Tekken 6
Die eierlegende Wollmilchsau
Die Automatenversion hat es angedeutet, nach ein paar Stunden mit der spielbaren Konsolenfassung steht es fest: Tekken 6 ist ein Monster von Spiel, das selbst moderne Prügelmeisterwerke wie Soul Calibur IV in punkto Umfang alt aussehen lässt. Am dramatischsten fällt der Vergleich mit Street Fighter IV aus. Während bei Capcoms Rückbesinnung auf alte Tugenden Kämpferzahl und Komplexität reduziert wurden, packt Namco satte 42 spielbare Figuren, Dutzende aufwändige Render-Sequenzen, zwei riesige Endgegner, Online-Funktionalitäten und eine stundenlange Einzelspieler-Prügel-Kampagne auf den Datenträger.
Angesichts der qualitativ erstklassigen Vorgänger und der kaum veränderten Spielmechanik für Fans schon auf dem Papier ein absoluter Pflichtkauf. Doch wie spielt sich diese eierlegende Wollmilchsau? Kann das Kampfsystem mit der Masse an Kämpfern, Spielzeit und Spielmodi Schritt halten? Und löst der Szenario-Kampagnen-Modus den Tekken-Force-Modus als bestes Einzelspieler-Addon ab?
Nachdem ich mich schon in einer verstaubten englische Arcade-Spielhölle (Torcadero) auf die Mehrspieler-Bretter gewagt hatte und mir Tekken-Mastermind Harada-San letzten Dezember Rede und Antwort stand, ließ uns Namco Bandai diesmal mit der Konsolen-Version allein. Nahezu alle Kämpfer waren spielbar. Das Spiel sah der Automatenversion zum Verwechseln ähnlich und sogar zwei Level des Szenario-Modus warteten auf unsere gierigen Hände.
Doch zuallererst war der Arcade-Modus an der Reihe, der 1zu1 auf dem Automaten basiert. Das Gameplay hat sich seit dem Vorgänger kaum verändert. Mal ganz abgesehen von ein paar Details spielt sich der Titel noch immer wie der erste oder zweite Teil. Schnelle, leicht zu erlernende Action kombiniert mit ausufernden Kombo-Attacken und einer ansehnlichen Move-Palette. Neu ist nur der Rage-Modus, der Spielern mit wenig Energie mehr Durchschlagskraft verleiht.
Da stellt sich die Frage, wieso das Tekken-Team nicht mal etwas Neues ausprobiert. Dazu Lead Designer Katsuhiro Harada: „Wir haben ja neue Elemente wie eine echte Physik-Engine ausprobiert, doch diese haben alle nicht so funktioniert wie sie sollten. Wir konzentrieren uns lieber auf das Feintuning des vorhandenen Systems, denn es funktioniert einfach.“ Einleuchtend. Auch am Aufbau des Arcade-Modus wurde nichts verändert. Jeder der 42 Fighter kämpft sich in zwölf ständig härter werdenden Fights an die Spitze des Tekken Tournaments, um am Ende dem fünf Meter hohen Kampfroboter NANCY-MI847J und dem engelsgleichen Endboss Azazel gegenüberzustehen.
Die beiden Bosse unterscheiden sich extrem von den anderen Gegnern. Durch ihre Größe und ihre gewaltigen Kräfte erfordern sie ganz andere Taktiken und mit wenig Erfahrung eine ganze Menge Glück. Mächtige Raketenattacken, Flammenatem und Energiestrahlen verwandeln jeden Anfänger in ein kleines Häufchen Elend. Prächtige Spezialeffekte, hochaufgelöste Texturen und geschmeidige Animationen bringen Xbox 360 und PS3 zum Glühen. Mit den sonst ausbalancierten Auseinandersetzungen haben die epischen Schlachten aber kaum etwas gemein.
“Wegen den extremen spielerischen Unterschieden werden die Endbosse auch nicht spielbar sein“, erklärt Harada. Schade, aber angesichts ihrer Zerstörungskraft auch nachvollziehbar. Immerhin darf man NANCY-MI847J im Szenario-Modus nutzen - dazu später mehr. Wie gehabt gibt es Früchte für erfolgreiche Siegesserien und auch irgendeine Form von Erfahrungspunkte, mit denen ihr die vielen Charaktere, Kleidungsstücke und Verzierungen freischalten könnt. Das genaue Wie war in der Vorschauversion noch nicht ersichtlich, das Ergebnis sah hingegend beeindruckend aus.
Ihr könnt eure Figuren individuell bis auf das Muster der Klamotten an eure Bedürfnisse anpassen und so auch Online antreten. Neben naheliegenden Aufhübschungen der Damenwelt mit knapper Kleidung und schicken Hüten könnt ihr obendrein den harten Männern einen etwas weicheren Eindruck verpassen. Ob aber Roboterskelett Yoshimitsu mit einem bunten Strohhut nun wirklich besser aussieht als in seiner zerfledderten Originalform, liegt, wie immer, im Auge des Betrachters. Erstklassig: Die Neuzugänge Schwabbel-Bob, Leo, Miguel, Zafina, der Deutsche Lars und die Roboter-Göre Alisa (exklusiv für die Konsolenversion). Jeder Charakter passt hervorragend zur restlichen Prügelriege und spielt sich abwechslungsreich und herausfordernd.