Skip to main content

Alt+F40: Tactical Breach Wizards erinnert mich daran, warum wir ohne Indie-Games geliefert wären

Folge 49: Und passt auf eure Rummelschubladen auf!

Hidiho! Letzte Woche war ich noch schwer unter The Quarry-Zeitdruck, weshalb Alt+F40 aussetzen musste, jetzt ist aber wieder Normalbetrieb angesagt, schließlich ist auch die "E3" vorüber, weshalb ich hoffe, dass nun wieder ein wenig Regelmäßigkeit in die Kolumne einkehrt. Privat sind immer noch nicht alle Wände gestrichen. Die von mir verputzte im Flur muss vorher noch grundiert werden, aber immerhin hatte einer der Maler, die für die Fenster zuständig sind, im Vorbeigehen anerkennend über Captain Kackas saubere Leistung genickt.

Ich bin nicht sicher, ob es so clever war, schon die Garderobenstange an dieser Wand anzubringen. Aber irgendwo mussten die Klamotten hin. Die Kinder verfingen sich morgens auf dem Weg zur Kita schon im Flur heillos in herumliegenden Jacken und Mänteln, wie Raupen, die nicht aus ihren Kokons rauskommen. Viele Kartons sind noch unausgepackt (insbesondere im Büro, das sich zum "schlimmem Zimmer" des Hauses entwickelt) und es haben längst noch nicht alle Möbel ihren Platz oder alle Plätze ihre Möbel gefunden. Es wird wohl ein Projekt für den Rest dieses Jahres bleiben.

Was habt ihr euch dieses Jahr so vorgenommen?

Inhalt


Tactical Breach Wizards und die wundervolle Symbiose von Indie und Triple A

Stoppt mich, wenn ich schon mal darüber geschrieben habe. Oder versucht es und scheitert, denn ich habe das Gefühl, es ist mal wieder an der Zeit, daran zu erinnern. Aber wären wir ohne die Verlagerung von Games ins Digitale ab Mitte der 2000er und den damit zusammenhängenden Siegeszug der Kleinproduktionen von Cave Story über Braid bis hin zu heute eben Shredder's Revenge nicht längst am Ende? Mit "wir" meine ich die Spiele und die Leute, die sie lieben. Und mit "am Ende", meine ich vielleicht nicht finanziell, wohl aber kreativ und in Sachen Vielfalt.

Ein Spiel aus einer Zeit, als Fokusgruppentests zu mächtig wurden.

Nicht falsch verstehen. Andersherum – ohne die schillernden Großproduktionen, die ein zweistelliges Millionenpublikum erreichen und sich mittlerweile auch oft genug wieder was trauen – wären wir auch ziemlich mies dran. Der Markt als Ganzes würde schrumpfen, mit ihm die Werbebudgets, damit die Aufmerksamkeit für das Medium, woraufhin auch der Talentnachwuchs schmelzen und die weitere Entwicklung von Hardware- und Software-Lösungen mehr und mehr dahinschleppen würde. Weniger Augen auf das Medium als Ganzes ist immer schlecht und natürlich haben vor allem Indies sehr von zugänglicheren Engines, Entwicklungs-Pipelines und den Plattformen größerer Anbieter profitiert. Es ist eigentlich eine sehr gesunde Symbiose.

Warum ich dieses alte Thema mal wieder aufkoche? Drei Worte: Tactical Breach Wizards. Das neue Spiel des Gunpoint-Machers Tom Francis (auch Heat Signature war toll) zeigt schon mit dem Titel und nur einem Trailer ein Spiel, das vor 15 Jahren undenkbar gewesen wäre. Damals setzte gerade ein gewisser Größenwahn ein, weil Videospiele im Begriff waren, die Umsätze der Filmindustrie zu überholen. Eine Tatsache, mit der wir Spieler (und Magazine) uns in unserem jugendlichen Leichtsinn auf Jahre hinaus vor Spiele-missbilligender Verwandtschaft brüsten würden. Es ergab also Sinn, dass die Games auch mehr und mehr nach Kino-Blockbustern aussehen, denn scheinbar funktionierte nichts anderes in der Zeit.

Ein bisschen Planung, etwas Voraussicht und ihr befriedet jeden Raum recht zügig in TBW.

