Tales of Xillia 2 - Test
Auch für Nicht-Fans interessant?
Die Tales-of-Reihe lebt in ihrer eigenen kleinen Welt, vollkommen unbeeindruckt von Nörglern oder Kritikern. Bei jeder neuen Iteration folgen die gleichen Kommentare in Bezug auf die offensichtliche Stagnation. Außerhalb von winzigen Veränderungen, die meist nur das Kampfsystem betreffen, erhaltet ihr bei jedem „Tales of" praktisch die gleiche Erfahrung. Dieser Tatsache sind sich die Entwickler bewusst und ignorieren jegliche Beschwerden mit voller Absicht. Denn Tales-of-Spiele existieren aus nur einem Grund: um die Fans glücklich zu machen.
Wie mir Hideo Baba, Produzent der Traditionsserie, vergangenes Jahr auf einem Event erklärte, weiß er ganz genau, dass seine Spiele keinerlei Einfluss auf die Industrie haben. "Die Welt dreht sich auch ohne die Tales-of-Spiele weiter", verkündete er, ohne es zu bedauern. Er möchte bloß die Fans zufrieden stellen und ihnen eine ähnliche Erfahrung in verschiedenen Welten mit interessanten Charakteren ermöglichen.
Obwohl man sich trotzdem darüber aufregen kann, dass seit Tales of Symphonia keine grundlegenden Veränderungen erfolgten, bringt es die Kritiken genauso wenig weiter. Daher möchte ich die immergleichen Aspekte schnell abhandeln, um über die wirklich wichtigen Änderungen zu sprechen.
Auch Xillia 2 folgt einem recht linearen Ablauf, hat dafür aber starke Figuren, die ihr nicht nur in normalen Filmsequenzen, sondern vielmehr in Unterhaltungen zwischen Kämpfen besser kennenlernt. Die Charakterisierung jedes Teammitglieds mitsamt Beziehungen innerhalb der Gruppe gehörte schon immer zu den größten Stärken der Reihe. Ebenso fantastisch ist das Kampfsystem. Legt für jeden Charakter vier unterschiedliche Spezialattacken fest, die ihr kinderleicht in effektgeladene und vor allem tödliche Kombos verwandelt. Jederzeit wechselt ihr zwischen euren Kameraden, die selbst alleine wunderbar in den Kämpfen agieren. Durch ein paar taktische Anweisungen dürft ihr sogar das generelle Verhalten eurer Kumpanen bestimmen. Gefechte fühlen sich schnell, actiongeladen und dennoch taktisch an. Je nach Schwierigkeitsgrad dürft ihr es wie einen simplen Button-Masher behandeln oder müsst die vorhandenen Systeme komplett ausreizen, um nicht bereits in den ersten Kämpfen zu sterben. Jeder Schlag vermittelt die nötige Wucht und durch die Kürze der Auseinandersetzungen erleidet ihr keinerlei Ermüdungserscheinungen.
Das sind die Gründe, warum Fans immer wieder zurückkehren. Und ich habe überhaupt kein Problem damit, dass es sich fast genau wie die Vorgänger spielt. Ehrlich gesagt sind es weiterhin die stärksten Elemente des Titels, die von der langjährigen Erfahrung des Teams profitieren. Aber wie sieht es für Spieler aus, die vom Erstling nicht einmal einen Screenshot gesehen haben?
Selbst ohne Kenntnisse des ersten Teils konnte ich die Handlung genießen. Zwar habe ich bei der damaligen Veröffentlichung einige Inhalte mitgenommen, doch Charaktere und Story waren mir vorher nicht bekannt. Ein Problem ergab sich daraus jedenfalls nicht. Natürlich ist die Erfahrung wesentlich emotionaler, wenn ihr das erste Xillia erlebt habt. Denn bis auf Protagonist Ludger stammen sämtliche Figuren aus dem Vorgänger und kehren als Kameraden zurück. Wer sich trotzdem verloren fühlt, darf sich an einer Enzyklopädie bedienen, die sämtliche Einzelheiten der bisherigen Ereignisse erklärt. Da die Geschichte allerdings drei Jahre nach dem Ende von Tales of Xillia einsetzt und Ludger keinerlei Bezüge zur bisherigen Handlung hat, werden selbst Neulinge sanft in die Welt und ihre Hintergründe eingeführt. Was nicht bedeutet, dass ihr erst fünf Stunden warten müsst, bevor die Exposition ein Ende findet und ihr endlich richtig spielen dürft. Bereits nach 30 Minuten ist die Einführungsphase abgeschlossen und ihr findet euch gefangen im ständigen Konflikt zweier Welten, die über den Verlauf der Geschichte anregende Fragen im Bezug auf Klassensysteme und die moralisch beste Gewichtung von Natur und Technik aufwerfen.
Um die Nähe zu euren Teamkollegen auch spielerisch zu unterstützen, verwendet ihr als zentrales Element der Kämpfe erneut das Link-System. Darüber könnt ihr zwei Figuren mit einander verbinden, sodass sie euch den Rücken freihalten, Feinde ablenken oder verschiedene Boni erteilen. Es passt thematisch perfekt zum Aufbau von Freundschaften zwischen euch und euren Mitgliedern. Sie sind nicht bloß weitere Animationen auf dem Kampffeld, die einfach nur Schaden an Monstern verursachen, sondern verleihen euch direkte Vorteile, wenn ihr mit ihnen zusammenarbeitet.
