Skip to main content

Tales of Symphonia Chronicles ist ein Spiel für die Fans

Ob man euch als Neuling dazugewinnen kann, ist dem Titel relativ egal.

Vor meinem Interview mit Hideo Baba, dem Produzenten der Tales-of-Reihe, überlege ich mir meine genaue Herangehensweise. Soll ich einfach nur ein wenig über Tales of Symphonia Chronicles reden oder harte Fragen zur Stagnation der Serie stellen? Eigentlich machte er bei der einleitenden Präsentation zuvor einen netten Eindruck, doch ich will ihn trotzdem mit den Problemen konfrontieren. Anstatt enttäuscht oder sogar sauer auf meine Kommentare zum Franchise zu reagieren, lächelt er mich freundlich an, streichelt dabei spielerisch die Plüschkatze auf seinem Arm und antwortet mir mit einer Ehrlichkeit, die ich nicht erwartet hatte.

Kein aufgeblasenes Geschwafel

“Natürlich bin ich mir der Entwicklung der Serie bewusst”, entgegnet er mir und beginnt zu lachen. “Aber ehrlich gesagt möchte ich nur kleine Dinge in jedem Teil verändern oder hinzufügen. Es sollen Evolutionsschritte sein und nicht die große Revolution. Die Welt dreht sich auch ohne die Tales-of-Spiele weiter. Es ist eine Serie, die ich für die Fans mache. Wenn die Leute 'Tales of' auf der Verpackung sehen, erwarten sie gewisse Dinge, die sich nicht ändern sollten.”

Eine realistische Sicht der Dinge. Spiele der Tales-of-Reihe erzielen nicht die höchsten Absätze, bleiben durch eine Fanbasis mit fieberhafter Hingabe allerdings konsistent. Es ergibt also durchaus Sinn, die Serie nicht zu verändern. Zumindest nicht zu stark. Denn die einzigen, die es wirklich interessiert, sind die Fans. Mit zu großen Neuentwicklungen riskiert man ihren Abgang. Auch wenn die Reihe also niemals einen erneuten Durchbruch erlebt, bleibt sie dennoch bestehen.

Ein Gehilfe von Captain Planet?

Den Ersten schaffte man damals mit Tales of Symphonia, das etwas überraschend auch außerhalb Japans veröffentlicht wurde. “Ich denke nicht wirklich, dass Tales of Symphonia so viel besser ist, als die restlichen Spiele der Reihe” gesteht Baba. “Der Grund für die hohen Absätze war das richtige Timing. Wir veröffentlichten das Spiel zu einer Zeit im Westen, als die Leute dort noch hungrig auf traditionelle, japanische Rollenspiele waren. Vielleicht wirkte es im Gegensatz zu anderen Serien sogar neuartig. Zudem unterstützte Nintendo den Titel mit einer starken Vermarktung. Wir hatten definitiv Glück mit der Veröffentlichung.”

Nostalgische Gefühle

Auch ich gehöre zu den Leuten, für die Tales of Symphonia einen hohen Stellenwert besitzt. Mit japanischen Rollenspielen sah es auf dem GameCube eher mau aus. Tales of Symphonia kam als strahlender Retter in die Händlerregale und wurde mit offen Armen empfangen. Zudem spielte sich das actionlastige Kampfsystem relativ frisch. Nachdem ich die Jahre zuvor fast ausschließlich mit Final Fantasy verbrachte, gehörten Zufallskämpfe und ein rundenbasiertes Kampfsystem einfach zum Genre. Symphonia sprengte für mich diese Ketten.

Ich war begeistert. Erstmals konnte ich Feinde gezielt auf der Oberwelt ansteuern, mich frei in den Kämpfen bewegen und mit dem Auswählen von verschiedenen Spezialangriffen sogar meine Figuren individuell gestalten. Der Durst nach immer höheren Combos und perfekten Gefechten ließ mich auch nach über 70 Stunden nicht los, die ich in der farbenfrohen Welt verbrachte. Darüber hinaus waren die Charaktere mit ihren kleinen oder größeren Schwächen sympathisch. Eingeschobene Gespräche auf der Karte oder in den Dungeons brachten mir ihre Dynamik als Gruppe näher. Mittlerweile erkennt man viele Punkte als Klischees wieder. Doch damals war es aufregend und neu. Es mag diese Dinge nicht erfunden haben, doch für mich und viele andere war es der erste Kontakt mit solchen Mechaniken.

"Ich würde sehr gerne ein komplettes Remake machen, aber nur im Bezug auf die Engine." - Hideo Baba

Für bessere Combos müsst ihr die richtige Auswahl an Spezialattacken herausfinden.