Als die Publisher noch mehr oder weniger bestimmten, welche Projekte jemals einem breiteren Publikum zugänglich werden, kamen leichtherzige, lustige und kuriose Einfälle und Konzepte regelmäßig unter die Räder. Und Spiele, die ihre Unterhaltungswerte hinter ein wenig Kopfarbeit versteckten oder nicht komplett im Zeitgeist lagen. Spiele wie Tactical Breach Wizards eben. Heute ist das anders und man bekommt, wenn man will, einen Titel, in dem man das Fantasy-Äquivalent eines SWAT-Teams steuert, das nur mit Zauberern besetzt ist und als Safe House die Wohnung der Mutter benutzt. Ein Duo aus "Navy Seer" in Wüsten-Camouflage zum Beispiel und einer "Freelance Stormwitch", die mit ihrem Besen schon mal überraschend zum Fenster hereinkommt, während sich beide flotte Sprüche an den Kopf werfen.

Mit entsprechend kuriosen Fähigkeiten geht es dann auch ins Gefecht, das grundsätzlich mit einem "Breach" durch einen von mehreren Zugriffspunkten beginnt. Neben der humorvollen Aufmachung und sich wunderbar ergänzenden Talenten, die kluges Zusammenspiel der Zauberer untereinander belohnen, liebe ich jetzt schon, dass man offenbar jede Aktion zurückspulen kann. Das verschiebt das Ganze ein Stück weg von eisenharter Taktik in Richtung Puzzlespiel, bei dem man schaut, wie man möglichst viele Spielfiguren der Gegenseite in einem Zug vom "Brett" räumt.

Die Dialoge sind Francis-typisch mal wieder sehr humorvoll

Die Dialoge zwischendrin versprühen ebenfalls eine Menge verschrobenen Charme, den eine große Marketingabteilung vor ein paar Jahren so nicht zwangsweise durchgewunken hätte. Etwa, als Navy Seer Zan seine Hexenkollegin Jen daran erinnert, dass man nicht jedes Problem im Leben "durchs Fenster rausschmeißen kann" – in Anlehnung an die Mechanik, den Knockback vieler Fähigkeiten eben so zu nutzen, dass man einen Feind aus großer Höhe in den Tod stürzt. Aber es wird offenbar auch kreativer, zum Beispiel mit einem Portal, das man in einer Wand öffnen kann, aus dem dann alles verschlingende Tentakel in die Karte schnappen oder Geisterautos voller Skelette, die einmal quer über die Karte rasen. Kurzum: Ich liebe, was ich da sehe.

Francis hat sich mit den Jahren immer wieder als Designer mit einem guten Händchen für smarte, spritzige und systemisch befriedigende Denkspiele bewiesen. Gerade Gunpoint war 2013 eines dieser Indie-Highlights, an die man Jahre später noch denkt. Für mich gehört er deshalb in dieselbe Reihe konstanter Größen wie die Kleis, Jonathan Blows, Team Meats und The Behemoth dieser Szene: Außergewöhnliche Stimmen, die dieses Medium zu einer Vielfalt gebracht haben, um die es zu PS360-Zeiten nicht so gut bestellt war. Dafür kann man schon mal ein Häkchen auf der Steam-Wishlist machen, finde ich.


Das Wichtigste der Woche KW 24/2022, Alex Edition

In der Rotation: In Staffel 3 ist The Boys immer noch wahnsinnig gut! Gleichzeitig habe ich diese Season im Verdacht, ein allzu passgenaues Kryptonit gegen den brillant gespielten Klapsmühlen-Supermann auf den Tisch zu legen. Und auch sonst findet man einige etwas zu bequeme Lösungen. Spannend ist es dennoch weiterhin ohne Ende und ich bin jetzt schon traurig, dass es nur noch drei Folgen sind. Weder Outer Range noch Night Sky habe ich bisher weitergeschaut, gleichzeitig war ich sehr enttäuscht, dass Mittwoch nicht bereits Folge 3 von Ms. Marvel anstand. Das ist der Haken daran, wenn man einen Vorab-Screener bekommt. Hat man den gesehen, darf man länger als der Rest auf Nachschub warten. Was Games angeht, habe ich mit Mario Strikers angefangen, das mir gut gefällt, auch wenn ich noch nicht sicher bin, ob das noch Fußball ist. Aber was ist heute schon noch Fußball? Nur Rocket League eigentlich.

Läuft!

