrspieler-Modus tritt man via Xbox Live online gegen andere Besitzer von Golems an. Normale Spielcharaktere darf man dort jedoch nicht zum Kräftemessen einsetzen, nur selbst gebastelte Kreaturen.

Enchanted Arms ist eindeutig ein Spiel für Liebhaber. Als Rollenspielfan muss man ein besonderes Faible für asiatisch geprägte Vertreter dieses von Final Fantasy geprägten Genres haben, dann klappts auch mit "dem Nachbarn". Im Gegensatz zu Oblivion, wo es um Spieltiefe geht, dreht sich hier alles um die Aufmachung, die Erzählweise, den Dialog und die rundenbasierte Kampfführung. Die Gefechte geben auch Anfängern die Möglichkeit, in aller Ruhe die nächsten Aktionen zu planen und siegreich von dannen zu ziehen. In epischer Breite wird die strikt lineare Story in prachtvollen Cutszenen und ellenlangen Dialogen vorangetrieben. Kurzum: Wer auf Asia-RPGs steht, wird von Enchanted Arms sicher nicht enttäuscht.

Fans von Oblivion & Co sollten das Spiel lieber erstmal Probe spielen!

7 / 10

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