Tales of Graces f - Vorschau
Stau im Tales-Land: Durch die Japan-Europa-Verzögerung bringt Namco Bandai hierzulande zwei neue Serieneinträge in kurzer Folge.
Ich muss zugeben, nach dem absolut zauberhaften Ni No Kuni: Der Fluch der weißen Königin hatte es Tales of Graces f auf dem Frankfurter Namco-Bandai-Event zunächst ein wenig schwer bei mir. Das spricht allerdings eher für die Massenkompatibilität des doch sehr markanten Stils der Chihiro-Schöpfer als gegen Tales of Graces f. Mutsumi Inomatas Pinselstrich schlägt einfach in eine ganz andere Kerbe als der der Oscar-prämierten Animationsgrößen, ist deutlich bonbonfarbener und entschieden japanischer.
Auf den ersten Blick wird klar, dass beide Titel auf zwei vollkommen unterschiedlichen Seiten des Anime-Spektrums angesiedelt sind: Nimmt man beide in kurzer Folge, liegen hier Studio Ghiblis spleenige Kindheitsträume mit dem erzählerischen Zuckerkulör des Tales Studios im Clinch. Das hier ist Folk gegen Pop. Bon Iver vs. Rihanna. Fight! Und weil ich es gerne eine Idee geerdeter mag, zieht mich Ni No Kuni in dieser Konstellation mit links in sein Lager. JRPG-Fans stellt sich dieses Dilemma in der Form allerdings erst gar nicht, denn zwischen beiden Titeln liegt auf dem Kalender in Wahrheit ein gutes halbes Jahr. Tales of Graces f schlägt mit etwas über eineinhalbjähriger Verspätung gegenüber der Nippon-Version Ende August in Europa auf, während Ni No Kuni sich noch bis Anfang 2013 bitten lässt.
Doch auch inhaltlich sind diese Titel denkbar weit voneinander entfernt. Wo sich Ni No Kuni trotz Dimensionswanderung deutlich menschlicherer Themen annimmt, wandelt Tales of Graces f im Anime-Äther auf eher bekanntem JRPG-Terrain - wenig verwunderlicher Weise spielt auch Amnesie wieder eine Rolle - doch das war vom zwölften Teil einer siebzehnjährigen Rollenspielreihe auch nicht unbedingt anders zu erwarten. Wer erneut darauf baut, vom aktuellen Tales, das schon in der Japan-Fassung von Ende 2010 eine Neuauflage der Wii-Version war, ein quirliges und durchaus actionreiches Abenteuer in einer pastellfarbenen Welt zu bekommen, der wird vollauf bedient.
Trotzdem bin ich mit meinen Vergleichen noch nicht ganz am Ende. Wo in Ni No Kuni handgezeichnete Anime-Zwischensequenzen und Spielgrafiken visuell kaum miteinander brechen, fallen die Übergänge zwischen der doch ziemlich gekonnt auf hübsch polierten Wii-Grafik und den Zeichentrick-Sequenzen eines Graces f deutlicher ins Auge. Es ist nicht unbedingt unangenehm anzuschauen, wenn Film und Spiel sich mit einem kräftigen Schüttler die Hand geben. Immerhin hauchen auch Hideo Baba und Co. ihren Figuren mittlerweile per Motion Capturing Leben ein. Und doch soll diese Tatsache hier nicht unerwähnt bleiben: Man merkt einfach, dass das Ausgangsmaterial von der Nintendo-Konsole bereits zweieinhalb Jahre auf dem Buckel hat.