"Um die Nähe zu euren Teamkollegen auch spielerisch zu unterstützen, verwendet ihr als zentrales Element der Kämpfe erneut das Link-System."
Betrachtet man dagegen alle anderen Aspekte außerhalb von Charakteren, Handlung oder Kämpfen, überschlagen sich die Mängel und erzeugen eine Lawine aus Problemen, die das großartige Zentrum der Erfahrung oftmals unter sich begraben.
So will Tales of Xillia 2 mit allen Mitteln eine Spielzeit von über 40 Stunden erreichen, selbst wenn es damit das hohe Tempo zu Beginn komplett ausbremst und mehrere Passagen wie einen Kaugummi in die Länge zieht. Kurz nach dem Antritt eurer Reise erhaltet ihr einen gigantischen Schuldenberg. Dieser verhindert an vielen Orten die Weiterreise. Erst wenn ihr einen bestimmten Betrag abarbeitet, lässt euch das Spiel passieren. Das führt dazu, dass die Story immer in kleinen Schüben voranschreitet, zwischen denen ihr gezwungen seid, sich ständig wiederholende Nebenaufträge zu absolvieren.
Damit aber nicht genug. Etwas später zwingt man euch zu einer Reise in eine alternative Dimension, die jedoch nur alte Bereiche in einen bunten Farbfilter tunkt und ansonsten die gleiche Erfahrung bietet. Die komplette Geschichte samt ausgearbeiteter Charakterentwicklung hätte problemlos in 25 Stunden gepasst, ohne euch künstlich zurückzuhalten. Stattdessen zwingt man euch zur ständigen Beschäftigungstherapie, wobei man sich den Zugang zum wichtigen, interessanten Teil des Spiels erst verdienen muss. Es ist diese Obsession mit der Spielzeit, die Tales of Xillia 2 zurückhält. Tales of Symphonia war beispielsweise ohne Hetze nach 30 Stunden beendet, setzte einem aber nie unnötige Barrikaden in den Weg. Stattdessen gab es genügend Nebenkram, um den Stundenzähler locker auf 50, 60 oder höher zu treiben. Konstanter Fortschritt sowie Pacing sind in einem auf Handlung und Figuren fokussierten Titel unglaublich wichtig. Optionale Aufgaben sollten natürlich vorhanden sein. Doch lasst mich alleine entscheiden, ob und wann ich diese Zusätze angehe.
"Das Schlimmste am Entscheidungssystem? Das Spiel belügt euch dreist."
Ein weiteres Problem von Xillia 2 ist das neue Entscheidungssystem. Regelmäßig pausiert das Geschehen und präsentiert euch zwei mögliche Optionen. Dabei suggeriert der Titel großen Einfluss auf das restliche Abenteuer, was jedoch kompletter Blödsinn ist. Das Schlimmste daran? Das Spiel belügt euch dreist! Sehr früh geratet ihr in einen Terroristenangriff am Bahnhof eurer Heimatstadt. Sofort startet eine Entscheidung. Geht ihr an Bord des attackierten Zuges oder bleibt ihr zurück in Sicherheit? Beim ersten Mal bin ich natürlich mutig aufgestiegen, um die Angreifer zu bekämpfen. Als ich dann sehen wollte, wohin mich die andere Option führt, fühlte es sich wie ein Schlag ins Gesicht an. Ludger entfernte sich zwei Schritte vom Gleis, bevor er urplötzlich doch an Bord stieg. Nicht einmal neue Dialogzeilen hörte ich, da Ludger bis auf ein paar zittrige "Ääääh"s, "Mmmmh"s und "Yeah"s generell kein Wort verliert. Entscheidungen existieren nur, um dem Spieler großen Einfluss auf die Entwicklung der Handlung vorzutäuschen. Letztendlich verändert sich nicht einmal die Farbe eines Laserstrahls.
Und damit zeigt sich die größte Schwachstelle von Tales of Xillia 2. Sowohl die Aufblähung der Spieldauer als auch die servierten Entscheidungsmöglichkeiten erzeugen bloß Illusionen. In einem Fall ist es die unnötig gestreckte Spieldauer, im anderen die Hoffnung auf Einflussnahme der Geschehnisse. Beide resultieren jedoch im Gegenteil ihrer erhofften Ziele.
Warum führt man nicht wieder die Rätselaufgaben früherer Ableger ein, bevor man den Spieler auf anspruchslose Quests schickt, die keinerlei spielerischen Anspruch besitzen? Das käme ebenfalls der Abwechslung zugute, was sicherlich nicht passiert, wenn man die gleichen Aufgaben noch einmal erledigt und dasselbe Gebiet erneut besucht.
Trotzdem sorgen allein Handlung, Charaktere und Kämpfe für ein gutes Spiel, das trotz seiner Fehler leicht in den Bann ziehen kann. Nur kommt es auf die persönliche Reaktion gegenüber den erwähnten Mängeln an. Seid ihr Fan der Reihe, stören euch die Schwächen wahrscheinlich nur unterbewusst oder am Rande. Euren Spaß werdet ihr dank der üblichen Stärken dennoch haben. Neueinsteiger sollten lieber zu Tales of Symphonia oder Vesperia greifen, die ohne den Ballast auskommen. Falls ihr jedoch zu der Gruppe ehemaliger Tales-Anhänger gehört, die irgendwann die Freude an der Serie verloren haben, wird euch Xillia 2 nicht bekehren. Es ist eben ein Spiel für Fans. Im Guten wie Schlechten.