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Tactics Ogre: Let Us Cling Together

Retro-Remake-Referenz

Final Fantasy Tactics ist ein wunderbares Spiel – sowohl im PSone-Original als auch im PSP-Remake War of the Lions, wie der Kollege Woger in seinem Test ganz richtig bemerkt. Aber was würdet ihr jetzt sagen, wenn ich euch erzähle, dass es da ein weiteres Spiel ganz ähnlicher Bauart gibt... ein Spiel von den gleichen Designern, Schreibern, Künstlern und Komponisten, die euch schon das faszinierende, anspruchsvolle, gerne auch mal knallschwere, aber vor allem absolut unvergessliche Abenteuer in Ivalice beschert haben?

Oh ja, dieses Spiel gibt es wirklich: Es heißt Tactics Ogre: Let Us Cling Together und erschien 1995, also gute zwei Jahre vor Final Fantasy Tactics, lediglich in Japan auf dem Super Famicom. Das ursprüngliche 16Bit-Tactics-Ogre fand im Gegensatz zu seinem spielerisch komplett anders aufgestellten Vorgänger Ogre Battle: March of the Black Queen zwar nie den Weg in den Westen, war aber in Japan so beliebt und erfolgreich, dass es ein komplettes Genre begründete: Praktisch jeder isometrische Strategie-RPG-Mix der kommenden Jahre, hieß er nun Disgaea: Hour of Darkness, Onimusha Tactics oder Phantom Brave, orientiert sich im Grunde an diesem Klassiker des kleinen Entwicklerhauses Quest.

Das entging auch den Square-Oberen nicht und schließlich wurden die Hauptdesigner der Ogre-Spiele abgeworben, allen voran Director und Szenarist Yasumi Matsuno und Art Director Hiroshi Minagawa. Bei Square und später Square Enix arbeiteten sie dann gemeinsam mit Illustrator Akihiko Yoshida und den Komponisten Masaharu Iwata und Hitoshi Sakimoto an großartigen Titeln wie Final Fantasy Tactics, Vagrant Story und schließlich Final Fantasy XII, während dessen Entwicklung Yasumi Matsuno Square Enix dann unter bis heute ungeklärten Umständen verließ.

Rittersdame Ravness wurde extra für das Remake in die Handlung integriert.

All das macht das jetzt erscheinende Remake von Tactics Ogre nur umso bemerkenswerter: Da Square Enix vor ein paar Jahren auch die Reste von Kult-Entwickler Quest aufkaufte und damit auch die Rechte an der Ogre-Serie erhielt, ist es nicht allzu überraschend, dass die Firmenleitung aus dem bis heute guten Namen etwas Kapital schlagen will... Es ist vielmehr das „Wie", das zutiefst beeindruckt.

Tactics Ogre: Let Us Cling Together ist nicht einfach nur eine hastig zusammengeschusterte Konvertierung mit Matschepatsche-Filter, knarzig emuliertem Sound und halbherzig an das 16:9-Format der PSP angepassten Grafiken: Square Enix versammelte das komplette Kernteam von 1995, selbst Exzentriker Matsuno trug dank Skype von Zuhause aus zur Entwicklung bei, und gab ihnen die nötigen Ressourcen, um den zeitlosen Klassiker von Grund auf neu zu erschaffen. Das Ergebnis spricht für sich und stellt sogar den eigentlichen (spirituellen) Nachfolger Final Fantasy Tactics noch in den Schatten.

Unter Kennern galt Tactics Ogre schon lange als inhaltlich runder und spielerisch anspruchsvoller als Final Fantasy Tactics. Damit hatten sie im Prinzip auch recht: Die dramatisch größeren Kampfarenen, die mehr als doppelt so große Truppenstärke und die zahlreichen Entscheidungen, mit denen ihr den Verlauf der Handlung in dramatischem Ausmaße beeinflussen könnt, stellen einen klaren Mehrwert im Vergleich zu Final Fantasy Tactics dar.

Ebenfalls neu: Für mehr Übersicht könnt ihr die Kamera in die Vogelperspektive schalten.

Doch gleichzeitig war Tactics Ogre auch dramatisch schwerer, verzieh weniger Fehler, hatte ein sehr starres Klassensystem und war ohne ausführliche Grinding-Sessions für den gewöhnlichen Spieler kaum zu bewältigen: Nicht wenige erfahrene Final-Fantasy-Tactics-Veteranen bissen sich bei der kurz darauf in kleinen Stückzahlen in den USA erschienenen PSone-Konvertierung von Tactics Ogre die Zähne aus.

All diese Fehler vermeidet das PSP-Remake nun konsequent. Während Matsuno, Minagawa und ihr Team Komplexität und Anspruch des Kampfsystems unangetastet ließen, wurde das Klassensystem, die Sterblichkeit der Figuren und die Benutzerfreundlichkeit stark überarbeitet. Gerade die hohe Sterblichkeitsrate war die Crux des Original-Tactics-Ogre. Wenn in den Kämpfen der ersten beiden Kapitel eine Figur starb, dann war sie tot. Richtig, endgültig tot und kam auch nicht wieder. Zwar nutzt Nintendo bei den Fire-Emblem-Spielen ein ganz ähnliches System, doch dort gehen die meisten Kämpfe oft viel schneller und fühlen sich oft Puzzle-artiger an.

Thomas Nickel Avatar
Thomas Nickel: Fest in der 16Bit-Ära verwurzelt, lehrt der freie Autor Spielegeschichte an der Frankfurter Games Academy. Wird eher selten vor Ego-Shootern gesichtet.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

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