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Paraworld

Mit Ada in die Kiste springen.

Auch wenn Ihr Eure Einheiten nicht selbst in Formationen anordnen könnt, verhalten sie sich recht vorbildlich: egal ob bulliger Brachiosaurus oder schmächtiger Speerwerfer, alle bewegen sich im Pulk in einheitlichem Tempo - vorneweg die kräftigsten Nahkämpfer und hinten Raptoren schleudernde Ankylo-Katapulte, Bogenschützen und Druiden. Besonders effizient sind die gewaltigen Transportsaurier, die auf ihrem Rücken in sicherer Höhe mehrere Bogenschützen und einen heilenden Schamanen tragen können.

Zu Wasser stehen Euch neben Fischerbooten für die Aufstockung des Nahrungsvorrats auch Schlachtschiffe, Katamarane und sogar U-Boote zur Verfügung. Landeinheiten verschifft Ihr mittels Transportschildkröten unmittelbar vor den Stützpunkt des Gegners. Torpedoschildkröten eignen sich hervorragend als Minenräumer oder zur Schwächung feindlicher Kriegsschiffe vor dem finalen Angriff. Richtig penetrante "Wadelbeißer" sind die schwimmenden Kronosaurier der Wüstenreiter, die mit ihren hartnäckigen Attacken so manchem gegnerischem Kahn den Garaus machen.

Auch wenn Eure Helden auf den ersten Blick nicht besonders wehrhaft erscheinen, kommt ihnen im Kampf doch eine besondere Rolle zu. Gerade mit ihren Spezialfähigkeiten können sie so manche Schlacht für Euch entscheiden. Stinas Hypnose versetzt die dicksten Dinos in Sekundenschnelle in Tiefschlaf, so dass ihnen danach Cole mit seiner Schrotflinte gefahrlos den Rest geben kann. Bela ist ein treffsicherer Scharfschütze, während Archäologe Kleemann die stärksten Einheiten per Kopfschuss aus mittlerer Entfernung ins Jenseits befördert.

Altes Spielprinzip mit Überraschungen

Mit wendigen Katamaranen gegen schwerfällige Stahlkolosse - in "Paraworld" ist das möglich.

Trotz ihrer traditionellen Struktur bieten Paraworld-Missionen jede Menge Abwechslung: Allein die verschiedenen Welten vom Dschungel über die Eiswüste bis hin zur Vulkanlandschaft stellen völlig unterschiedliche Anforderungen. Es gibt Sequenzen, in denen man sich durch eine von Piraten inflitrierte Stadt kämpfen muss, dann wieder gilt es, dem Gegner unter Zeitdruck in monumentalen Seeschlachten Paroli zu bieten oder in der Arena à la Gladiator einem T-Rex die Fresse zu polieren. Gegen Ende wird es dann immer futuristischer: Babbitts Weltbeherrschungsmaschinerien in der finsteren Aschewelt würden jedem James Bond-Film zur Ehre gereichen.

Immer wieder Neues zu entdecken gibt es auch bei den drei Völkern, die Ihr in Paraworld spielt: Während die Nordmänner noch sehr "europäisch" daherkommen, handelt es sich bei den Wüstenreitern um ein Nomadenvolk, das sein mobiles Dorfzentrum flexibel von einem Ort zum anderen verlagern kann. Der Drachen-Clan hingegen gibt sich ziemlich asiatisch mit Samurai-Kriegern, Sumo-Ringern und einem Faible für hinterlistige Fallen. Jedes Volk verfügt über seine charakteristischen Spezialeinheiten: die Palette reicht von Jetpack-Kriegern über Giftwerfer bis zum Gatling-Schützen.

Missionen sind in Paraworld nicht strikt linear aufgebaut. Das Spiel präsentiert Euch vielmehr häppchenweise Hauptaufgaben und optionale Nebenquests, für deren Erfüllung Ihr kräftig Punkte einsacken könnt. Diese dürft Ihr dann vor der nächsten Mission in zusätzliche Einheiten investieren.

Technisch perfekt?

Der Angriff auf den schwimmenden Hafen ist schnell abgewehrt.

Den Werbespruch "Perfect gaming. Easy control" auf der aufwändig mit Prägedruck gestalteten Paraworld-Verpackung dürft Ihr getrost wörtlich nehmen: Spielerisch ist das Saurier-Epos erste Sahne - intuitiv zu steuern und auch auf "normalen" Rechnerkonfigurationen lauffähig. Natürlich waren dafür ein paar technische Kompromisse notwendig, die jedoch weder fürs Gameplay noch optisch großartig ins Gewicht fallen.

