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Die Siedler 2: Die nächste Generation

Cult of Wusel Remix 2.

"Ach, ist das nicht der Soundtrack von Kubricks "2001: Odyssee im Weltraum"?" Nein, das ist die Tondichtung "Also sprach Zarathustra" von Richard Strauss, komponiert bereits 1896. "Oh, "Behind Blue Eyes" von Limp Bizkit!" Nein, das ist nur die weich gespülte Cover-Version eines Songs von The Who aus dem Jahr 1971.

Ja, so kann es gehen, wenn Jüngere die alten Klassiker nicht mehr kennen und sich ein X für ein U vormachen lassen. Auch "Die Siedler 2" mögen manchem "nachgewachsenen" Zocker schon kein Begriff mehr sein. Schließlich hat Blue Bytes großer Wurf um kleine Wuselmännchen mittlerweile schon zehn Jahre auf dem Buckel. Dabei genießt gerade der zweite Teil der Serie unter den eingefleischten "Siedler"-Fans nach wie vor Kultstatus - während Teil 5, "Das Erbe der Könige", wegen der stärkeren Annäherung an gängige Echtzeitstrategie-Konventionen eher umstritten war.

Die guten alten Zeiten

Putzig sehen sie schon aus, die "neuen" Siedler.

In der "Siedler"-Community war der Ruf nach einer Rückkehr zu den Wurzeln unüberhörbar. Zum zehnjährigen Jubiläum gibt Blue Byte den Fans nun das, was sie sich immer wünschten: eine Neuauflage von "Die Siedler 2" im zeitgemäßen Gewand. Der Remix für die mtv-Generation sozusagen. Das alte Spielprinzip in bildhübscher 3D-Optik, mit leicht überarbeiteter Benutzerführung und einem Mehrspieler-Modus, der diesen Namen auch verdient. Während sich früher zwei Siedler mit zwei Mäusen an einem Rechner per Splitscreen abmühten, dürfen jetzt bis zu sechs Spieler gleichzeitig im Netzwerk oder übers Internet um die Wette bauen.

Wie das Original von 1996 bietet "Die Siedler 2: Die nächste Generation" eine Einzelspieler-Kampagne aus zehn Missionen. Hinzu kommen 18 Karten für das freie Spiel, aufgepeppt mit zahlreichen Einstellmöglichkeiten. Statt der ursprünglichen vier Völker gibt´s jetzt nur noch drei. Diese sind allerdings nur im Mehrspieler-Modus wählbar und spielen sich eigentlich alle gleich - alles nur eine Frage der Optik.

Vergleicht man die Neuauflage direkt mit dem Vorbild, kommt man nicht umhin, "Die nächste Generation" "schöner" zu finden. Wo früher klobige Pixelhaufen vor sich hin werkelten, schuften heute putzige kleine Render-Kerlchen. Zoomt man ganz nah ran, sieht man das geschäftige Treiben in den Häusern: Da rattert die Säge, Männchen tragen Fische, Brote und Schweinehälften in die Minen und kommen mit voll beladenen Kohlekörben wieder raus - umgeben von einer mächtigen Rußwolke. Blue Byte hat den Comic-Stil der Original-"Siedler" stilsicher in die Gegenwart gerettet. Einziges Manko: die Kamera ist ziemlich unflexibel und lässt sich nicht drehen. Sehr gelungen ist dagegen die behutsame Anpassung der Benutzerführung - viel intuitiver, aber ohne Einfluss auf den Charme des ursprünglichen Gameplays.

Reicht Nostalgie allein?

Auf die Details kommt es an: im Bergwerk schützen sich die Siedler mit Grubenhelmen.

Wie 1996 geht es in "Der nächsten Generation" im Wesentlichen ums Aufbauen. Es gilt, einen reibungslos funktionierenden Wirtschaftskreislauf auf die Beine zu stellen - so, wie man es mittlerweile aus zig Strategiespielen kennt: Ausgehend von einem Hauptgebäude errichtet man zunächst Holzfällerhütte und Steinbruch, um die allernötigsten Ressourcen herbei zu schaffen, dann folgen Kohle-, Eisenerz-, Granit- und Goldminen sowie Schmieden, Münzprägeanstalten usw. Da Minenarbeiter auch ordentlich Hunger haben, kurbelt man mit Bauernhof, Mühle, Bäckerei und Fleischerfachgeschäft die Nahrungsmittelproduktion an. Eine eher untergeordnete Rolle spielen die Militäreinheiten, mit deren Hilfe man seinen Einflussbereich erweitert und sich die Gebiete anderer Völker einverleibt. Die eigentliche Herausforderung von "Die Siedler 2" besteht darin, ein möglichst effizientes Wegenetz zwischen den einzelnen Gebäuden zu schaffen. Und das ist angesichts der geographischen Gegebenheiten oft leichter gesagt als getan.

1996 gehörten "Die Siedler 2" zu den Pionieren in Sachen Aufbaustrategie. Damals war das alles noch frisch und unverbraucht. Ob es heute noch genauso faszinierend wirkt? Das ist Geschmacksache. Wer auf den viel beschworenen "Wuselfaktor" steht, wird sicher auch gern wieder zur "Nächsten Generation" greifen. Wem es jedoch auf fordernde Missionen mit überraschenden Wendungen und abwechslungsreichen Aufgaben ankommt, der wird "Die Siedler 2: Die nächste Generation" wohl bald gelangweilt ins Regal zurückstellen.

Liebe "Siedler"-Fans, Ihr könnt mich jetzt in Euren Lesertests teeren und federn, aber ich bin dem Wuselfaktor nicht erlegen. Es stimmt schon, das "Siedler 2"-Gameplay hat etwas Hypnotisches und kann einen für Stunden am Stück gefangen nehmen. Trotzdem bleibt meine Frage: Bietet "Die nächste Generation" wirklich genug, um das Ganze als Vollpreisspiel über die Ladentheke wandern zu lassen? Die Neuerungen gegenüber dem Original von 1996 sind eher kosmetischer Natur und gewinnen dem Gameplay keine zusätzlichen Facetten ab. Das Missionsdesign ist vergleichsweise eintönig und kopiert sich ständig selbst. Und ich habe meine Vorbehalte gegenüber Remakes - bei Kinofilmen genauso wie in der Musik oder bei Spielen.

7 / 10

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