Musiktipp der Woche: Julia Jacklin – I was Neon läuft hier gerade rauf und runter. Es war klar, dass entweder das hier oder der andere, vorab veröffentlichte Track 'Lydia wears a cross' der bald erscheinenden neuen LP Pre-Pleasure der Australierin, mein Tipp der Woche werden würde. Diese beiden Songs klingen weit weniger nach Indie-Folk und auch der Country-Twang von einst ist bisher nicht zu hören. Stattdessen gibt's hier einen modernen, nach vorne gehenden Kopfwipp-Rocksong mit leichten QOTSA-Vibes, modern arrangiert und mit relaxtem Drive. Das volle Album erscheint leider erst Ende August.


Höhepunkt der Woche: Höhepunkte gab es eine Menge. Nach zwei Jahren des Zauderns habe ich endlich einen Pizzaofen für den Garten gekauft, einen Ooni Karu 12, der mit diversen Brennstoffen funktioniert, damit man auch im Falle eines Dritten Weltkriegs noch authentisch neapolitanische Pizza backen kann. Zur Not muss eben ein Beinchen unseres Eichenbetts herhalten. Erste Backergebnisse waren gerade so befriedigend und zeigten mir vor allem, dass ich mal wieder an meinen Teig-Skills und der Logistik arbeiten muss.

Teigverarbeitung und Temperaturmanagement erledigen sich auch mit dem schönsten Ofen nicht von selbst. Ich übe weiter.

Neben Shredder's Revenge, das Martin völlig zu Recht in den Himmel lobte, ist das Steam Next Fest mal wieder eine wunderbare Safari durch viele, viele neue und toll aussehende Spiele. Ich genieße es jedes Mal sehr, einfach auf Verdacht ein oder zwei Dutzend Titel runterzuladen und mich überraschen zu lassen. Oft genug sind coole Sachen wie Cult of the Lamb dabei. Und wenn nicht, war die Erfahrung, mal frisch und komplett unbeleckt in ein Game wie Ozark zu gehen, immer noch eine coole Sache. Ich möchte dieses Event nicht mehr missen. Heute Abend schaue ich mir Gloomwood an, das wie eine inoffizielle Thief-Fortsetzung mit der alten Engine wirkt.


Mittelpunkt (!?) der Woche: Ich muss schon sagen, Starfield treibt mich mächtig um, aber vielleicht nicht, wie Bethesda sich das wünschen würde. Ich mag die Größe des Universums und dass ich mein eigenes Raumschiff bauen kann. Aber dass sie Erzabbau und den Fund einer Waffe in einer Schatztruhe als erste spielerische Highlights in ihrem Reveal platzierten, bereitet mir immer noch Bauchschmerzen. Das sind Dinge, für die ich nicht auf Bethesda warten muss. Ich kann sie in drei Dutzend anderen Spielen jetzt schon machen. Ich bin sicher, Starfield wird einen Grad an Qualität und einen Umfang erreichen, der verlässlich sein Geld wert sein wird. Aber ich bin nicht überzeugt, ob ein Spiel, das im Einzelnen so sichtbar mit Wasser kocht, am Ende mehr sein kann, als einfach nur eine aktuellere Version der bisherigen Bethsoft Werke. Ich wünsche mir einen richtigen Neustart.

Zum Ende hin wurde die Gameplay-Präsentation besser. Ich war dennoch etwas ernüchtert, dass ich schon viel von dem ahnte, was ich zu sehen bekam. Ich hoffe, das wird im fertigen Spiel anders sein.

Tiefpunkt der Woche: Es ist passiert: Meine Frau hat Wort gehalten und eine Institution der Bohn’schen Haushaltsorganisation wegrationalisiert: Die Rummelschublade. Der Ort in der Küche an dem man vom Gummiband bis hin zu vollen und leeren Knopfzellen und Fahrradschlüsseln, zu denen das Schloss (oder das Fahrrad) nicht mehr existiert, einfach alles aufbewahrt. Es gibt Gegenstände, die gehören von Anfang an einfach dort und nirgendwo anders hin (das Plastikteil von dem Dingsda, das man zum duweisstschon brauchte!), und manche gehören dorthin, weil sie schon so lange dort liegen, dass man ihren ursprünglichen Zweck nicht mehr weiß. Wegwerfen mag man sie trotzdem nicht. Es würde einfach was fehlen. Was genau jetzt der Fall ist, denn ab sofort sind in der Schublade unsere Gewürze drin und das macht sehr seltsame Sachen mit mir. Ist das schon ein Fall für Mediation oder soll ich erst mal heimlich eine neue Rummelschublade als Bewältigungsmechanismus anlegen. Muss ja niemand erfahren...

Wächst und gedeiht. Hat sich gut eingelebt, würde ich sagen.

Schon gelesen?