Aber warum ausgerechnet dieses Spiel fast unverändert zusammen mit seinem Nachfolger erneut auf den Markt werfen? Nur weil es sich bisher am besten verkaufte und das zehnjährige Jubiläum den passenden Zeitpunkt bietet? “Das Jubiläum ist auf jeden Fall ein Grund für die Neuveröffentlichung”, erklärt Baba. “Aber es ist für die meisten Leute das wichtigste Spiel. Vielleicht weil sie es zuerst gespielt haben oder die Charaktere besonders mochten. Genauso deswegen wollte ich sowohl in Tales of Symphonia als auch im Nachfolger Dawn of the New World bis auf ein paar zusätzliche Kostüme und kleine Animationen nichts verändern. Ich würde zwar sehr gerne ein komplettes Remake machen, aber nur im Bezug auf die Engine. Das Gameplay würde ich nie verändern. Chronicles ist für die Fans, damit sie ihre alten Erinnerung aufleben lassen.”

Schwarzes Schaf?

Im Gegensatz zu Tales of Symphonia konnte der Nachfolger Dawn of the New World nie an den einstigen Erfolg anknüpfen. Viele bemängelten die neuen Charaktere und eine zu langatmige, uninteressante Geschichte. “Ich denke nicht, dass Dawn of the New World seinen Ruf verdient hat”, äußert sich Baba zum Thema und setzt zum ersten Mal eine ernstere Miene auf. “Die Verkaufszahlen waren niedriger und es wurde ebenfalls von der Presse schlechter aufgenommen. Dennoch gehe ich davon aus, dass es von vielen Fans geliebt wird. Die meisten sind nur mit unmöglichen Anforderungen an den Titel gegangen. Sie erwarteten ein Spiel, das sie so beeindruckt, wie es damals Symphonia schaffte. Und das ist einfach nicht möglich. Wären sie mit einer anderen Einstellung an den Titel herangegangen, hätte er ihnen auch besser gefallen. Hoffentlich geben sie ihm dieses Mal eine zweite Chance.”

Im Vergleich zum alten Register an Helden konnten die Figuren von Dawn of the New World nicht überzeugen.

Alt und neu direkt nebeneinander.

Ich selbst habe Dawn of the New World auf der Wii nur ein paar Stunden gespielt. Während sich das Kampfsystem noch einen Zacken bissiger anfühlte, hatte ich mit den neuen Figuren das gleiche Problem wie andere Spieler. Im Vergleich zum alten Heldenregister konnten sie nicht überzeugen. Da der Titel sie aber direkt gegen Lloyd, Collette oder Sheena hält, ist es kein Wunder, dass Spieler die Charaktere miteinander vergleichen. Und da zieht die neue Truppe nun einmal den Kürzeren. Mal sehen, wie es sich bei einem zweiten Versuch anfühlt, in dem man beide Titel direkt hintereinander spielt und nicht wie damals vier Jahre dazwischen liegen.

Wie es mit der Serie derweil weiter geht, will Baba noch nicht verraten und spricht lieber über andere Wünsche. “Ich würde gerne an einer komplett neuen Serie arbeiten”, sagt er und denkt ein wenig über seine folgenden Worte nach. “Ich interessiere mich aktuell sehr für ein Open-World-Konzept. Hiroyuki Kobayashi, der Produzent von Dragon's Dogma, ist ein alter Freund von mir. Als er mir davon erzählte, an was für einem Spiel er arbeitet, war ich richtig eifersüchtig. Vielleicht würden sich für so ein Spiel auch mehr Spieler aus dem Westen interessieren. Im Gegensatz zu japanischen Spielern wollen sie mehr eine Welt, in der sie alles machen können, und keine vorgefertigte Geschichte, die sie auf einer linearen Bahn entlang führt. Ich denke, das wäre eine interessante Aufgabe für mich. Wir werden sehen.”

Auch ich möchte gerne sehen, was für ein Konzept dabei herauskommt, wenn er sich nicht dem Zwang einer loyalen Fanbasis unterstellen muss, obwohl ihm die Arbeit an der Tales-of-Reihe sichtlich Spaß bereitet. Ich wünsche ihm jedenfalls alles Gute für seine Zukunft. Ob euch Tales of Symphonia Chronicles interessieren sollte, hängt wohl mit eurer Verbindung zur Serie zusammen. Denn wer den Titel damals nicht frisch erlebt hat, wird ihn heutzutage eher als ein Relikt alter Tage betrachten. Wie frisch es sich wirklich gehalten hat, kann ich allerdings erst sagen, wenn ich beide Teile noch einmal von vorne bis hinten erlebt habe.

Schon gelesen?