Aber worum geht's eigentlich? Graces f's Geschichte beginnt mit Asbel und Hubert, die ein Mädchen ohne Erinnerung finden, dem sie natürlich auf Anhieb helfen wollen. In Ermangelung eines Personalausweises oder einer mitgeführten Videotheken-Mitgliedskarte wird die Werteste mit den pinken Zöpfen kurzerhand auf den Namen 'Sophie' getauft. Es entwickelt sich eine intensive Freundschaft, die nach einer für JRPG-Helden nicht unüblichen Tragödie eine siebenjährige Pause erfährt. Wieder vereint geht es für das Trio gegen einen gemeinsamen ehemaligen Jugendfreund und eine Bedrohung, die viel größer und düsterer ist als ursprünglich angenommen. Es ist mehr oder weniger typische Genreverköstigung, mit, dank der Beziehungen der kindlichen Helden untereinander, nett-persönlicher Note. Nicht klischeehaft, aber auch nicht bahnbrechend originell.
Rein mechanisch vermeidet Tales of Graces f, wie schon viele seiner Ahnen, die klassischen Zufallskämpfe zugunsten eines nachvollziehbareren Systems mit schon vorher sicht- und angreifbaren Monstern. In den Kämpfen selbst kam je nach Situation und Truppenzusammenstellung schon in meiner kurzen Anspielsitzung ein ordentliches Durcheinander auf, was für partybasierte Rollenspiele mit Echtzeitkampfsystem aus Japan nicht unbedingt eine Neuigkeit ist. Die Tales-Reihe hat es trotzdem bislang immer hinbekommen, dass man irgendwo ein Mindestmaß an Übersicht behielt. Und macht man alles richtig, ist jedes bunt glitzernde Effektgemetzel in Sekundenschnelle wieder vorüber.
Abseits der lebhaften Gefechte erhält das Spiel durch einige Umstellungen beim Kampfsystem etwas mehr an Tiefe. Neuerdings kennt Tales offensichtlich A-Artes und B-Artes, anstatt nur zwischen Standard-Attacken und den nützlicheren Artes zu unterscheiden. Während die B-Artes relativ bodenständig bleiben, kettet ihr A-Artes zu mächtigen Kombos zusammen, je nachdem, ob eure Command Points noch ausreichen. Die Zeit, die ich mit der Testversion hatte, genügte nicht, um ein Gefühl für die Kombos zu bekommen und die Gegner verteidigten sich teilweise reicht gut gegen meine Versuche, längere Serien zu landen. Ich bin gespannt, wie das in der Testfassung aussieht.
Abgesehen davon geht das Spiel durch sein Crafting und das Titel-System ein wenig in die Breite. Ihr kennt das ja: Erstellt durch das Zusammenführen verschiedener Zutaten wenig überraschender Weise neue Ausrüstungsgegenstände oder ergattert mit dem Erreichen verschiedener Meilensteine in der Handlung neue Titel, die Einfluss auf die Fertigkeiten eurer Streiter haben, um euren Trupp so auf eure Spielweise anzupassen.
Der Ersteindruck wies Graces f vollkommen unmissverständlich als Tales-Spiel aus, das Freunden der Vorgänger wohl per se gefallen wird, sofern die nicht mit dem letzten Titel endgültig genug davon hatten. Die Überraschungen hielten sich in engen Grenzen, was in diesem Segment nicht zwangsläufig nur Tadel, sondern irgendwo auch ein Lob ist. Ideen und Anreiz sind auf diesem Level der spielgestalterischen Beschlagenheit, die zwölf Serieneinträge im Lebenslauf nun Mal mit sich bringen, jedenfalls genug vorhanden.
Trotzdem: Als reichlich zeitverzögerte Umsetzung der PS3-Konvertierung eines Wii-Titels wird Graces f die Reihe wohl kaum in neue Bahnen lenken. Vielleicht gelingt das ja Tales of Xillia, das in Japan bereits mit Höchstnoten bedacht wurde und hierzulande für das nächste Jahr angesetzt ist. Hoffentlich nimmt die neuerliche Ankündigung des dreizehnten Spiels der Reihe für den Westen Graces f nicht den eigentlich wohlverdienten Wind aus den Segeln. Gute Lokalisierungen von japanischen Rollenspielen können hierzulande jeden Freund gebrauchen, den sie bekommen können.