Tales from the Borderlands Episode 2: Atlas Mugged - Test
Alte Bekannte und neue Feinde.
In Sachen Kommunikationspolitik könnte Telltale noch das eine oder andere lernen. Nach der Veröffentlichung der ersten Episode von Tales from the Borderlands in der letzten Novemberwoche war es sehr, sehr lange still um die zweite Episode. Es ist nicht das erste Mal, dass Telltale für eine Episode länger braucht, was ja an sich okay wäre, wenn man denn mal etwas dazu sagen würde. Aber einfach zu schweigen und die Spieler beziehungsweise Käufer im Unklaren zu lassen, ist nicht die feine Art. Selbst ein einfaches „sorry Leute, dauert noch ein bisschen länger" würde mir da vollkommen ausreichen, nur sagt halt einfach irgendetwas statt gar nichts.
Aber nun ist sie ja da, die zweite Episode, und die Fortsetzung lässt diesmal hoffentlich nicht ganz so lange auf sich warten. Telltale kann man immerhin zugutehalten, dass die Qualität auf jeden Fall für die lange Wartezeit entschädigt. Die Entwickler folgen genau dem Weg, den sie schon in der furiosen Staffelpremiere eingeschlagen haben. Mal dämlicher, mal cleverer Humor, der aber meist funktioniert, absurde Situationen und die fehlende Ernsthaftigkeit tun Tales from the Borderlands einfach gut. Es ist das, was den anderen Telltale-Reihen - die zwar qualitativ nicht wirklich schlechter sind - einfach fehlt, weil es dort überhaupt nicht zum Szenario passen würde. Oder kann sich jemand vorstellen, dass ein Charakter in The Walking Dead oder Game of Thrones in Gedanken zum Spieler vor dem Bildschirm spricht, wie es Rhys in Episode 2 tut, während ihr das nächste Ziel aussucht?
Tales from the Borderlands lebt ohne Zweifel auch von seiner guten Charakterbalance, hin und wieder streut es kleinere ernsthafte Momente ein, in denen Fiona und Sasha etwa in Felix' alter Behausung über seinen Verrat nachdenken. Überhaupt geht es bei den beiden Frauen etwas ernsthafter und emotionaler zu, Rhys und Vaughn sind mehr für die witzigen Momente zuständig, obwohl auch ihre Beziehung hier auf die Probe gestellt wird und sich entwickelt. Und all das vor dem Hintergrund, dass Rhys und Fiona nach wie vor in der Gewalt ihres Entführers sind, dessen Motivation ebenso unklar ist wie letztlich das Schicksal von Vaughn oder Sasha.
Beide erzählen das Vergangene weiterhin aus ihrer jeweils eigenen Perspektive, wodurch sich gewisse kleinere Unterschiede ergeben. Während Rhys in seiner Variante einfach nur von einem Vorsprung fällt und sich den Kopf anschlägt, spritzen in Fionas Geschichte dabei noch ganze Blutfontänen durch die Gegend. Aber Rhys hat eigentlich ganz andere Probleme, denn nur er sieht ein Hologramm von niemand Geringerem als Handsome Jack. Und besagtem Hologramm muss er erst mal klar machen, dass Jack eigentlich tot ist. Das hält den virtuellen Schurken aber nicht davon ab, seine Späßchen mit Rhys zu treiben. Er erweist sich aber auch als hilfreich und führt euch am Ende gar in Versuchung. Könnt ihr Jack wirklich trauen?
Ansonsten zeigt Telltale mit der zweiten, knapp anderthalb Stunden langen Episode einmal mehr, was man in puncto Choreografie auf dem Kasten hat. Die Anfangssequenz ist fantastisch und immer wieder wechseln sich actionreichere Momente mit dem gewohnten Telltale-Gameplay ab: ein paar Dinge untersuchen, mit anderen Objekten interagieren oder ein bisschen plaudern. Das Spiel zieht seinen Unterhaltungswert also vor allem aus dem Humor, der wirklich in alle Richtungen gehen kann.
Zum Beispiel wenn Jack mit verstellter Stimme eine Handpuppe in Vaughns Schritt imitiert und dieser sich wundert, warum Rhys genau dorthin starrt. Einer meiner Lieblingscharaktere ist der Loader Bot. Seine Oneliner und sein Verhalten treffen immer ins Schwarze und spätestens zu dem Zeitpunkt, als er erst jemanden durch den halben Ort schleuderte, nur um sich dann Fiona und Sasha zuzuwenden, seine Hand auszustrecken und „come with me if you want to leave" zu sagen, gab es für mich kein Halten mehr.
Wenn man Tales from the Borderlands eines nicht vorwerfen kann, dann, dass es langatmig wäre. Es ist praktisch immer was los und Leerlauf gibt es quasi gar nicht. Das war auch schon eine der Stärken der ersten Episode. Großartige Rätsel, die euer Hirn zur Verzweiflung bringen, solltet ihr aber auch hier nicht erwarten. Inwiefern man später womöglich noch das Inventar umfangreicher einsetzt, bleibt abzuwarten. Ihr könnt hier zwar wieder ein paar Dinge einsammeln, die relevanten Objekte werden im Verlauf der Handlung aber automatisch eingesetzt. Dahin gehend erfüllt es bislang eher eine Alibifunktion. Rhys' Augenimplantat wurde da schon besser integriert und erfüllt seine Dienste unter anderem beim Hacken einer Waffe, die auf ihn gerichtet ist.
Dass Fiona immer wieder Geld einsammelt, ist zumindest derzeit ebenfalls nicht mehr als eine nette Spielerei. Hier dient es unter anderem dazu, eurem fahrbaren Untersatz in Scooters Garage einen neuen Anstrich zu verpassen, wenn ihr denn wollt. Und damit wären ihr auch schon bei einem weiteren Punkt: Bislang fügt sich Tales from the Borderlands ganz gut in das etablierte Spieluniversum ein. Dazu leisten vor allem die bekannten Charaktere wie Scooter ihren Beitrag. Einen weiteren Auftritt hat übrigens Athena, die im Borderlands-1-DLC The Secret Armory of General Knoxx noch NPC und in The Pre-Sequel dann ein spielbarer Charakter war.
In puncto Technik kämpft Telltale auf der Xbox One mit nicht immer ganz sauberen Szenenübergängen. Manchmal gibt es beim Szenenwechsel eine kurze, vielleicht eine Sekunde lange Pause, andere Übergänge laufen hingegen reibungslos. Es ist kein großartig störender Faktor, aber doch etwas, was man noch in den Griff kriegen sollte.
Kurzweilig, witzig, sympathisch. Ja, Tales from the Borderlands ist mittlerweile schon meine Lieblingsreihe von Telltale, da verzeihe ich den Entwicklern auch ihr Schweigen während der langen Pause zwischen den beiden Episoden. Bei den anderen Serien aus gleichem Hause erzielen die Cliffhanger zwar ebenfalls ihre Wirkung, aber nie war das „Ichwill am liebsten jetzt sofort weiterspielen"-Gefühl bei mir größer als hier. Tales from the Borderlands tut vor allem als Abwechslung zur sonstigen Ernsthaftigkeit der Telltale-Adventures sehr gut. Es ist eine wahre Freude, mitanzusehen, wie Telltale selbst scheinbar sehr viel Spaß damit hat, auch mal den Humor in den Vordergrund zu rücken und schlicht die Sau rauszulassen.