So wurde bei der Kollisionsabfrage der Einheiten gespart. Diese können durcheinander hindurchlaufen. Das sieht zwar auf den ersten Blick etwas seltsam aus, hat aber den Vorteil, dass es an Engpässen keine "Staus" gibt. Auf ein physikalisch korrektes Schadensmodell verzichtete SEK ebenso. Ein sterbender Urzeitkoloss kann in eine Mauer stürzen, ohne diese umzureißen oder nahe Fußtruppen unter sich zu zerquetschen. Nicht jeder Saurier wurde mit individuellen Animationen versehen, stattdessen bedienen sich hier mehrere Typen aus ein und demselben Pool. Klar, wer es ganz genau nimmt, kann an dieser ökonomischen Art des Spieldesigns Anstoß nehmen. Aber ist es nicht legitim, zugunsten der besseren Performance auf ein paar gameplay-technisch unerhebliche Details zu verzichten? Bei spielerisch relevanten Aspekten wie Wegfindung und Balancing hat SEK dafür nämlich ganze Arbeit geleistet. Trotz der enormen Anzahl an Einheiten mit völlig unterschiedlichen Eigenschaften sind diese nach dem "Stein-Schere-Papier"-Prinzip perfekt aufeinander abgestimmt.

Kolossale Atmosphäre

Das Nomadenvolk der Wüstenreiter zieht mit mobilen Dorfzentren durchs Land.

Man kann darüber streiten, ob die Melange aus Jurassic Park und Indiana Jones, die SEK da in der Hintergrundgeschichte anrührt, nicht eine Spur zu dick aufgetragen ist. Immerhin: während in anderen Spielen die Story nur dazu herhält, die einzelnen Missionen irgendwie notdürftig zusammenzukitten, bildet sie in Paraworld tatsächlich das Rückgrat der Einzelspieler-Kampagne. Sie liefert genug Stoff für Spannung und stimmungsvolle Szenerien. Und sie hat etwas, mit dem die wenigsten Mitbewerber aufwarten können: glaubwürdige, gut herausgearbeitete, lebensechte Charaktere. Gut, dass SEK hier auch bei der Synchronisierung nicht gespart hat. So wird Babbitt von Joachim Kerzel gesprochen, der deutschen Stimme von Anthony Hopkins. Andreas Fröhlich (Edward Norton, John Cusack) lieh Bela seine Stimme und Hubertus Bengsch (Richard Gere) vertonte den Archäologen Kleemann. Anna "Stina" Carlsson ist jede Woche dienstags als Synchronstimme von Eva Longoria in Desperate Housewives zu hören.

Besonders das technisch nicht gerade umwerfende Intro und die vielen Zwischensequenzen werden durch die hoch motivierten Sprechprofis gewaltig aufgewertet. Auch der stets perfekt an die Situation angepasste Orchester-Soundtrack, eingespielt von der Magdeburgischen Philharmonie unter Bernd Ruf, trägt hier viel zur Abenteuer-Atmosphäre bei.

Paraworld gehört für mich zu den interessantesten Echtzeitstrategie-Titeln, die gegenwärtig auf dem Markt sind. Man merkt dem Spiel in jeder Minute an, dass die "Helden der Arbeit" vom Berliner Spieleentwicklungskombinat mit Feuereifer bei der Sache waren. Tolle Atmosphäre, eine spannende Geschichte, fette Dinos und ein Gameplay, das nur so flutscht. Mehr kann man von einem Spiel eigentlich kaum erwarten. Jede einzelne der abwechslungsreichen Paraworld-Missionen bietet in der Regel für mehrere Stunden packende Herausforderungen und extrem viel fürs Auge. Die 25 Gefechtskarten, die SEK zusätzlich zur Einzelspieler-Kampagne liefert, sind ebenfalls fein ausgearbeitet und keinesfalls nur liebloses Beiwerk. Warum trotzdem "nur" eine "8/10"? Nun, richtig neue Seiten gewinnt Paraworld dem Echtzeitstrategie-Genre nicht ab. Außer dem Dino-Setting ist alles irgendwie in ähnlicher Form schon mal da gewesen. Selbst der Army Controller ist ein "entfernter Verwandter" des "Click & Fight"-Systems von Spellforce 2 und Babbitts Roboterkreaturen könnten auch Rise of Legends entsprungen sein. Was mich persönlich etwas störte, waren die langwierigen Aufbauphasen, die sich in fast allen Missionen in ähnlicher Form wiederholen. Das Haushalten mit den Kräften ist sicher ein toll durchdachter Bestandteil des Gameplays, aber manchmal möchte man auch einfach mal RICHTIG REINHAUEN! ;-) Trotzdem: Respekt vor diesem Software-Prachtstück!

8 / 10

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